Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 187† Stadtgottesacker 1566

Beschreibung

„An einer alten gemahlten Taffel an der Wand“1) der Bogenkammer 39 Sterbevermerke, Grabbezeugungen und Segenswünsche für Ursula Reuscher (A), Zachäus und Margareta Grundmann sowie ihre Kinder Jonas und Margareta (B) und ein Bibelzitat mit Jahreszahl (C), heute verloren. Die Schriftform der vermutlich gemalten Inschriften nicht bezeugt.

Nach Olearius.

  1. A

    Anno 1566. Jahr, am Sonnabend nach Dorothea den 9. Febr(uarii) ist die Tugendsame Frau URSELL, Hans Reuschers des Eltern ehel(iche) Hausfrau in einem wahren Christlichen Glauben seliglich entschlaffen, und leit allhier begraben und ruhet bis an Jüngsten Tag, alsdenn Sie GOtt wiederum auferwecken und in die ewige Herrligkeit einführen wird, welche uns CHristus JEsus erworben hat mit seinem bittern Leiden und Sterben am Stam(m)a) des Creutzes, die gantze Christenheit erlöst vom ewigen Tode, Teuffel und Hölle.b)

  2. B

    Anno M.D. im 65. Jahr des 18. Octobr(is) ist der Erbare Zachäus Grundmann in einem wahren Christlichen Glauben selig entschlaffen, und an dem 9. Tage nach Ihm sein ehlich Weib MARGARETA auch in GOtt selig entschlaffen, und nach ihr 2. Kinder mit Nahmen Jonas und Marg(a)ret(a) die liegen allhie begraben, und ruhen bis an Jüngsten Tag, alsdann wird Sie GOtt samt allen gläubigen Christen wiederum aufferwecken und in die ewige Herrligkeit und Glori eingeben, welche uns CHristus JEsus erworben hat mit seinem Leiden und Sterben.b)

  3. C

    Joh. 3. Also hat GOtt die Welt geliebet etc.2) / 1566

Kommentar

Kürzungen wurden von Olearius bis auf eine Ausnahme durch nachgestellte Punkte gekennzeichnet.

Die Inschriften A und B geben in kurzer und populärer Fassung die lutherische Soteriologie wieder. Durch Christi stellvertretenden Opfertod sei demjenigen, der im Glauben daran (wahren Christlichen Glauben) sterbe, die Sündenvergeltung und Totenruhe (d. h. der Seelenschlaf), die Auferstehung und ewige Herrligkeit gewiß. Zu den theologischen Grundlagen gehören die häufig inschriftlich zitierten Verse aus dem Johannesevangelium.3) Das Verwandtschaftsverhältnis der Ursula, der Gemahlin Hans Reuschers (A), zu Andreas Grundmann, dem Erbauer des Bogens (Anhang 1, Nr. 39), ist nicht bekannt; sie ist in dem von Dreyhaupt veröffentlichten Stemma der Familie Grundmann nicht verzeichnet.4) Der Pfänner und Worthalter Andreas Grundmann (1513–1580) hatte aber 1549 in zweiter Ehe Anna, eine Tochter Hans Reuschers, geheiratet. Reuscher saß zwischen 1542 und 1551 im Rat5) und soll 1565 bereits 76 Jahre alt gewesen sein (s. Anhang 1, Nr. 42).6)

Zachäus (B) ist vermutlich mit Zacharias (1536–1565), dem an der Pest verstorbenen Sohn des Andreas, gleichzusetzen.7) Er war mit Margareta Schmied verehelicht. Der Tod der Familie des Zachäus Grundmann wird den Anlaß für den Bau der Bogenkammer gegeben haben.

Textkritischer Apparat

  1. Stamm] Kürzung durch Kompendienstrich.
  2. Schrägstriche bei Olearius wurden hier durch Kommata ersetzt.

Anmerkungen

  1. Olearius 1674, S. 41.
  2. Jh 3,16.
  3. Vgl. Einleitung, S. XLII.
  4. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 52 („Geschlechts-Register derer Grundmanne“).
  5. StAH H B 2, S. 73 f., 76 f.
  6. Der nach Hünicken 14, 1938, S. 330 im Jahr 1558 gestorbene Hans Reuscher muß ein anderer gewesen sein, sonst wäre er in Inschrift A als „selig“ bezeichnet worden.
  7. Wie Anm. 4; demnach soll Zacharias bereits 1563 gestorben sein. Richtig bei Hünicken 12, 1936, S. 87.

Nachweise

  1. MBH Ms 319, 2, o. S. (Nr. 39).
  2. Olearius 1674, S. 41 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 187† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0018705.