Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 318 Stadtgottesacker 4. V. 16. Jh., 1667 (?)

Beschreibung

Epitaph aus Sandstein für eine unbekannte Familie in Form einer Ädikula, an der Rückwand der Bogenkammer 22 aufgerichtet, vermutlich 1667 der Familie Sander gewidmet. Einen verwitterten Sockel mit Bibelzitat (D) flankieren zwei Postamente mit Löwenköpfen, auf denen Säulen mit seitlich verkröpftem Gebälk stehen. Zwischen diesen ein zweizoniges Relief: unten ein Bibelzitat (C), oben eine Blendnische mit der Auferstehung Christi. Seitenhänge mit Rollwerk von der Bodenplatte bis zum Gebälk. Auf einem jetzt fehlenden Teil des Epitaphs (vermutlich ein Aufsatz) ein Besitzvermerk (B); vom Aufsatz eine Rollwerkkartusche mit Bibelzitat (A) und einer gemalten Inschrift des 19. Jh. erhalten. Am Fries des Gebälks und an den unteren abgesetzten Säulensegmenten Beschlagwerkdekoration. Sämtliche Inschriften eingehauen. Das ganze Werk dick mit Farbe überzogen, A deswegen zum Teil unlesbar.

B nach Olearius.

Maße: H.: 199 cm;1) B.: 156 cm; Bu.: 2,5 cm (A), 4 cm (C), 3 cm (D).

Schriftart(en): Fraktur, Kapitalis (A).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    ESAI 42. / Da[s] zerstos=/sene [- - -] [w]ird / ehr [- - -] / vnd [- - -] / Tachta) wird erb) nicht / auszleschen2)

  2. B †

    Allhier der kühle Sand der Sander Cörper decket,Biß CHristus Sie Ihm nach zum Leben auferwecket,Das Grabmahl zeiget an der Leiber Stam(m) und Stand,Der Himmel über Sie der Seelen Vaterland.c)

  3. C

    Ich bin die Aufferstehung / und das Leben wer an mich / glaubet der wird leben ob / er gleich stürbe. / Joh. XI. Vers. 25.d)3)

  4. D

    Psalm 17 v(er)s 15 / Ich will schauen dein [Ange]si[cht in] / [G]erechtikeit ich will satt werden [wen] / [i]ch erwache nach deinen [Bilde]e)4)

Versmaß: Vier Reimverse (B).

Kommentar

Eines der wenigen erhaltenen Epitaphien des 16. Jh. beschreibt Auferstehung und ewiges Leben in Ergänzung von Wort und Bild. Das Relief zeigt die Auferstehung Christi, der Tod und Hölle überwunden hat. Der Vers des Johannesevangeliums darunter (Jh 11,25) verheißt dem, der an Christi Heilstat glaubt, das ewige Leben; das Psalmenzitat am Sockel versichert, daß der Auferstandene in der Anschauung Gottes leben wird (Ps 17,15).5) Ungewöhnlich sind die Versangaben in C und D. Die Versalien von C weisen zahlreiche Zierschleifen auf.

Die Bogenkammer war im späten 16. Jh. und noch 1639 in Besitz der Familie Hübner;6) 1667 hat sie Christian Sander gekauft.7) Das Epitaph, das der Familie Sander zugeeignet war, entstand aber den Stilformen nach zu urteilen eindeutig im 16. Jh. Es weist keinerlei Ohrmuschel- oder Knorpelwerk auf, das in seinen frühen Formen seit 1623 Grabmäler des Gottesackers ziert.8) Zwei Grabmäler aus dem Jahr 1673 sind im architektonischen Aufbau dem hier vorgestellten Epitaph durchaus vergleichbar, schmücken sich aber auch mit zeitgemäßer frühbarocker Ornamentik.9) Vermutlich hatte der Vorbesitzer des Bogens 22 das Epitaph errichten lassen, und Christian Sander widmete es seiner Familie, indem er im heute verlorenen Aufsatz die Inschrift B anbringen ließ.

Textkritischer Apparat

  1. Tacht] Sic! Für Docht.
  2. wird er] Kein Wortabstand.
  3. Schrägstriche bei Olearius wurden durch Kommata ersetzt.
  4. Die vierte und fünfte Zeile zentriert.
  5. Großschreibung der Nomina in Analogie zu A und C.

Anmerkungen

  1. Ohne Standplatte und Aufsatzfragment.
  2. Jes 42,3 nach Luther; vgl. Volz 1972, S. 1232.
  3. Jh 11,25.
  4. Ps 17,15.
  5. Vgl. Einleitung, S. XLIII f.
  6. StAH A 1.1.7 Kap. XVII, Abt. E, Nr. 3, fol. 9v; Olearius 1674, Anhang o. S.
  7. Olearius 1674, S. 27.
  8. Vgl. die Grabplatte (oder das Epitaph) für Johann Olearius (gestorben 1623) im Bogen 74 (Nr. 421); die Epitaphien für Johann Heinrich Dürfeld (gestorben 1632) im Bogen 82 und für Christoph Krause (gestorben 1633) im Bogen 83 zeichnet bereits eine reiche Knorpelwerkrahmung aus; vgl. Nr. 454, 455.
  9. Es handelt sich um die an den Rückwänden der Bogenkammern 33 und 55 aufgestellten Epitaphien.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 22: A, B und D unvollständig).
  2. Olearius 1674, S. 27 (A, B, D unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 318 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0031800.