Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 332 Dom 1603

Beschreibung

Epitaph aus verschiedenen Gesteinsarten (Sandstein, Schiefer, Alabaster?) für Dr. Wilhelm Rudolph (von) Megbach an der Nordwand der Kirche in ca. 2,50 m Höhe über der Empore angebracht. Auf zwei, einen Unterhang mit Stiftervermerk mit Widmung (C) einschließenden Konsolen ruht ein Sockel mit zwei weiteren Konsolen, die zwei, eine große Inschrifttafel mit biographischen Angaben und Sterbevermerk (B) flankierende Säulen tragen. Auf dem abschließenden verkröpften Gebälk mit Weiheformel (A) zwei kleine Fruchtkörbe und ein gesprengter Giebel, dessen Segmente ein kleines Postament mit Vollwappen einschließen. Die schmalen, zoomorphen Seitenhänge stark fragmentiert. Sämtliche Inschriften eingehauen. Die letzte Zeile von B aber in eine eingeschobene Holzleiste eingeschnitten.

Maße: H.: ca. 365 cm; B.: ca. 195 cm; Bu.: 4,2–4,5 cm (1. Zeile von A), 3 cm (2. Zeile von A), 3,5–4 cm (B), 2–2,5 cm (die drei letzten Zeilen von B), 2,5 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    INDIVIDVAE TRIADIa) // SACRVM · MEMORIAEQVEb) / NVNQVAM IN//TERITVRAEc).

  2. B

    VIRI NOBIL(IS) ET MAG(NIFI)CId) D(OMI)N(I) GVLIEL(MI) RVD(OLPHI) MEGBACHIe) IN HEL/MSTORF I(VRIS) C(ONSVLTI) ORATOR(IS) ET POL(I)TICIf) PER GERMAN(IAM)g) CELEB(ERRI)MIh) / QVI PATRE IOA(N)NE ILL(VSTRISSI)MORVMi) HASSIAE PRINCIPVM GRVNBER=/GE(N)SI NECNON BELLO GERMANICOj) SVPREMO COM(M)EATVSk) / PRAEFECTO,l) ET MATRE MARGAR(ITA)m) EX NOB(ILI) STEVBEROR=/VM An) NELLENBVRG FAM(ILIA) NATVSo) POST SVSCEPTVM MAR=/PVRGI, SVMMVMp) IN V(TRIOQVE) I(VRE) GRAD(VM)q) PRIMO CONSILIAR(II) MVNVS, APVD / GVL(IELMVM) HASSIAE LANDGRAV(IVM) MERVIT, EVMQVEr) AD COMIT(IA) SPIRENS(IA)s) / SECVTVS AD MAX(IMILIANVM) QVOQVE II. IMP(ERATOREM) DEIN AD CAR(OLVM) IX. GALL(IAE) REG(EM) / LEGATVS AB IPSO MISSVS EST. POSTHAECt) NON DVC(IS) SALTEM / SAX(ONIAE) COBVRG(ENSIS) SED ET ARCHIEP(ISCOP)ATVSu) MAGDEBURG(ENSIS) CANCEL=/LAR(IVS) PER (DVODECENNIVM)v) INTEGRVM, HOC IN LOCO, SVB IOACH(IMO) FRID(ERICO) / BRANDEB(VRGENSI) VII VIROw) EIVSDEM TVNCx) ADMINIST(RATORIS) NECNON LEGAT(VS)y) / IPSIVS AD RVD(OLPHVM) CAES(AREM) PLTVRIESz) VTI ET AD RATISBON(ENSIA) COMIT(IA)aa) / ATQVE AD · SIGISM(VNDVM) III.bb) POLON(IAE) ET SVEC(I)AEcc) REG(EM) EGIT, A FRID(ERICO) / QVOQVE II.dd) ET · CHRISTIA(NO) IV.ee) DANIAE REG(IBVS)ff) INTER CONSILIAR(IOS) HA=/BITVS ET AB IMP(ER)A(TORE I)PSOgg) AD CONSILIAhh) VOCATVS, ET ADHIBITV(S)ii) FVIT. / TANDEM INGRAVESC(ENTE) AET(ATE) ET MOLEST(IS) AVLICISjj) DEFATIG(ATVS) AD QVIETEM, IN RVRE / SVO CONVERSVS,kk) DEO ITA VOLENTE, EX STATIONE SVA ET MORT(ALI) HAC VITA PIE AD / AETERNAMll) TRANSIIT DIE XXIV FEBRVAR(II) ANNImm) M·DC·III·

