Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 307† Stadtbefestigung, Galgtor † 1598

Beschreibung

Glocke eines Uhrwerks auf einem der drei Tore des Galgtores, 1679 umgegossen. „Auff der StundenGlocke, welche achthalb Ellen in der Circumferentz weit und dritthalb Ellen im diametro breit (...) auch mit zierlichen Blumen-Werck gegossen, 26. Centner und 22. Pfund schwer, ist nachfolgende Schrifft zu lesen:“ Benennung der Glockenfunktion, Anrufung (A), Namen von Magistraten (A, B), Jahresangabe und Gießervermerk (B).1) Die Schriftform und die Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Olearius.2)

Maße: D.: ca. 150 cm.3)

  1. A

    Ut librataa) pari sonitu discriminet horas,Haec est artifici machina facta manu.Kostus erat cum Tentzero tunc Consule Consul,Cum coepit primos ictab) tonare sonos.Fac Deus haec qvoties ictab) signaverit horam,Ut publicae felix hora sit ista rei.

  2. B

    A(nno) 1598. / Aedilibus Friderico Seifardo (et)c) Jacobo PetroA(nno) 1598. Georg. Wolgast gosz mich.

Übersetzung:

A Damit die in Schwung gebrachte (Glocke) durch gleichen Klang die Stunden scheidet, ist das Uhrwerk durch kunstfertige Hand gemacht. Damals war Kost mit Ratsmeister Tentzer Ratsmeister, als die Schlag(glocke) die ersten Töne erklingen ließ. Gott mache, daß diese Schlag(glocke) so oft die Stunde bezeichnet, wie der Gemeinde eine glückliche Stunde sei.

B Im Jahr 1598, zur Zeit der Aedilen Friedrich Seifart und Jakob Peter. Im Jahr 1598 (...).

Versmaß: Drei elegische Distichen (A).

Kommentar

Uhrwerk und Uhrglocken befanden sich vermutlich auf dem mächtigen Turm des inneren der drei zur Anlage des Galgtores gehörenden Tore. Das Tor wurde 1819 abgebrochen. Von der gesamten Anlage des Galgtores ist heute nur noch ein das äußere Tor einstmals flankierender Rundturm, der Leipziger Turm, erhalten.4) Dort hängt noch die mit der Stundenglocke entstandene Viertelstundenglocke (Nr. 308); die Stundenglocke wurde 1679 von Johann Jakob Hoffmann umgegossen.5)

Im Jahr 1598 trat Johann Kost seine dritte gemeinsame Amtszeit mit Johann Tentzer an.6) Tentzer saß seit 1587 im Rat, war zwischen 1591 und 1609 sieben Mal Ratsmeister und verstarb hochbetagt in seiner achten Amtszeit 1613.7) Der Aedil Friedrich Seifart war von 1604 bis 1622 Ratsmitglied und starb 1626.8) Der Bronzegießer Georg Wolgast ist zwischen 1594 und 1607 hauptsächlich in Halle und Umgebung, aber auch in Ostthüringen nachweisbar.9) Die beiden Uhrglocken vom Galgtor sind die ältesten für die Stadt Halle überlieferten Glocken Wolgasts. Außer der allerdings unsignierten Viertelstundenglocke blieben aber nur Bruchstücke seiner 1602 für die Laurentiuskirche gegossenen und 1984 durch Brandeinwirkung zerstörten Glocke erhalten (Nr. 328). Zu den Werken Georg Wolgasts gehören außerdem qualitätvolle Grabplatten für den fürstlich-anhaltinischen Marschall Wolfgang von Waldau (gestorben 1602) in Dessau und den Domdekan Kaspar von Kannenberg (gestorben 1605) in Halberstadt.10)

Textkritischer Apparat

  1. librata] Zu ergänzen ist campana.
  2. icta] Zu ergänzen ist campana.
  3. et] Olearius: et-Ligatur.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 338.
  2. Zeilengliederung auch nach Olearius.
  3. Vgl. eine Glocke von 1569 (Nr. 195).
  4. Neuß 2, 1935, S. 40 f., 59; Dolgner 2007, S. 191.
  5. Sie hängt heute neben der Viertelstundenglocke; siehe Nr. 308. Olearius 1679, S. 133 f. schreibt irrtümlich, sie sei 1678 umgegossen worden.
  6. Dreyhaupt 2, 1750, S. 343 f. Zu J. Kost s. Nr. 229.
  7. StAH H B 2, S. 95, 97, 99, 101–103, 105 f., 108; Dreyhaupt 2, 1750, S. 344 und Beylage B, S. 176 („Geschlechts-Register derer Täntzer oder Tenzer“). 1589 wurde Tentzer außerdem Achtmann oder Kirchvater von St. Moritz; Schubart 1662, fol. E4v; Bindseil 1856, S. 15.
  8. StAH H B 2, S. 104 f., 107 f., 110 f., 113; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 152 („Geschlechts-Register der Seyfarte“); s. auch Anhang 1, Nr. 29. Über Jakob Peter ist nichts bekannt. Zu den Ämtern s. Einleitung, S. XIII f.
  9. Thieme/Becker 37, 1947, S. 226; Eichler 2003, S. 294. Zu seinen Werken gehört auch Nr. 313.
  10. Siehe KD Anhalt 1, S. 38 (Nr. 51), Taf. 14e; DI 75 (Dom Halberstadt), Nr. 248.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 338.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 307† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0030707.