Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 312† Stadtgottesacker 1600

Beschreibung

Grabmal für Anna Heshusius „vor dem LXXIV. Schwibbogen“, heute verloren. Da lag „nebst seinen zwey Ehweibern (...) Herr D(octor) Joh(annes) Olearius begraben (...). Auff den 2. Leichsteinen aber der beyden Ehfrauen desselben sind folgende Schrifften zu lesen:“1) Sterbevermerk (A), Grabbezeugung, Totenlob, biographische Angaben (B) und eine Bibelparaphrase (C). Schriftform und Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    ANNA HESHUSIA, Reverendi (et)a) Clarissimi Viri D(omi)n(i) JOHANNIS OLEARII, S(anctissimae)b) Theologiae Doctoris, Eccl(esiae) Hal(ensis) Pastoris Superattendentis Uxor. O(biit) in vera CHRISTI invocatione, Anno Christi MDC. 10. Aprilis, aetatis XL.

  2. B

    Hoc OLEARINAE sub saxo conditur ANNAE, /HESHUSIO Magno qvae fuit orta, caro. /Mens adiit superos, Christum qvia speqve fideqve /Sincera coluit, Patre, Viroqve duce. /Bis duo lustra thoro vixi sociata jugali /Tres natos, natas qvatuor aucta tuli. /Completus vitae mihi qvadragesimus annus /Vix fuit, ad celsum me vocat hora polum.

  3. C

    C(hristus) M(ein) L(eben) S(terben) M(ein) G(ewinn)c)2)

Übersetzung:

A Anna Heshusius, Ehefrau des ehrwürdigen und hochberühmten Mannes, Herrn Johann Olearius, der allerheiligsten Theologie Doktor (und) der hallischen Kirche Pfarrer (und) Superintendent, starb in wahrhaftiger Anrufung Christi im Jahr Christi 1600, am 10. (Tag) des April, im 40. (Jahr ihres) Alters.

B Unter diesen Stein wurde das beigesetzt, was der Anna Olearius war, die von dem großen, teuren Heshusius abstammte. (Ihr) Geist (aber) gelangte zu den Himmelshöhen, weil er sowohl in der Hoffnung als auch im Glauben unter Führung des Vaters und des Mannes Christus aufrichtig verehrte. Ich lebte zwei mal zwei Jahrfünfte dem Mann im ehelichen Joch verbunden; (die Familie) mehrend, brachte ich drei Söhne und vier Töchter hervor. Kaum hatte ich mein vierzigstes Lebensjahr vollendet, als mich die Schicksalsstunde zum Himmelsgewölbe rief.

Versmaß: Vier elegische Distichen (B).

Kommentar

Anna Heshusius war eine Tochter des Theologen Tilemann Heshusius, die Johann Olearius sicherlich in seiner Schaffenszeit an den Universitäten von Königsberg und Helmstedt kennengelernt und 1579 geheiratet hatte.3) Ihr Vater, der Theologe Tilemann Heshusius (1527–1588), stammte wie Olearius aus (Nieder-)Wesel und vertrat mit äußerster Schärfe ein orthodox-lutherisches Bekenntnis, was ihn immer wieder in Konflikt mit seinen häufig wechselnden Dienstherren brachte. Nachdem Heshusius gezwungen gewesen war, auch seine letzte Wirkungsstätte Königsberg zu verlassen, gewann er erst mit seiner Berufung nach Helmstedt 1577 eine neue Heimat.4)

Neben Anna Heshusius wurde Olearius’ zweite Gemahlin beigesetzt (s. Nr. 418).

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.
  2. Sanctissimae] Olearius: S.S.
  3. Christus Mein Leben Sterben Mein Gewinn] Die Auflösung der Initialen bereits bei Olearius vorgegeben.

Anmerkungen

  1. Alle Zitate nach Olearius 1674, S. 126 f. Das Grabmal des J. Olearius ist noch im 17. Jh. in die Bogenkammer 74 versetzt worden; siehe Nr. 421.
  2. Ergänzt nach Phl 1,21.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 110 („Geschlecht derer Olearius“). Zu J. Olearius s. Nr. 421.
  4. TRE 15, 1993, S. 256–260 (Peter F. Barton).

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 3, o. S.
  2. Olearius 1674, S. 127.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 312† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0031208.