  3. C

    CVI MARGAR(ETA)nn) SNEIDEVINA HENR(ICI) I(VRIS) C(ONSVLTI) ET CANCELLAR(II) OLIM SAX(ONIAE)oo) FILIA CON=/IVX ET VIDVA MOESST(ISSIMA)pp) CVM LIB(ERIS) SVPERST(ITIBVS) REINARDOqq) GVLIEL(MO) ET BVRC=/ARDOrr) HENR(ICO) PEDIT(ATVS)ss) CAPITANEIS ET GVLIEL(MO) MAVRIT(IO) FRATR(IBVS) ET FILIIS / NECNON MARGAR(ETA)tt) ET ANNA MARIA MAVRIT(II) ET WOLFG(ANGI) FRID(ERICI) ALNPEC=CIORVMuu) / VIDVA ET VXORE FILIAB(VS) ET SORO(RIBVS) POST FRAT(RES) IOAN(NEM) HENR(ICVM) IOAN(NEM) CHRISTOPH(ORVM)vv) / ET IOAN(NEM) FRID(ERICVM) ET SOROR(EM) ANNAM CVNIGVND(EM) ANTEMORTVOS // MONVMENTVM HOCCE / DEBITAE GRATITVD(INIS) AMOR(IS) / ET HONOR(IS) ERGO MARITO / ET PARENTI DESIDERATISSI=/MOww) ERIGI ATQVE PONI / CVRAVERV(N)T / A(NN)O (1)603xx) ·/· M · K ·

Übersetzung:

A Der unteilbaren Dreieinigkeit und dem niemals vergehenden Gedächtnis geweiht.

B (Denkmal) des edlen und großartigen Mannes, des Herrn Wilhelm Rudolph Megbach auf Helmsdorf, des Rechtsgelehrten, Gesandten und in Deutschland weitberühmten Staatsmannes, der vom Vater Johannes, der hochwohlgeborenen Fürsten von Hessen (Burghauptmann) von Grünberg und im deutschen Krieg Hauptproviantmeister, und von der Mutter Margareta aus der edlen Familie der Steuber von Nellenburg geboren wurde. Nachdem er in Marburg den höchsten Grad in beiden Rechten empfangen hatte, übernahm er zuerst das Amt eines Hofrats beim Landgrafen Wilhelm von Hessen und folgte diesem zum Reichstag nach Speyer und wurde sogar von diesem selbst als Gesandter zu Kaiser Maximilian II. und danach zu Karl IX., König von Frankreich, geschickt. Danach war er nicht nur des Herzogs von Sachsen-Coburg, sondern auch ein ganzes Jahrzwölft an diesem Ort Kanzler des Erzbistums Magdeburg unter Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg, als (dieser) damals Administrator desselben (Erzbistums gewesen war). Er reiste nicht nur als dessen Gesandter mehrmals zu Kaiser Rudolf, sondern auch zum Reichstag in Regensburg und zu Sigismund IV., König von Polen und Schweden. Von Friedrich II. und Christian IV., den Königen von Dänemark, wurde er sogar unter die Räte aufgenommen, und vom Kaiser selbst zu Beratungen gerufen und hinzugezogen. Schließlich war er, wegen (seines) fortschreitenden Alters und (seiner) beschwerlichen Hofdienste erschöpft, auf sein Gut zurückgekehrt, um zu ruhen, und ging nach dem Willen Gottes aus seinem (letzten) Aufenthalt und dem Sterblichen fromm in das ewige Leben hinüber am 24. Februar des Jahres 1603.

C Diesem ließen die trauernde Ehefrau und Witwe, Margareta Schneidewein, Tochter Heinrichs – einst Rat und Kanzler in Sachsen –, mit den hinterbliebenen Kindern, den Brüdern und Söhnen Reinhard Wilhelm und Burkhard Heinrich, Hauptleuten zu Fuß, und Wilhelm Moritz sowie den Töchtern und Schwestern Margareta und Anna Maria, der Witwe des Moritz und der Ehefrau des Wolfgang Friedrich von Alnbeck, nachdem die Brüder Johann Heinrich, Johann Christoph und Johann Friedrich und die Schwester Anna Kunigunde bereits gestorben waren, wegen der dem sehr vermißten Ehemann und Vater schuldigen Dankbarkeit, Liebe und Verehrung dieses Grabmal errichten im Jahr 1603. MK

Wappen:
Megbach1)

