Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 253† Garten des Stadtgymnasiums † 1588

Beschreibung

Stein mit Inschriften in der Gartenmauer des Stadtgymnasiums,1) das in dem 1564 aufgehobenen Barfüßerkloster untergebracht war. Spätestens bei Abbruch der Klosteranlage 1828 verlorengegangen. Die Inschrift mit einer Beschreibung des Gartens, einem Stiftervermerk und den Namen der Lehrer eingehauen;2) der zweite Hauptteil der Inschriften, die Namen der Lehrer, nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. Cernis ut umbrosi tendantur in aethera rami,Arbor (et)a) ut spacio distet amoena pari.Depositae sulcis plantae de corpore matrumAbscissae tenero, fronde virente placent.Hic mixti flores picti bene olentibus herbis,Hic violae, hicq(ve) rosae liliaq(ve) alba nitent.Proveniunt hic Lenaei sacra dona liqvoris,b)Prodiga cuncta opibus luxuriantq(ve) novis.Sumtibusc) hunc construxerunt communibus hortum,Qvi juncti Halensi tum docuere Schola.Muneris assiduo fractas utd) forte laboreImpositi vires sic relevando juvent.Galli erat ille dies, cum lustra trecenta decemq(ve)Et septena anni tres (et)a) iere polo.M. D. LXXXVIII.

Übersetzung:

Man sieht, wie die beschatteten Schößlinge zum Himmel streben, und wie der anmutige Baum in gleichem Abstand entfernt davon steht. In Erdfurchen gesetzt finden die dem zärtlichen Körper der Mütter entzogenenen Pflanzen, sobald sie grün belaubt sind, Gefallen. Hier stehen zierliche Blumen vermischt mit wohlriechenden Kräutern, hier leuchten die Veilchen und hier die Rosen und weißen Lilien. Hier kommen die heiligen Gaben des bacchischen Trankes hervor, allesamt im Überfluß, und schwelgen in neuen Kräften. Diesen Garten richteten durch gemeinsame Aufwendungen diejenigen ein, die damals – verbunden durch die Hallische Schule – Lehrer waren. Mögen sie so die Kräfte, so wie sie einmal durch die beständige Mühe mit der auferlegten Pflicht aufgerieben worden sind, durch Erholung erquicken. Es war an jenem Tag des Gallus, als dreihundert und siebzehn Jahrfünfte sowie drei Jahre am Himmel vorübergezogen waren. 1588

Versmaß: Sieben elegische Distichen.

Datum: 1588 Oktober 16.

Kommentar

Die Inschrift soll der Rektor Magister Christoph Caesar (1540–1604) anläßlich der Einrichtung des Schulgartens verfaßt haben.3) Die Lehrer waren genannt, weil sie den Garten gestiftet hatten. In Anlehnung an antike Lehrdichtung4) zählt die Inschrift die Pflanzen des neuen Schulgartens auf (Kräuter, verschiedene Blumen und Wein). Die Jahresangabe im Text ist schwer verständlich. Die verschlüsselte Jahreszahl des letzten Distichons ist auch mit der römischen identisch, wenn man decemqve et septena als 17 versteht, zu den 300 addiert, die Summe mit Fünf (statt lustra) multipliziert und schließlich drei Jahre hinzuzieht.5)

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.
  2. liqvoris] Sic! Für liquotis.
  3. Sumtibus] Sic! Für Sumptibus.
  4. ut] Dreyhaupt: et-Ligatur.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 317. Das Gymnasium besaß einen Baumgarten, der sich nördlich der Klausur bis zur Kaulenberggasse erstreckte, und einen kleinen Garten, dessen genaue Lage unbekannt ist; vgl. Einleitung, S. XXV.
  2. Dreyhaupt 2, 1750, S. 599.
  3. Olearius 1667, S. 317; zu Chr. Caesar s. Nr. 507.
  4. Vgl. Pauly, 2, 1967, Sp. 4 f. (Michael von Albrecht).
  5. Freundlicher Hinweis von Dr. Ilas Bartusch, Heidelberg.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 317.
  2. Dreyhaupt 2, 1750, S. 599 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 253† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0025304.