Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 195 Marktkirche 1569

Beschreibung

Sturm- und Feuerglocke, „welche 30. Centner schwer, weniger 15. Pfund, im diametro dritthalb, in der circumferentz achthalb Ellen weit“, 1570 auf dem südlichen Ostturm der Kirche aufgezogen,1) heute in der Turmlaterne. Die Platte zweifach abgestuft, die Schulter auffällig gerundet. Unter der Schulter eine vierzeilige erhabene Glockenrede zwischen Stegpaaren mit Gußvermerk, Bezeichnung der Glockenfunktion und Namen von Magistraten. Die Reihe der Initialen unter der vierten Schriftzeile fortgesetzt. Unter der untersten Schriftzeile Initiale und einzelne Blätter in größeren Abständen angebracht. Über den Stegen am Wolm die Kniefigur einer jungen Frau, die einen Kranz in der erhobenen linken Hand hält.2)

Maße: H.: ca. 68 cm; D.: 146 cm; Bu.: 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Franz Jäger) [1/1]

  1. 1569 GLEIB · MIR · VOR · WAR · BIN · ICH · GOSSEN · ZV LOB · VND · EREN · / DVRCH · BALCHFRa) · RODEN · VND · LENHARTT · ZEISSEN · BEIDE · RAD · MEIS · / TER · VND HERREN · ZV · EINER · STORM · GLOCKEN · VND · WEN MANb) · AVFF · MICH · DHVD · KLOBEN · SO · DENCK · EIN · / IDER · DAR · BEI · DER · ZV · DEM · FEVER · VOR · ORDENT · SEI · DAS · ER · NICHT · DER · LETZE · IST ·· ALEXANDERc) · SCHALER · DANNIEL · OCKEL ·· B · B · M · / C · F · C · L · I · F ·· H R

Kommentar

Auffällig ist am G, daß das obere Bogenende die Cauda nicht überdeckt. Das M hat gerade Schäfte und einen fast bis zur Grundlinie reichenden Mittelteil. Die Cauda des R ist stachelförmig. Als Worttrenner stehen Rauten auf der Grundlinie. Vor dem ersten Initial und zwischen den Initialen befinden sich gleichartige Profilbüsten. Der Text der zweiten bis vierten Zeile beginnt immer leicht versetzt unter dem Ende der darüberliegenden Zeile und würde somit eine fortlaufende Lesung der Inschrift erlauben, wenn die Glocke frei umgangen werden könnte.

Die Vorgängerglocke war 1569 bei einem Feuerläuten gesprungen und wurde noch in demselben Jahr für über 600 Gulden umgegossen.3) Balthasar Rode und Leonhard Zeise waren die amtierenden Ratsmeister,4) Alexander Schaller und Daniel Ockel Ratsverwandte, die in Vertretung des Rates das Gießen und Aufhängen der Glocke beaufsichtigten.

Balthasar Rode entstammte einer schon im 13. Jh. nachweisbaren hallischen Familie. Zwei seiner Vorfahren waren als Ratsbaumeister tätig gewesen. Rode wurde schon 1555 in den Rat und 1560 zum Kirchenvorsteher der Marktkirche gewählt. Zwischen 1562 und 1571 war er viermal Ratsmeister. Er starb 1573.5) Der Worthalter Daniel Ockel (1529–1581) saß seit 1577 im Rat.6)

Textkritischer Apparat

  1. BALCHFR] Sic! Für BALCHER (= BALTHASAR).
  2. WEN MAN] Kein Wortabstand.
  3. ALEXANDER] Davor eine Raute und eine Profilbüste.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 289.
  2. Ebd., S. 287 will darin das Magdeburger Stadtwappen sehen.
  3. Wie Anm. 1.
  4. Zu L. Zeise s. Nr. 254.
  5. StAH H B 2, S. 79, 81–83, 85, 87; Olearius 1667, S. 64; Dreyhaupt 2, 1750, S. 343 f. und Beylage B, S. 133 („Geschlecht derer Roden“); Krause/Voß 1983, S. 292, Anm. 25; Schwarze-Neuß 2006, S. 39; Wilde 2007, S. 90.
  6. StAH H B 2, S. 90, 92; Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 104 („Geschlechts-Register derer Ockel“); siehe auch Anhang 1, Nr. 24.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 287 (unvollständig).
  2. Grothe 2004, S. 66 (unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 195 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0019505.