Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 194† Stadtgottesacker 1569

Beschreibung

„Eine alte gemahlte Taffel, an welcher der gecreutzigte Heyland abgebildet; neben dem Creutze steht D. Lutherus, unfern demselben liegt HIEREMIAS WAGAU nebst den Seinen aufn Knien, und ist dabey diese Schrifft“1) mit Sterbevermerk für Magdalena Vetter (A) und Bibelzitaten (B–E). Das Epitaph ehemals in der Bogenkammer 28, heute verloren; die Schriftform nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. A

    Epitaphium piae (et)a) honestissimae matronae MAGDALENAE VETTERS, Uxoris HIEREMIAE WAGAW, qvae obiit d(ie) 31. Januarii mane dimidia tertia, aetatis suae 30. salutis vero humanae 1569.

  2. B

    Convertere ad me qvoniam redemite.b)2) /

  3. C

    Ecce agnus DEI qvi tollit peccata mundi.3) /

  4. D

    Ipse enim vulneratus (et)c.c)4) /

  5. E

    Corde creditur ad justitiam (et)c.c)5)

Übersetzung:

A Epitaph der frommen und sehr ehrsamen Frau Magdalena Vetter, der Ehefrau des Jeremias Wogau, die am 31. Tag des Januar, halb drei Uhr morgens, im 30. (Jahr) ihres Alters, im 1569. (Jahr) aber des menschlichen Heils starb.

B Wende dich zu mir, da ich dich doch erlöst habe.

C Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt aufhebt.

D Er selbst ist aber verwundet worden.

E Der im Herzen gläubig ist, (der wird erlöst werden) zur Gerechtigkeit.

Kommentar

Die ausgewählten Bibelstellen tragen unzweifelhaft Bekenntnischarakter, da sie im Sinne der christozentrischen Theologie Luthers6) ausgelegt werden sollen, worauf die Abbildung Luthers als Prediger hinwies. Der Prophet Jesaja verheißt den Gläubigen das göttliche Erlösungswerk (Is 45,22) und spricht von einem Knecht oder Lamm, dessen Opferung der göttliche Heilsplan vorsehe, wodurch aller Sünden getilgt würden (Is 53,5). Dieses Opferlamm, das bezeugt Johannes der Täufer, sei Jesus Christus (Io 1,29). Wer mit dem Herzen daran glaube, schreibt Paulus an die Römer, würde gerechtfertigt, d. h., er habe gewiß teil am Erlösungswerk (Rm 10,10). Die prophetischen Worte des Alten Testaments und die Zeugnisse des Neuen Testaments sind auf das Heilswirken Gottes durch den Opfertod Christi gerichtet, der gleichsam aus dem Wort heraus in der Mitte des Epitaphs zum Bild geworden war. An dem Epitaph ist außerdem bemerkenswert, daß Luther als Erneuerer der Kirche abgebildet war. Es ist das einzig bekannte Beispiel in Halle. Magdalena Vetter heiratete 1560 Jeremias Wogau und wurde nach ihrem frühen Tod in der von ihrem Gemahl und dessen Brüdern erbauten Bogenkammer beigesetzt (Anhang 1, Nr. 28).7) Jeremias war 1562 als Talschöppe, drei Jahre später als Talvorsteher und 1568 in den Rat gewählt worden. 1577 ist er gestorben.8)

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.
  2. redemite] Sic! Für redemisti.
  3. etc.] Olearius: et-Ligatur und c.

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 33.
  2. Is 45,22.
  3. Io 1,29.
  4. Is 53,5.
  5. Rm 10,10.
  6. Vgl. Einleitung, S. XLI–XLIV.
  7. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 196 („Geschlechts-Register derer Wogaue“).
  8. StAH H B 2, S. 86; ebd., fol. 86v, 87v; Hünicken 15, 1939, S. 92. Ob der 1573 und 1576 amtierende Talschöppe gleichen Namens (StAH H B 2, fol. 89v, 90r) mit dem Ehemann der Magdalena identisch ist, bleibt noch zu klären.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 28).
  2. Olearius 1674, S. 33.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 194† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0019407.