Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 271† Stadtgottesacker 1591

Beschreibung

Epitaph (?) für Katharina Goldhahn, „in Meßing gegossen und vergüldet“1) mit Weiheformel (A), Sterbevermerk, Grabbezeugung, Totenlob und Memento mori (B) sowie Stiftervermerk (C), einst in der Bogenkammer 4, heute verloren. Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Olearius.

Schriftart(en): Kapitalis (?).2)

  1. A

    PIETATI ET / POSTERITATI / SACRUM.

  2. B

    CATHARINA GOLDTHANIAa) / LIPSIAE NATA, FOEMINA OMNI MATRONALI / VIRTUTE ET LAUDE ORNATA, / UXOR CASPARIS BARTH L(EGUM)b) DO=/CTORIS ET CANCELLARII MAGDEBUR=/GICI VIRI CELEBRIS ET AMPLIS=/SIMI POSTQVAM IN TRANQVILLO / ANNORUM XVIII. CONJUGIO / FILIOS VIII. FILIAS DUAS GENUISSET / VIDUAQ(VE) MARITUM DEFUNCTUM ANNOS XXXVIII. / MENSES III. DIES VII. LUXISSET / VICISSITUDINUM HUMANARUM QVIBUS MOR=/TALES AGITANTUR PERTESA, FELICIS / ET NUMEROSAE SOBOLIS MATER AVIA / ET PROAVIA, PIE PLACIDEQ(VE) OBIIT / DIE ASCENSIONIS DOMINICAE, ET / CUM CHRISTO SALVATORE COELUM INTRAVIT / ANNO INCARNATIONIS MDXCI. AETATIS / SUPRA MENSEM I. DIES XVII. LXXVI. / CONDITA HOC TUMULO EJUSDEM GLORI=/OSUM REDITUM LAETA EXPECTAT. / LECTOR VALE EANDEMQ(VE) AETATEM SI EX=/PETASc) NON UTIQVE JUCUNDE TOT HO=/RARUM SERIEM FLUERE VERE AESTIMA.

  3. C

    LIBERI NEPOTESQ(VE) / OPTIME MERITAE / LUGENTES POSUERE.

Übersetzung:

A Der Ehrerbietung und der Nachkommenschaft geweiht.

B Katharina Goldhahn, in Leipzig geboren, eine Frau, mit jeder Tugend und jedem Lob einer Ehefrau geschmückt, Gemahlin des Kaspar Barth, Doktors der Rechte und magdeburgischen Kanzlers, eines berühmten und hochgeehrten Mannes, starb fromm und sanft, nachdem sie in einer ruhigen achtzehnjährigen Ehe acht Söhne und zwei Töchter geboren und als Witwe den verstorbenen Ehemann 38 Jahre, 3 Monate und 7 Tage betrauert hatte, der menschlichen Wechselfälle, von denen die Sterblichen umgetrieben wurden, überdrüssig, einer glücklichen und zahlreichen Nachkommenschaft Mutter, Großmutter und Urgroßmutter, am Tag der Himmelfahrt des Herrn und hat mit Christus, dem Erlöser, den Himmel betreten im Jahr der Fleischwerdung (des Herrn) 1591 in einem Alter von über 76 (Jahren), einem Monat (und) 17 Tagen. Sie ist in diesem Grab beigesetzt und erwartet freudig desselben ruhmreiche Wiederkehr. Lebe wohl, Leser, und wenn du das gleiche Alter erwartest, nimm wahrlich in acht, daß die Anzahl so vieler Stunden nicht unter allen Umständen fröhlich vergeht.

C Die trauernden Kinder und Enkel haben der Hochverdienten (dieses) errichtet.

Datum: 1591 Mai 13.

Kommentar

Die Zeilengliederung bei Olearius entspricht vermutlich der des Originals. Auch die Gliederung in drei zentrierte Textblöcke und die wechselnden Schriftgrade sind wahrscheinlich an der Gestaltung des originalen Inschriftträgers orientiert.

Katharina Goldhahn (1515–1591) ist vermutlich als erste in der um 1590 errichteten Bogenkammer 4 beigesetzt worden.3) Sie war eine Tochter des wohlhabenden Leipziger Kaufmanns Christian Goldhahn und ehelichte 1535 den erzbischöflich-magdeburgischen Rat Kaspar Barth (d. Ä.). Der aus Oschatz in Sachsen stammende Barth hatte sich 1517 an der Leipziger Universität immatrikuliert und zunächst eine akademische Laufbahn als Jurist eingeschlagen. Bereits 1525 war er Rektor seiner Universität. Zwei Jahre nach seiner juristischen Promotion 1530 trat er als Rat in den Dienst des Erzbischofs Albrecht in Halle. 1543 wurde er Kanzleiverwalter und trug 1544/45 den Titel Vizekanzler. 1550 und 1552 wurde er von Erzbischof Friedrich als Kanzler bestallt.4) Im Jahr darauf starb er. Die von Dreyhaupt postulierte adlige Abstammung der hallischen Familie Barth läßt sich aus den Inschriften nicht erweisen.5)

Die Eheleute Katharina und Kaspar Barth hatten mehrere Söhne, von denen zwei, Christian und Karl, ebenfalls Juristen waren. Karl erbte auch das heute nach Halle eingemeindete, ehemalige Gut Passendorf, das als testamentarisches Vermächtnis des erzbischöflichen Kanzlers Christoph Türk 1547 in Besitz seines Vaters gekommen war.6)

Textkritischer Apparat

  1. GOLDTHANIA] GOLDHANIA Dreyhaupt.
  2. LEGUM] Olearius: LL.
  3. EXPETAS] Sic! Für EXPECTAS.

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 6.
  2. Bei Olearius in Großbuchstaben gesetzt.
  3. Wie aus Inschriften ersichtlich, wurde der Westflügel des Stadtgottesackers zumindest vom Tor an bis zum Bogen 9 um das Jahr 1590 erbaut; Anhang 1, Tor sowie Nr. 6C, 9C.
  4. Scholz 1998, S. 60, 72, 339.
  5. Vgl. Nr. 297, 381, 416.
  6. Dreyhaupt 2, 1750, S. 940 und Beylage B, S. 9 („Geschlechts-Register derer von Barth“); siehe auch Nr. 148. Der 1607 verstorbene Dr. Christian Barth war Assessor des Reichskammergerichts in Speyer; Dreyhaupt 2, 1750, S. 580. Zu Karl Barth s. Nr. 416.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 4).
  2. Olearius 1674, S. 6 f.
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 579 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 271† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0027102.