Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 145 Moritzkirche 1545, 1549, 154[.], 1569, 1580, 1591, 1592, 1598, 1602, 1612, 1621, 1629

Beschreibung

An den westlichen Frei- und Wandpfeilern der Kirche Ritzinschriften aus Namen, Initialen und Jahreszahlen, z. T. auf Bodenniveau (A, B), z. T. auf Emporenhöhe (C–F). Die Inschriften von Osten nach Westen jochweise wiedergegeben.1)

Maße: Bu.: 1–3,5 cm (A), 1–2,5 cm (B–FB).

Schriftart(en): Kapitalis (A–FA), Kleinbuchstaben mit Versalien (FB).

  1. A

    I M / 15 / R H W / A(NNO)a) 154[ . ] / M Sb) / I M / 1545 H

  2. B

    Y G D K Sc) / M 70d) / 1549

  3. CA

    IOHANNES WHAFFERe) / HALENSIS SAXO(NVM) / ANNO 1621f)

  4. CB

    BALTg) · BECK · (15)98 / BALT · BECK · / · 16 · 02 ·h)

  5. CC

    GEORGIVS [- - -]i) / [- - -]i) / 1591 / HALENSIS

  6. DA

    ISENERj) / A(NNO) 1612

  7. DB

    ANDREAS WENk) / AN(N)O 1629.

  8. E

    WENCESLAVS. MEDICKE. 15922)

  9. FA

    BART: GROS:l) / HALL(ENSIS) A(NNO) (15)80

  10. FB

    Michaell Soldinus Soldinensis / · 1 · 5 · 69 ·

Übersetzung:

CA Johannes Waffer (?) aus Halle in Sachsen im Jahr 1621.

CC Georg (...) aus Halle (...) 1591.

FA Bart(holomäus?) Gros. aus Halle im Jahr 1580.

FB Michael Soldin aus Soldin (Neumark) 1569.

Kommentar

Ediert wurden die beiden ältesten datierten Inschriften (A, B) sowie alle jüngeren vollständigen oder leicht zu ergänzenden Namensinschriften, darunter zwei mit Minderzahl (CB, FA), deren Duktus und Kontext auf eine Entstehung im 16. Jahrhundert schließen läßt. Für einige der edierten Inschriften ist aber die Zusammengehörigkeit der Initialen und Jahreszahlen nicht gesichert.

Bemerkenswert ist die Konzentration aller datierten Inschriften innerhalb des Bearbeitungszeitraums auf die Jahre zwischen 1569 und 1621.3) Danach erscheinen noch einige datierte, vorzugsweise in den sechziger Jahren des 17. Jh. und im 18. Jh. Jüngere Ritzinschriften sind sehr selten. Die Ritzinschriften der im Sockelbereich offensichtlich stärker restaurierten östlichen Pfeiler sind vermutlich im 19. und 20. Jh. beseitigt worden.

Anbringungshöhe und -ort der Inschriften lassen auf die Beschaffenheit der Westempore im 16. und 17. Jh. schließen. Da keine Ritzinschrift an der Ostseite der achten Pfeilerreihe (C, D) steht, ist anzunehmen, daß die frühneuzeitliche Empore diese Pfeiler nicht wie die heutige umschloß, sondern daß sie zwischen den Pfeilern endete. Auch muß ein Teil der Emporenanlage (Treppe?) vor dem nördlichen Wandpfeiler der Westwand (F) wesentlich tiefer gelegen haben als die heutige Empore, sonst hätte die Inschrift FB nicht 11 cm über dem heutigen Boden angebracht werden können.4) Alle übrigen Ritzinschriften befinden sich in mindestens 40 cm Höhe – in einer Höhe, in der es sich im Sitzen gut ritzen läßt.

Zwei Jahre nach Fertigstellung der Kirche 1557 (s. Nr. 168) wurde an der Nordseite offenbar die erste Empore „vor die Schüler“, d. h. für den Knabenchor der Kirche erbaut. 1566 ist die Empore umgebaut oder erweitert worden. 1569 wurde eine Orgel von Esaias Beck vollendet, die vermutlich auf der (West-?)Empore stand.5) Aus demselben Jahr stammt die älteste, auf Emporenhöhe (ganz im Westen) befindliche datierte Ritzinschrift (FB). 1580 erbaute man Langseitenemporen.6) Von der Beckschen Orgel und allen genannten Einbauten ist bis auf einen geschnitzten Emporenpfosten von 1566 (Nr. 190) nichts mehr erhalten.

Christoph „Medigke“, der vor und während des Dreißigjährigen Krieges als Amtsbediensteter im Amt Giebichenstein wirkte,7) könnte ein Verwandter oder Nachkomme des Wenzeslaus Medicke (E) gewesen sein. Auch ist eine verwandtschaftliche Beziehung (oder gar Identität) des sich 1569 schriftlich verewigenden Michael Soldin aus der Neumark (FB) mit einem Michael Hallius in Soldin anzunehmen. Michael Hallius – d. h. vermutlich Michael Halle oder „von Halle“ – war seit 1543 als Diakon und von 1570 bis 1578 als geistlicher „Inspector“ tätig.8)

Textkritischer Apparat

  1. R H W ANNO] Die Lesung des ersten und die Auflösung des vierten Buchstabens unsicher; W und A in kleinerem Schriftgrad übereinander geschrieben.
  2. S] Darauf folgt ein nicht bestimmbares Zeichen.
  3. YGDKS] Unziales D.
  4. 70] Vor und nach den Ziffern je ein senkrechter Strich. Minderzahl?
  5. WHAFFER] Oder WHAPPER?
  6. Die ganze Inschrift eingerahmt.
  7. BALT] BALTASAR?
  8. Als Kürzungszeichen und Worttrenner stehen Doppelpunkte.
  9. [- - -] Durch Steinverfall und Überschreibung unlesbar geworden.
  10. ISENER] Lesung unsicher.
  11. WEN] Der Familienname vermutlich unvollständig.
  12. GROS:] Davor ein senkrechter Strich.

Anmerkungen

  1. Inschriftenträger A ist der sechste Freipfeiler im Norden, B der siebte im Süden, C der südliche Wandpfeiler neben dem achten Freipfeiler. Inschriftenträger D ist der achte Freipfeiler im Norden, E der südliche Wandpfeiler an der Westwand und F der nördliche daneben. Die achte Pfeilerreihe trägt den Turmunterbau.
  2. Dazu gehören vielleicht noch die Namensinschriften IOHAN HAMERSCHMID, IOHANNES STRAVBE und ELIAS AVLHART, die dicht bei E stehen und in einem vergleichbaren Duktus geschrieben sind.
  3. Das sind außer den edierten Inschriften Initialen mit den Jahreszahlen 1570, 1572, 1586–1588, 1592, 1599, 1601, 1606, 1609, 1612, 1614, 1615, 1619.
  4. Eine Ritzinschrift von 1570 befindet sich unmittelbar über dem Emporenboden.
  5. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1084. Zu Esaias Beck s. Nr. 204.
  6. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1084.
  7. Ebd., S. 2.
  8. Kutschbach 1849, S. 325.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 145 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0014507.