Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 229 Neumühle 1582

Beschreibung

Wappentafel aus Sandstein über dem rundbogigen Tor an der östlichen Langseite des gestreckten, zweigeschossigen Gebäudes (Schloßberg 1). Ornamentierte Pilaster und Gesimse rahmen ein Vollwappen, das in einer Blendnische stehend von zwei Putten gehalten wird. Am Bogen der Blendnische ehemals eine Jahreszahl (A). Darunter ein erhabenes Schriftfeld mit Rollwerkrahmung; darauf eine Bauinschrift mit Nennung von Magistraten (B). Seitlich der Pilaster kleine Sockel, darauf Reliefs mit Ranken und menschengesichtigen Delphinen. Ursprünglich vermutlich über beide Sockel eine zweizeilige Inschrift mit Nennung von Magistraten laufend (C). Inschrift B und C eingehauen; die Inschrift auf dem linken Sockel verloren und auf dem rechten stark beschädigt. Starke Zerstörungen durch Feuchtigkeit unmittelbar an bzw. unter dem Hauptgesims.

Ergänzungen nach Denkmäler 3, 1897 (A) und nach Fotografie (C).

Maße: H.: 177 cm; B.: ca. 300 cm; Bu.: 3 cm (1. Zeile von B), 3,5 cm (B, C).

Schriftart(en): Kapitalis.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) (Reinhard Ulbrich) [1/1]

  1. A (†)

    15//82

  2. B

    HOC MOCENDINVMa) A SENATV / HVIVS VRBIS DENVO EXTRVC=/TVM EST. CO(NSVLIBVS)b) D(OMI)NOc) IACOBO / REDELd) ET D(OMI)NOc) IOHAN(NE)e) KOST. / ANNO 1582.f)

  3. C

    [- - -] // LAZARVSg) · KOST · A[VC - - -]h) // [- - -] // DIE ZEIT [- - - X]EISTERi)

Übersetzung:

B Diese Mühle ist vom Rat dieser Stadt von neuem errichtet worden zur Zeit der Ratsmeister Herr Jakob Redel und Herr Johannes Kost. Im Jahr 1582.

Wappen:
Stadt Halle1)

Kommentar

Alle Worte der Inschrift B, ausgenommen A und ET, sind mit überhöhten Versalien geschrieben. In Inschrift C hat nur das erste Wort einen Versal. Bis auf das A von ANNO entsprechen die Versalien den Buchstaben kleineren Schriftgrads. Die sorgfältig ausgeführte Inschrift zeigt eine konsequente Linksschrägenverstärkung durch Schattenstriche und dreieckige Sporen. Der untere Schrägschaft des K und der rechte des X ist ebenso wie die Cauda des R geschwungen. Überschriebene Striche machen Kontraktionskürzungen kenntlich. Die letzte Zeile von B ist zentriert. Als Worttrenner stehen in C Rauten. Die hohe handwerkliche und künstlerische Qualität der gesamten Arbeit läßt zweifellos auf einen ausgezeichneten Bildhauer schließen.

Der Kauf der Neumühle durch das Neuwerkstift im Jahr 1283 gab Anlaß zu ihrer ersten urkundlichen Erwähnung.2) 1529 wurde die Mühle in städtisches Eigentum übertragen3) und fortan verpachtet. 1854 ging sie in Privatbesitz über; der Betrieb wurde in den 1920er Jahren eingestellt.4) Der älteste erhaltene Teil ist das Hauptgebäude, das durch vorliegende Inschriften datiert ist. Die Nebengebäude wurden in der Neuzeit mehrfach erneuert.

Die älteren Autoren tradieren Inschrift C in einer Form, die sich nicht mit dem Befund in Übereinstimmung bringen läßt. Sie lautet: „Die Baumeister Casparus Kost und Andreas Glaser. NH.“5) Gustav Schönermark deutet das einzelne Buchstabenpaar als Initialen Nickel Hofmans, obwohl er die Inschrift nicht gesehen hat.6) Unter Berücksichtigung der überlieferten Lesung von C besagen die Inschriften, daß im ersten gemeinsamen Amtsjahr der Ratsmeister Redel und J. Kost und unter der Aufsicht der Ratsbaumeister L. Kost und Glaser die Neumühle neu erbaut worden ist.7) Johann, ein Sohn Hans Kosts (s. Nr. 159), wirkte seit 1570 als Achtmann und seit 1573 als Kirchvater von St. Ulrich. Er trat 1571 in den Rat ein und amtierte 1574 und 1577 als Ratskämmerer und zwischen 1579 und seinem Todesjahr 1601 achtmal als Ratsmeister.8) Der mutmaßliche Baumeister Lazarus gehörte zur weitgefächerten Verwandtschaft der hallischen Familie Kost und war 1584 Ratskämmerer, 1589 Achtmann der Marktkirche und von 1594 bis 1603 Oberbornmeister, wenn der bei Dreyhaupt erwähnte Lazarus Kost mit dem inschriftlich genannten gleichzusetzen ist.9) Der zweite mutmaßliche Baumeister, Andreas Glaser d. J., ein Sohn des 1561 verstorbenen Andreas Glaser (s. Nr. 181), versah auch das Amt des Ratsweinmeisters und starb 1594.10) Die beiden Ratsbaumeister waren 1582 auch mit der Erneuerung des Stadtgalgens befaßt.11)

