Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 258 Stadtgottesacker nach 1588 (?)

Beschreibung

Grabplatte (?) aus Sandstein für Anna Stroberger, an der Seitenwand der Bogenkammer 73 aufgerichtet. Reliefierte Platte mit umlaufenden, erhöhten Rand (B.: 11 cm), der den Sterbevermerk (A) trägt. Im eingetieften Binnenfeld Dreipaßnische mit Ganzfigur der Verstorbenen, die ein langer, plissierter Mantel und ein Kopftuch bekleidet. Ihre Hände übereinander gelegt. Die Blendnische umziehen Bibelzitate (B, C). In den Bogenzwickeln Engelsköpfchen. Sämtliche Inschriften eingehauen. Die Platte zerbrochen und restauriert.

Maße: H.: 189 cm; B.: 101 cm; Bu.: 5,5 cm (A), 3–3,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    ANNO ⟨....⟩ DEN ⟨- - -⟩ / IST IN GOTT VORSCHIDEN DIE THVGENTSAME / FRAV ANNA STROBERGERIN / DES · E(RBAREN) · VND · W(OLWEISEN)a) · H(EREN) · THOMAS STROBERGERS · S(ELIGEN) · E(HELICHE) · HAVSFRAVb)

  2. B

    ICH GLEVBE DAS ICH SEHEN WERDE DAS GVDE / DES HEREN IM LANDE DER LEBE/NDIGEN · PS · 271) ·

  3. C

    CHRISTVS IST MEIN LEBEN STERBEN IST MEIN GWINc)2)

Kommentar

Die sorgfältig ausgearbeitete Schrift weist Bogenschwellungen, Linksschrägenverstärkungen und kräftige Sporen mit Neigung zur Serifenbildung auf. Das O ist fast kreisrund geformt; die R-Cauden sind weit ausgestellt und in charakteristischer Weise geschwungen. Die Versalien wurden fast durchweg überhöht, die Initialen der gekürzten Worte durch Quadrangel auf der Mittellinie eingefaßt.

Dem Apotheker Thomas Stroberger wurde 1556 das hallische Bürgerrecht verliehen. Er gehörte seit 1567 dem Rat an, seit 1576 als Worthalter der Vierherrn und seit 1582 als Kämmerer.3) Er ist vermutlich zwischen dem Ende seiner letzten verbürgten Wahlperiode 1588 und der nächsten im Jahr 1591, für die er hätte regulär gewählt werden können, gestorben. 1579 wurde ihm das Privileg für die Ratsapotheke bestätigt.4) Seine Witwe Anna hat den 1589 eingebürgerten Joachim Büttner geheiratet und ihm durch die Eheschließung die Ratsapotheke übertragen.5) Sie soll noch 1619 als Stifterin für die Moritzkirche hervorgetreten sein.6) Ihr Grabmal (und ihr Grab?) wurde in der Bogenkammer der Familie Büttner überliefert. Das Grabmal für Anna Stroberger wurde wahrscheinlich mit dem ihres als verstorben bezeichneten ( SELIGEN) Ehemanns angefertigt, das allerdings nicht erhalten ist. Das Sterbedatum wurde nicht nachgetragen. Das Grabmal schließt sich ikonographisch, stilistisch und paläographisch den vergleichbaren Platten für das Ehepaar Puchbach an (Nr. 247, 248) und entstammt sicherlich derselben Bildhauerwerkstatt wie diese. Ein wichtiges Merkmal der Schrift hat sich jedoch geändert: Die Bögen des B sowie Cauda und Bogen des R setzen nicht mehr nebeneinander an der Mitte des Schafts an, sondern sind zumeist am Schaft zusammengeführt. Das ist aber schon an der im Binnenfeld angebrachten Inschrift für Barbara Puchbach festzustellen (Nr. 247).

Textkritischer Apparat

  1. WOLWEISEN] Auflösung nach Olearius.
  2. Die Kürzungen wurden nach zeitgenössischen Beispielen aufgelöst.
  3. GWIN] Sic! Da der untere Teil der Blendnische vom Mantel der Verstorbenen verdeckt wird, ist dieses Wort höher gesetzt.

Anmerkungen

  1. Ps 27,13.
  2. Phl 1,21.
  3. StAH H B 2, S. 85, 87 f., 90 f., 93 f., 96. Neuß 1934, S. 114, Anm. 9 mit abweichenden Daten; nach Neuß 1935a, S. 56 (Anm. 17) noch 1599 am Leben.
  4. Ebd., S. 12, 56 (Anm. 18).
  5. Steinbicker 1930, S. 15; Neuß 1934, S. 114. Siehe auch Nr. 273.
  6. Wolf 1856, S. 54 – wenn es sich denn um dieselbe Person handelt. Dagegen schreibt Steinbicker 1930, S. 15, A. Stroberger habe eine Stiftung für die Marktkirche und die Schulen gemacht.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 73).
  2. Olearius 1674, S. 82 (A, B unvollständig, C).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 258 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0025809.