Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 222(†?) Roter Turm 1580, 1899

Beschreibung

Vier Zifferblätter mit vorspringender Einfassung, schrägem Sockel und Verdachung, vollständig mit Blech beschlagen, eines an jeder Turmseite. Auf jedem goldfarbige Ziffern, aus Blech ausgeschnitten und an Laschen aufgeschraubt (A). In den Ecken des südlichen Zifferblatts außerdem die Zahlenpaare zweier Jahreszahlen in derselben Weise angebracht (B).

Maße: H.: ca. 500 cm; B.: ca. 345–365 cm; Bu.: 39–45 cm (A), 27–28 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    i · ii · iii · iiii · v · vi · vii · viii · ix · x · xi · xii ·

  2. B

    15//80 / 18//99

Kommentar

Die arabische 5 weist eine für das 16. und 17. Jh. typische Form auf, ist aber auf dem Kopf stehend angebracht. Der Bogen ist geknickt, das untere Schaftende beschließt eine Schleife. Die 8 ist wahrscheinlich bei Anbringung der Jahreszahl 1899 erneuert worden. Die Worttrenner sind rautenförmig.

Die erste Uhr des Roten Turmes war vielleicht 1468 eingebaut worden; ihre Stunden läutete eine im selben Jahr gegossene und 1945 vernichtete Glocke ein (Nr. 40). 1508 wurden die Zifferblätter an Ost- und Westseite erneuert.1) In den Jahren 1580/81 ist ein neues Uhrwerk mit nunmehr vier Zifferblättern von Meister Gregor Standthauff geschaffen worden. Eine heute verlorene Inschrift erinnerte daran, daß das zur Amtszeit der Ratsmeister Dr. Paul Dolscius und Leonhard Zeise geschah.2)

Die Bleche auf den Zifferblättern an Ost-, Nord- und Westseite sind sauber gefalzt und ohne sichtbare Schrauben und Nägel montiert. Die Verkleidung des südlichen hingegen ist ohne Falzung unregelmäßig aufgeschraubt und -genagelt – vermutlich auch ein Ergebnis vielfacher Reparaturen. Offensichtlich war dieses aber das einzige der vier Zifferblätter, das in jüngerer Zeit nicht einer vollständigen Neuabdeckung bedurfte. Die hier befindlichen römischen Zahlzeichen weichen in ihrer Form und Größe auch von denen der anderen Zifferblätter ab. Sie sind nur 39 cm groß (sonst 43–45 cm) und weisen deutlich umbrochene Schaftenden auf. Anhand von Details der Buchstabenbildung sowie der Form und Größe der Worttrenner läßt sich außerdem sagen, daß die Ziffern der Nord- und Westseite zusammen nach gleichem Muster, die der Ostseite aber nach anderen Vorlagen3) und deshalb wohl auch zu einer anderen Zeit geschaffen worden sind. Ob aber einige Ziffern noch aus dem 16. Jh. stammen, steht dahin. Bei der Erweiterung um zwei Zifferblätter 1580/81 und den anzunehmenden Erneuerungen der folgenden Jahrhunderte wurden jedoch die Grundzüge der im Spätmittelalter gewählten Schriftform stets bewahrt.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 200, 226. Eine zeitgenössische Quelle überliefert, daß im Jahr 1508 „die buchstaben mit Ungerischem golde ym fheur nauens vorguldet, darzcu nahen 20 Ung. gulden quamen, und dieselbigen buchstaben seindt alle mit schrauben uffgehafft, so dasz man die, wen es von nothen, kan und mag uff und abe schrauben“; Wachter 1882, S. 144.
  2. Olearius 1667, S. 303, 305. Zu P. Dolscius s. Nr. 260, zu L. Zeise s. Nr. 254.
  3. Nur an der Ostseite sind die römischen Zahlzeichen für Eins (i) durch Stege an den Schaftenden zu Paaren oder Dreiergruppen verbunden. Die Worttrenner sind hier fast so groß wie an der Südseite (14 bzw. 15 cm), während diese an der Nord- und Westseite nur eine Größe von 8 cm erreichen. Die Schaftenden der Buchstaben an den drei in Rede stehenden Seiten sind anders als an der Südseite gebildet, im Norden und Westen gar auffällig schwach umbrochen. Auch der Blechbeschlag ist an der Ostseite anders ausgeführt als an den übrigen Seiten.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 222(†?) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0022209.