Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 239† Laurentiuskirche 1584 oder danach

Beschreibung

„Auf eben dieser Taffel“ wie die außergewöhnlich umfangreiche Grabinschrift für Johannes Prätorius (Nr. 238)1) eine Widmungsinschrift (A) und eine Grabbezeugung, ein Totenlob (B) sowie ein Sterbe- und ein Autorenvermerk (C) für Gertrud Prätorius, heute verloren. Die Inschrift vermutlich aufgemalt, die Schriftform nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    Piae (et)a) honestae Matronae Gerdrudis, Reverendi pii (et)a) docti Viri D(octoris) Joh(annis) Praetorii, in aula Illustriss(imi) (et)a) Clementiss(imi) Principis ac Domini D(omi)n(i) Joachimi Friderici, ArchiEp(iscopatus) Magdeb(urgensis) Administr(atoris) Prim(atis) Germ(aniae) March(ionis) Brand(enburgensis) (et)c.b) Concionatoris verbi divini fidelis, Conjugis piae beataeqve memoriae:

  2. B

    Hoc sita Gerdrudis reqviescunt ossa sepulcroPraetori Conjunx qvae tibi Janec) fuit.Pura Joachimi Friderici in Principis aulaVerbi qvi sacri dogmata rite doces,In lucem qvam Parthenopaed) dedit inclyta partusSaxonis hanc fatis abstulit Hala Senem.Qvae pietate Deum coluit studiosa mariti,Exemplum potuit Conjugis esse probae.Est confessa fide Christum vitaq(ve) pudicaExtremum vitae tempus ad usq(ve) suae,Aurea stelliferi jam mens tenet atria coeli,Condita sub terris corporis ossa cubant.Relligio, pietas, (et)a) casta modestia, candor,Simplicitas, vera cum probitate fides.Hunc circa tumulum plangentes pectora palmis,Tristia nunc luctus dant documenta sui.Mox erit, ut redeat cum Majestate verendusChristus, (et)a) humanum judicet omne genus.Tunc simul haec capiet coelestis gaudia vitaeLaudibus aeternum concelebrando Deum,Christo fidentes o terq(ve) qvaterq(ve) beatiIn Domino claudunt qvi sua fata Deo.

  3. C

    Obiit 9. (Septem)br(is)e) Anno Christi 1582.Scriptum a Martino Henrico Theol(ogiae) D(octori) (et)a) Prof(essori)in Acad(emia) Witteb(ergensi)f) Genero.

Übersetzung:

A Dem frommen und seligen Gedächtnis der frommen und ehrenhaften Frau Gertrud, der Ehefrau des ehrwürdigen, frommen und gelehrten Mannes, des Doktors Johannes Praetorius, des treuen Verkünders des göttlichen Wortes am Hof des durchlauchtigsten und gnädigsten Fürsten und Herrn, des Herrn Joachim Friedrich, des Administrators des Erzbistums Magdeburg, Primas’ für Deutschland, Markgrafen von Brandenburg usw.

B In diesem Grab ruhen die bestatteten Gebeine Gertruds, die dir, Johannes Prätorius, der du feierlich am Hof des Fürsten Joachim Friedrich die reine Lehre der heiligen Schrift predigst, die Gattin war. Welche das berühmte Magdeburg zur Welt brachte, diese riß das sächsische Halle als Greisin durch das Schicksal hinweg. Die als Ergebene ihres Mannes Gott in Frömmigkeit diente, konnte als Vorbild einer rechtschaffenen Frau gelten. Sie hat im Glauben und sittsamen Leben bis zur letzten Zeit ihres Lebens Christus bekannt. Nunmehr gelangt der Geist in die goldenen Vorhallen des bestirnten Himmels und die Knochen des Körpers liegen unter der Erde geborgen. Sie war der Glaube, die Frömmigkeit und lautere Bescheidenheit, die Lauterkeit, Einfachheit und Treue mit wahrer Redlichkeit. Diejenigen, die um diesen Grabhügel herum mit ihren Händen auf die Brust schlagen, legen ein schmerzliches Zeugnis ihrer Trauer ab. Bald wird es sein, daß der verehrungswürdige Christus in Hoheit wiederkehrt und das gesamte Menschengeschlecht richtet. Dann wird sie sogleich die Freuden des himmlischen Lebens in Empfang nehmen, indem sie mit Lob den ewigen Gott feiert. O dreimal, viermal selig sind die Christgläubigen, die ihr Schicksal in Gott dem Herrn beschließen.

C Sie verstarb am 9. September im Jahr Christi 1582. Geschrieben von Martin Heinrich, Doktor der Theologie und Professor an der Hochschule zu Wittenberg, dem Schwiegersohn.

Versmaß: Elf elegische Distichen (B).

Kommentar

Gertruds Ehemann, Dr. Johannes Prätorius, wirkte von 1576 bis zu seinem Tod 1584 als Hofprediger des Administrators Joachim Friedrich von Brandenburg (s. Nr. 238).

Ihr Schwiegersohn Martin Heinrich stammte aus Sagan (Schlesien), studierte in Wittenberg, wurde 1580 Lizentiat der Theologie und Rektor der Universität. 1584 zum Doktor promoviert, erlangte er später ein Ordinariat.2) Das Jahr der Promotion datiert das Epitaph der Gertrud Prätorius, das vermutlich zur gleichen Zeit wie das des Ehemanns entstand.

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.
  2. etcetera] Olearius: et-Ligatur und c.
  3. Jane] Sic! Für Johanne.
  4. Parthenopae] Sic! Für Parthenopolis, d. i. Magdeburg.
  5. Septembris] Olearius: 7br.
  6. Wittebergensi] Sic!

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 185. Das ist schwerlich vorstellbar, wenn es sich nicht um eine sehr große Tafel mit einer Inschrift in einem sehr kleinen Schriftgrad handelte.
  2. Suevus 1655, fol. Ddd4v, Fff2r; Iii4r; Sennert 1678, S. 134.

Nachweise

  1. Olearius 1674, S. 185 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 239† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0023901.