Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 331(†?) Moritzkirche (1602–)1604

Beschreibung

Schalldeckel aus Holz, reich ornamentiert und mit Schnitzfiguren geschmückt, gefaßt, über der Kanzel am fünften Pfeiler der Südseite angebracht. Gestufte Schmalseite, deren unterer Teil mit geschnitzten, von Knorpelwerkkartuschen gerahmten Engelsköpfchen besetzt ist. Der weit ausladende obere Teil mit Beschlagwerkverzierung. Beide Stufen durch vollplastische Spangen verklammert, denen kleine Postamente mit sechs Engeln aufsitzen, die die Marterwerkzeuge Christi vorweisen. An dem nach Norden gerichteten Abschnitt Christus als Überwinder des Todes (Skelett) und des Teufels (Schlange) zwischen zwei gebogenen Giebelsegmenten, auf denen zwei Putten sitzen. Am Postament zu Füßen Christi eine Kartusche mit Jahreszahl (B). In der Mitte des Deckels ein Säulenbaldachin, darunter die Anbetung der Hirten und ein schwebender Engel mit liturgischem Text (A). Ein zweiter gleichartiger Engel, der ein zweites Spruchband mit dem zweiten Teil der Inschrift A trug, heute offenbar verloren. Auf dem Baldachin die Erdkugel (?), darauf die Himmelfahrt Christi. Um ihn herum, auf dem Gesims des Baldachins neun verzückte Jünger. Inschrift B erhaben, Inschrift A wahrscheinlich aufgemalt.1)

A nach BKD Prov. Sachsen NF 1.

Maße: H.: ca. 350 cm; Bu.: ca. 3 cm (B).

  1. A (†?)

    GLORIA IN // ECCELSIS DEO2)

  2. B

    · 1 · 6 · 04

Übersetzung:

A Ehre sei Gott in der Höhe.

Kommentar

Der Text von A ist ein Teil des altkirchlichen Messformulars, der in deutscher Sprache in den lutherischen Gottesdienst übernommen wurde.3)

Der Schalldeckel wurde 1602 in Leipzig in Auftrag gegeben und 1604 vollendet. Einen erheblichen Teil der Kosten der für 300 Gulden verdingten Arbeit übernahm Anna Dreisse.4) Der Bildschnitzer war Valentin Silbermann (gestorben 1622), der zu seiner Zeit führende Bildhauer Leipzigs.5) „Der Deckel der Kanzel (...) ist die umfangreichste gesicherte und noch vollständig erhaltene Arbeit der SilbermannWerkstatt.“6) Die Fassung des Schalldeckels und Vergoldung der etwas älteren Kanzel schuf der Maler Jean (oder Johann) de Perre für 210 Reichstaler.7) Die beiden vielbeschäftigten Leipziger Künstler haben mehrfach zusammengearbeitet.8)

Anmerkungen

  1. Die große Anbringungshöhe erlaubt ohne technische Hilfsmittel keine Betrachtung von Details an den Figuren unter oder über dem Baldachin. Deshalb ist unklar, ob das vorhandene Spruchband noch die Inschrift trägt.
  2. Nach Lc 2,14.
  3. Vgl. Schott 1956, S. 386; EG, Anhang (Ordnungen für Gottesdienste), S. 4.
  4. Kirchner 1761, Sp. 362; zu A. Dreisse siehe auch Nr. 270, 358.
  5. Vgl. Schulze 2010, S. 232–277; siehe auch Thieme/Becker 31, 1937, S. 22 (Albert Schröder).
  6. Schulze 2010, S. 261.
  7. Kirchner 1761, Sp. 362.
  8. Zu J. de Perre s. Thieme/Becker 26, 1932, S. 432 f. (Albert Schröder).

Nachweise

  1. Kirchner 1761, Sp. 366.
  2. Knauth 1857, S. 606.
  3. vom Hagen 1, 1867, S. 213.
  4. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 160 f.
  5. Runde 1933, S. 74.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 331(†?) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0033103.