Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 280 Laurentiuskirche 1592

Beschreibung

Abendmahlskanne, Silber, vergoldet. Auf einem runden, kräftig profilierten Fuß ruht ein flacher Knauf und ein leicht konisches Gefäß mit profiliertem Deckel, den ein kleiner gegossener Schmerzensmann mit fragmentiertem Kreuz bekrönt. Auf dem geschwungenen Griff sitzt eine gegossene Daumenrast auf. Auf der einen Seite der Daumenrast ein Gnadenstuhl, auf der anderen ein erhaben ausgeführter, liturgischer Text (A). Fuß, Gefäß und Deckel mit üppiger, getriebener und gravierter Roll- und Beschlagwerkdekoration, angereichert mit Blumen und Früchten, in flachem Relief verziert. Auf dem Rand des Deckels umlaufend ein gravierter Stiftervermerk (B). An der Unterseite des Deckels ein geschnittener Halbedelstein (D.: 1,2 cm) mit Wappen und Initialen (D),1) der in die Halterung des Schmerzensmannes eingelassen ist. Das Wappen der Stifterin mit ihren Initialen (C) am unteren Ende des Griffs graviert. Verschiedene, an Lötstellen erkennbare Reparaturen; die weit vorkragende, mit Punktgravuren verzierte Schnepfe vermutlich erneuert.

Maße: H.: 22,8 cm; D.: 9,5 cm (Gefäß), 9,7 cm (Fuß); Bu.: 0,15 cm (A, C), 0,3 cm (B), 0,1 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/4]

  1. A

    · VERA · / TRINI=/TASa) · // · ET · / · VNA · / DEITA[S]b)2)

  2. B

    DIE THVGENTSA[ME F(RAW)c) ANNA SPEFERS HAT DIESE KANN // AUFd) // DEN] ALTAR ZV S(ANKT) LORENTS VOR EHRET ANNO M. D. XCII

  3. C

    A(NNA) S(PEFERS)e)

  4. D

    I D

Übersetzung:

A Die wahrhaftige Dreieinigkeit und einige Gottheit.

Wappen:
Spefers3)unbekannt4)

Kommentar

Die Ausführung der Inschrift B ist überwiegend flüchtig und schmucklos. Lediglich das A hat einen gebrochenen Balken. Nur der Teil der Inschrift von M in THVGENTSAME bis einschließlich DEN ist in auffälliger Weise regelmäßig mit Linksschrägenverstärkung, deutlich differenzierten Haar- und Schattenstrichen und markanten Sporen graviert. Wahrscheinlich wurde dieser Teil des Deckelrandes mit Inschrift bei einer Reparatur vollständig erneuert. Das M scheint auch genau auf einer Lötstelle zu liegen.

Die Abendmahlskanne trägt keine Marken. Ihre gute Qualität und die Ähnlichkeit ihrer flächenfüllenden Dekoration weisen aber auf den hallischen Goldschmied mit dem Monogramm CW als Schöpfer hin. Die Inschrift einer ihm zuweisbaren Kanne (Nr. 221) hat sehr ähnliche Schriftmerkmale, wenn auch der Balken des A dort geradlinig durchgezogen ist.5) Johann Michael Fritz zufolge soll die Kanne ursprünglich profanen Zwecken gedient haben.6)

Inschrift A zitiert zwar einen vorreformatorischen liturgischen Text, der aber sicherlich außerhalb des ursprünglichen Zusammenhangs formelhaft verwendet wurde.

Textkritischer Apparat

  1. TRINITAS] Das Trennungszeichen nicht sicher erkennbar.
  2. DEITAS] Der letzte Buchstabe verstümmelt.
  3. FRAW] Ergänzt nach zeitgenössischer Schreibweise.
  4. AUF] Sic! Wohl nach einer Reparatur auf das Scharnier graviert.
  5. ANNA SPEFERS] Auflösung der Initialen nach Inschrift B.

Anmerkungen

  1. Der Halbedelstein ist so eingelassen, daß seine Unterseite zu sehen ist, d. h., die Initialen werden linksläufig und spiegelverkehrt und das Wappen linksgewendet wahrgenommen.
  2. Liturgischer Text nach CAO III, Nr. 2977.
  3. Stengel mit drei dreiblättrigen Blüten.
  4. Balken, oben wachsender Löwe.
  5. Die dazugehörige Nr. 220 weist jedoch deutlich abweichende Schriftmerkmale auf.
  6. Fritz 2004, S. 413 (Nr. 151).

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 270 f. (B–D).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 280 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0028001.