Kommentar

Inschrift C ist regelmäßiger ausgeführt als Inschrift B. Einzelne Buchstaben, insbesondere die ersten Buchstaben der einzelnen Inschriftteile und der Namen, sind überhöht. Die Schrift ist durchweg rechtsgeneigt und weist Bogenschwellungen sowie Haar- und Schattenstriche auf. Die Cauda des G ist gelegentlich am unteren Ende gespalten oder in den Bogen eingestellt. Das X weist sowohl gestreckte als auch geschwungene Schrägschäfte auf. Letztere sind links- oder rechtsschräg und mit je einem gestreckten Schrägschaft kombiniert. Alle Inschriften lassen eine Neigung zur Serifenbildung erkennen. Als Kürzungszeichen dienen in der Regel ein in der Zeilenmitte eingehauenes Quadrangel oder zwei Quadrangel übereinander, gelegentlich auch oder gar zusätzlich überschriebene Striche. Hinter den Ordinalzahlen der Herrschernamen steht immer ein Quadrangel auf der Mittellinie, das hier als Punkt auf der Grundlinie ediert wurde.

Wilhelm Rudolph von Megbach (geboren 1543) immatrikulierte sich nicht nur in Marburg und Jena, sondern hat auch in Löwen und an mehreren französischen Universitäten studiert. In Orléans ist er Lizentiat der Rechte geworden. Nach seiner Verheiratung mit der Tochter des Kanzlers des Herzogs von Sachsen-Weimar, Dr. Heinrich Schneidewein, 1565 und seiner juristischen Promotion in Marburg 1566 trat er in den Dienst des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen (1567–1592). Seine Ausbildung befähigte ihn offensichtlich in besonderem Maße zu diplomatischen Missionen auch im Ausland. 1578 von den Wettinern abgeworben, war er sieben Jahre Kanzler der Herzöge von Sachsen-Coburg, bevor er einer neuerlichen fürstlichen Werbung folgte und 1586 als Nachfolger des Kanzlers Johannes Trautenbuhl (s. Nr. 250) in den Dienst Joachim Friedrichs, des Administrators des Erzstifts Magdeburg, trat. Als Joachim Friedrich 1598 seinem Vater als Kurfürst von Brandenburg nachfolgte, zog sich Megbach auf das Gut Helmsdorf im Mansfelder Land (westlich von Halle) zurück, wo er 1603 starb.2) Megbach war wohl der wichtigste Vermittler und Mitgestalter der Politik des Administrators, der ein über das Reich hinausgehendes protestantisches Bündnis anstrebte, auch im eigenen Interesse, da ihm als Protestanten die förmliche Sukzession auf den Bischofsstuhl von Magdeburg von Kaiser und Reichstag verweigert worden war.3) Der „deutsche Krieg“, in dem Wilhelm Rudolphs Vater Johann von Megbach Hauptproviantmeister des Kurfürsten Moritz von Sachsen war, ist der sogenannte Fürstenaufstand gegen Kaiser Karl V. 1552.4) Drei Söhne Wilhelm Rudolphs, Reinhard Wilhelm, Burkhard Heinrich und Johann Friedrich, sowie sein Schwiegersohn Moritz von Alnbeck dienten als Offiziere in dem habsburgischen Heer, das zwischen 1593 und 1606 gegen die Türken in Ungarn aufgeboten wurde.5) Dabei fielen Johann Friedrich von Megbach (1602) und Moritz von Alnbeck;6) Reinhard Wilhelm von Megbach aber wurde 1605 in den Ritterstand erhoben.7)