Textkritischer Apparat

  1. MOCENDINVM] Sic! Für MOLENDINVM.
  2. CONSVLIBVS] Befund: COSS. Ein Doppelpunkt als Kürzungszeichen nachgestellt.
  3. DOMINO] Dr. vom Hagen, Kriegenburg.
  4. REDEL] Kedel Olearius.
  5. IOHANNE] Kein Kürzungszeichen.
  6. ANNO 1582.] A. M. D. LXXXII Olearius, Dreyhaupt, Knauth, Kriegenburg.
  7. LAZARVS] Casparus Olearius, Dreyhaupt, Knauth, Kriegenburg.
  8. AVC[- - -] AVG[.]S Lesevorschlag Dr. Hans Fuhrmann, Halle (Saale); ARCH BKD Prov. Sachsen NF 1, Schwarzberg; Andreas Olearius, Dreyhaupt, Knauth, Kriegenburg. Der überlieferte Nachname Glaser (s. Olearius, Dreyhaupt, Knauth, Kriegenburg) könnte nur am Anfang der zweiten Zeile des linken Sockels gestanden haben.
  9. [- - -]XEISTER] Auch möglich [- - -]XFISTER. Vor den lesbaren Buchstaben eine Haste und die oberen Teile je zwei einander kreuzender Hasten, die mit der von den älteren Autoren überlieferten Lesung Baumeister (s. Olearius, Dreyhaupt, Knauth, Kriegenburg) nur schwer in Übereinstimmung zu bringen sind.

Anmerkungen

  1. Siebmacher I, 4, Taf. 110.
  2. UBH I, S. 342 f. (Nr. 378).
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 370–372 (Nr. 444 f.).
  4. Schwarzberg 1995, S. 21 f.
  5. Olearius 1667, S. 32; Dreyhaupt 2, 1750, S. 363; Knauth 1857, S. 901; Kriegenburg 1917, S. 26 (Anm. 3).
  6. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 405. Vgl. die Initialen Nr. 152.
  7. Vgl. auch Olearius 1667, S. 306; Dreyhaupt 2, 1750, S. 363; Philipp 1993, S. 56. Bei Broda 1998, S. 283 Redel und Kost irrtümlich als „Baufachleute“ bezeichnet. Zu J. Redel s. Nr. 244.
  8. StAH H B 2, S. 87, 89 f., 91, 93 f., 96 f., 99, 101 f.; Röber 1618a, S. 170, 173; Olearius 1667, S. 69; Dreyhaupt 2, 1750, S. 343 f. und Beylage B, S. 79 („Geschlechts-Register der Koste“). Siehe auch Nr. 307.
  9. StAH H B 2, S. 94 f., 97; ebd., fol. 94v, 95v, 96r, 97r; Olearius 1667, S. 65; Dreyhaupt 1, 1749, Beylage A, S. 89 f.; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 79 („Geschlechts-Register der Koste“).
  10. StAH H B 2, S. 96, 98; ebd., fol. 89v; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 47 („Geschlechts-Register der Glaser“).
  11. Eckstein 1840, S. 1001.

Nachweise

  1. Fotografie LDA, Format 6/7, Neg.-Nr. 246 B.
  2. Olearius 1667, S. 32 (B, C unvollständig).
  3. Dreyhaupt 2, 1750, S. 363 (B und C unvollständig).
  4. Knauth 1857, S. 901 (B, C unvollständig).
  5. vom Hagen 1, 1867, S. 186 f. (B unvollständig).
  6. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 405 (B, C unvollständig).
  7. Denkmäler 4, 1899, Taf. 4 (A, B).
  8. Kriegenburg 1917, S. 26 (Anm. 3; B und C unvollständig).
  9. Schultze-Galléra 1920, S. 172 (B).
  10. Weiske 1930, S. 33 (B unvollständig).
  11. Schwarzberg 1995, S. 23 (B, C unvollständig).
  12. Broda 1998, S. 283 und Anm. 1259 (B, C unvollständig).
  13. Jäger 2009, S. 11 (B).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 229 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0022905.