Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 139† Stadtbefestigung Hansering/Rathausstraße † 1538

Beschreibung

„Am Zwinger hinter dem Zeughause ein Rundel (...) mit folgender Inscription“1): ein Bibelzitat, die Namen von Magistraten und eine Jahreszahl. Das Rondell vermutlich bei Anlegung des heutigen Hanserings zwischen 1870 und 1874 abgetragen.2) Schriftform und Art der Schriftausführung nicht überliefert.

Nach Olearius.

  1. Turris fortissima Nomen Domini, ad ipsam currit iustus (et)a) exaltabitur. Prov. XIIX.3) 1538. Casp(aro) Qverhammero (et)a) Wenceslao Kurbauchio Consulibus.

Übersetzung:

Der Name des Herrn ist eine starke Burg. Der Gerechte läuft zu dieser und wird erhöht werden. (...) 1538, zur Zeit der Ratsmeister Kaspar Querhammer und Wenzeslaus Kurbauch.

Kommentar

Das Bibelzitat mahnt zu bedenken, daß der beste Schutz nicht durch ein starkes Bollwerk, sondern durch Gott gegeben und nur bei ihm Heil zu finden sei.

Die Stadtbefestigung gegenüber dem stark ansteigenden Gelände des Martinsbergs (Stadtgottesacker) wurde 1538/39 durch abgerundete Bastionen verstärkt. Das über die äußere Stadtmauer hervortretende „Rundel“, an dem 1538 im Auftrag des Stadtrats gebaut wurde, befand sich nördlich des 1704 eingestürzten Zeug- und Kornhauses (s. Nr. 88).4) Treibende Kraft dieser Fortifikationsarbeiten war allem Anschein nach der amtierende Ratsmeister Kaspar Querhammer, der 1539 eine Denkschrift an den Rat richtete, in der er sachkundig den Plan einer umfassenden Modernisierung der gesamten städtischen Befestigung darlegte.5) Der engagierte Kaspar Querhammer gehört zu den interessantesten Persönlichkeiten des Reformationszeitalters. Er amtierte u. a. als Kirchvater an der Marienkirche, 1529 und 1532 als Schöffe des Talgerichts und zwischen 1534 und 1556 achtmal als Ratsmeister. Er wurde auch nach Einführung der Reformation in Halle an die Spitze des Rates gewählt, obwohl er weiterhin zum alten Glauben stand.6) Querhammer setzte sich intensiv mit der protestantischen Lehre auseinander; seine gedruckten Schriften wurden sowohl von altgläubigen als auch von lutherischen Theologen rezipiert. Er schrieb am ersten deutschen katholischen Gesangbuch mit, das Michael Vehe, der Propst des Neuen Stifts, 1537 herausgab.7) Querhammers Standhaftigkeit im Glauben erregte bei den seit 1541 in Halle tätigen lutherischen Predigern solchen Unmut, daß sie 1546 den Kirchenbann forderten.8) Vermutlich sah die lutherische Geistlichkeit ihn als Exponenten einer Gruppe Altgläubiger, zu der auch andere städtische Honoratioren wie der ehemalige Ratsverwandte Dr. Philipp Novenianus gehörten.9) Seine neuerliche Einsetzung als Ratsmeister 1550 kam nur auf Betreiben des Erzbischofs Johann Albrecht zustande.10) Querhammers Festhalten am altkirchlichen Bekenntnis führte dazu, daß er 1557 nur mit einem reduzierten Zeremoniell auf dem Stadtgottesacker beigesetzt wurde. Eine Leichenpredigt hat man ihm verweigert, das Totenläuten aber zugestanden.11)

Wenzeslaus Kurbauch (gestorben 1542) war ebenfalls Kirchvater an der Marienkirche, seit 1489 Ratsmitglied und seit 1500 Ratsmeister, in den Jahren 1538 und 1541 zusammen mit Querhammer.12)

Textkritischer Apparat

  1. et] Olearius: et-Ligatur.

Anmerkungen

  1. Olearius 1667, S. 249.
  2. Neuß 2, 1935, S. 81.
  3. Nach Prv 18,10.
  4. Neuß 1929, S. 36 (Nr. 15); Neuß 2, 1935, S. 58 (Nr. 16). Zum Korn- und Zeughaus siehe ebd., S. 62 f.
  5. Vgl. Neuß 1, 1934, S. 176 f. Zur Stadtbefestigung s. auch Einleitung, S. XXIX.
  6. StAH H B 2, S. 69–72, 74, 77 f., 80; ebd., fol. 78v, 79r. Olearius 1667, S. 64; Dreyhaupt 2, 1750, S. 343, 691 f.; Neuß 1931, passim. Den Quellen zufolge soll Kaspar Querhammer schon 1516 und 1519 als Magistrat und 1521 als Talvorsteher gewirkt haben; StAH H B 2, S. 60 f.; ebd., fol. 73v, 76v. Wegen des relativ großen zeitlichen Abstands bis zur neuerlichen Nennung eines Kaspar Querhammer als Amtsträger könnte der erstgenannte ein älterer Verwandter gewesen sein. Er wird bei Neuß 1931, S. 28–32 und Schrader 1980, S. 369 f. aber mit dem 1529 erstmals gewählten Talschöffen bzw. dem 1534 erstmals gewählten Ratsmeister gleichgesetzt.
  7. Schrader 1980, S. 373–389.
  8. Delius 1953, S. 101 f.; Schrader 1980, S. 392 f. Vgl. auch Delius 1952, S. 167–169 (Nr. XIII).
  9. Zu Ph. Novenianus s. Anhang 1, Nr. 30.
  10. Delius 1953, S. 111.
  11. Olearius 1667, S. 270; Hünicken 14, 1938, S. 330.
  12. StAH H B 2, S. 44, 46, 48 f., 51–54, 56 f., 59 f., 62 f., 66–69, 71 f.; Olearius 1667, S. 63 f.; Dreyhaupt 2, 1750, S. 342 f. Bei Hünicken 14, 1938, S. 257 das Todesjahr 1541.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 249.
  2. Neuß 2, 1935, S. 58 (unvollständig).
  3. Hünicken 1936, S. 131 (Anm. 279 unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 139† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0013906.