Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 141†(?) Domplatz 1520–1538

Beschreibung

Wappenbeischrift (?) „in dem Italiänischen Gebäwde, so (...) nehest an die Domkirche angesetzt und auffgeführet, oben über die Thüren deß Zimmers, in welchem jetzund die Ertzstifftische Regierung Audientz helt“,1) heute vermutlich verloren. Schriftform und Art der Schriftausführung unbekannt.

Nach Weber.2)

  1. Albertus, miseratione divina [- - -]

Übersetzung:

Albrecht, durch göttliche Barmherzigkeit (...)

Kommentar

Eine zweifelsfreie Identifizierung des Hauses ist bislang nicht gelungen. Es muß sich aber um eines der Gebäude gehandelt haben, die ab 1520 bei Umgestaltung des ehemaligen Dominikanerklosters zum Neuen Stift oder ab 1531 beim Bau des „Neuen Gebäudes“ (der Neuen Residenz) entstanden waren.3) In dem einen Fall hätte das „Italiänische Gebäwde“ nördlich, in dem anderen Fall südlich des Domes gelegen. Beide Bauensemble wurden mit Zwerchhäusern, Portalen und vielgestaltigen Dekorationsformen geschmückt, die man als „welsch“ bezeichnete, d. h. die man als französisch oder mehr noch als italienisch empfand.4) Andrea Thiele hat den gesuchten Bau hypothetisch im Bereich der Neuen Residenz verortet; in Betracht kommt auch das sogenannte „Domherrenhaus“ oder „Domkapitelhaus“, das sich im Anschluß an die Klausur unmittelbar nördlich des Domes erstreckte.5) Es gehörte dem Domkapitel von Magdeburg, wurde 1676 verkauft und ging schließlich in den der Reformierten Gemeinde gehörenden Nachfolgebauten auf.6) Der Zeichnung auf dem von Gottfried Olearius 1667 veröffentlichten Stadtplan zufolge trug es wie der Dom einen dichten Giebelkranz, hatte also vermutlich ein welsches Aussehen.

Der frühestmögliche Termin für die Entstehung der Inschrift ist der nach Auszug der Dominikaner begonnene Umbau des Klosters; der späteste ist das Ende des letzten, mehrjährigen Aufenthalts Kardinal Albrechts im Juli 1538. Danach war er nur noch einmal im Februar 1541 für wenige Tage nach Halle zurückgekehrt.7) Vor dem Ende seines letzten längeren Aufenthalts wird die Inschrift entstanden sein. Ihr Anfang gleicht dem der deutschen Wappenbeischrift in der Unterburg zu Giebichenstein (Nr. 131): „ALBRECHT VON GOTS GNADEN“. Ein unbeschriftetes Wappen Albrechts hat sich tatsächlich in einem Nebenraum des Domes erhalten.8)

Anmerkungen

  1. Weber 1638, S. 496.
  2. Nach freundlichem Hinweis von Dr. Andrea Thiele, Halle (Saale).
  3. Zum Dominikanerkloster und zur Neuen Residenz s. Einleitung, S. XX–XII bzw. S. XVI.
  4. Zur Hofkunst unter Erzbischof Albrecht von Brandenburg s. Einleitung, S. XV f.
  5. Thiele 2011, S. 124; zum Domherrenhaus siehe ebd., S. 115–118.
  6. Das Gebäude beherbergte zuletzt eine Universitätsklinik (s. Stadtplan bei Hesekiel 1824) und wurde vermutlich vor der 1859/60 durchgeführten Erweiterung des am Domplatz 4 gelegenen Klinikums abgerissen; Schultze-Galléra 1920, S. 181–183; Brülls/Honekamp 1996, S. 104.
  7. Vgl. Scholz 1998, S. 381–384.
  8. Es befindet sich im sogenannten Kardinalszimmer, einem historischen Raum, der westlich dem Dom vorgebaut ist; vgl. Katalog Halle 2, 2006, S. 187. Das Wappen könnte durchaus einem anderen Bauwerk entnommen sein und ursprünglich mit vorliegender Inschrift in Verbindung gestanden haben.

Nachweise

  1. Weber 1638, S. 496.
  2. Thiele 2011, S. 124.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 141†(?) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0014109.