Textkritischer Apparat

  1. TRIADI] Danach Unterbrechung der Schriftzeile durch eine Spange, die auf das Gebälk gelegt ist.
  2. MEMORIAEQVE] Die letzten drei Buchstaben in kleinerem Schriftgrad geschrieben.
  3. INTERITVRAE] Nach der ersten Silbe Unterbrechung durch eine Spange, die auf das Gebälk gelegt ist.
  4. MAGNIFICI] CI in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  5. MEGBACHI] Verschränkung von B und A.
  6. POLITICI] CI in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  7. GERMANIAM] Kein Kürzungszeichen.
  8. CELEBERRIMI] MI in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  9. ILLVSTRISSIMORVM] MORVM in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  10. GERMANICO] Kürzungszeichen der üblichen Art, obwohl keine Kürzung vorliegt. ICO in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  11. COMMEATVS] Kein Kürzungszeichen.
  12. PRAEFECTO] F in kleinerem Schriftgrad unter die Grundlinie gesetzt.
  13. MARGARITA] Kein Kürzungszeichen. Schreibung nach Olearius 1667 et al.
  14. A] ANN Olearius 1667.
  15. NATVS] A. 1543 natus Olearius 1674, Dreyhaupt.
  16. SVMMVM] Die Buchstaben paarweise in Nexus litterarum.
  17. GRADVM] Kein Kürzungszeichen.
  18. EVMQVE] QVE in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  19. COMITIA SPIRENSIA] Auflösung nach Olearius 1674, S. 161.
  20. POSTHAEC] Die Buchstaben paarweise in Nexus litterarum.
  21. ARCHIEPISCOPATVS] ATVS in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  22. DVODECENNIVM] Befund: XIIENNIVN; EN und VN verschränkt. Außerdem ein Kürzungsstrich über der Mitte des Wortes. X ann. in Olearius 1667; duodecennium Olearius 1674, Dreyhaupt.
  23. VII VIRO] Sic! Für Septemviro.
  24. TVNC] tunc temporis Olearius 1674, Dreyhaupt.
  25. LEGATVS] Kein Kürzungszeichen.
  26. PLTVRIES] Sic! Lies PLVRIES.
  27. COMITIA] Auflösung nach Olearius 1674, S. 161.
  28. III] Die zweite und dritte Haste durch einen rechtsschrägen Balken verbunden.
  29. SVECIAE] AE in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  30. II.] Darüber ein Kürzungsstrich.
  31. IV.] III. Olearius 1667, Olearius 1674, Dreyhaupt.
  32. REGIBVS] Befund: REGG.
  33. IMPERATORE IPSO] Kein Kürzungszeichen.
  34. CONSILIA] Danach ein Quadrangel.
  35. ADHIBITVS] BI in kleinerem Schriftgrad unter die Grundlinie gesetzt; kein Kürzungszeichen.
  36. AVLICIS] IS in kleinerem Schriftgrad auf die Oberlinie gesetzt.
  37. CONVERSVS] O in kleinerem Schriftgrad in den Bogen des C eingestellt.
  38. AETERNAM] Sic! Zu ergänzen ist wahrscheinlich VITAM.
  39. ANNI] ANNO Olearius 1667.
  40. MARGARETA] Schreibung nach Olearius 1667, Olearius 1674.
  41. SAXONIAE] Kein Kürzungszeichen.
  42. MOESSTISSIMA] Sic! Korrektur; ursprünglich: MOEEST(ISSIMA).
  43. REINARDO] HENR. Olearius 1667.
  44. BVRCARDO] Danach ein Quadrangel.
  45. PEDITATVS] Ergänzung unsicher.
  46. MARGARETA] Schreibung nach Olearius 1667, Olearius 1674, Dreyhaupt.
  47. ALNPECCIORVM] Alenbecciorum Olearius 1667; Allnpecciorum Olearius 1674, Dreyhaupt.
  48. CHRISTOPHORVM] Der Bogen des P über den Balken des H geschrieben.
  49. DESIDERATISSIMO] ISSI in kleinerem Schriftgrad geschrieben.
  50. 1603] Die erste Ziffer sinngemäß ergänzt.

Anmerkungen

  1. Heraldische Lilie; Hz.: dass.
  2. Olearius 1603, S. 28–34; Dreyhaupt 2, 1750, S. 667; Kneschke 6, 1865, S. 198 f.; ADB 21, 1885, S. 158 f. (Felix Stieve).
  3. Vgl. Römer 1974; zu Joachim Friedrich von Brandenburg s. auch Einleitung, S. XVIII.
  4. Vgl. Olearius 1603, S. 28 f.
  5. Vgl. Niederkorn 1993, S. 9–20.
  6. Dreyhaupt 2, 1750, S. 667 f. Nach Dreyhaupt soll aber Wolfgang (sic!) und nicht Moritz von Alnbeck der Margareta (vgl. C) verehelicht gewesen und im Türkenkrieg gefallen sein. Außerdem haben alle Kopisten der Inschrift den Zweitnamen Friedrich nicht Wolfgang (vgl. C), sondern Moritz zugewiesen. Die Schreibung des Familiennamens Alnbeck differiert stark; vgl. Kneschke 1, 1859, S. 53.
  7. von Frank, 3, 1972, S. 221.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 5, o. S.
  2. Olearius 1667, fol. Tttijv.
  3. Olearius 1674, S. 161 f.
  4. Dreyhaupt 2, 1750, S. 668.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 332 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0033200.