Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 99(†) Moritzkirche 1516 (?)

Beschreibung

Grabplatte aus Sandstein für Propst Dietrich von Oppershausen (?), ursprünglich im Chor, heute in der äußersten Nordwestecke der Kirche in den Boden eingelassen. Umlaufendes breites Schriftband mit geringen Resten der Inschrift, eines Sterbevermerks mit Fürbitte, deren besterhaltener Teil an der rechten Seite der Platte durch einen neuen Fußbodenbelag soweit überdeckt wird, daß er nicht gelesen werden kann. Die Inschrift eingehauen, die lesbaren Teile auf Kopf- bzw. Fußleiste der Platte. Im Binnenfeld die reliefierte Ganzfigur eines Geistlichen mit Almutie (?), Birett und einem Buch in der rechten Hand. In den oberen Ecken des Binnenfeldes Astwerkdekoration. Die Platte stark abgetreten und durch Feuchtigkeitseinwirkung schwer geschädigt.

Ergänzung nach Olearius 1674.1)

Maße: H.: 188,5 cm; B.: mindestens 101 cm; Bu.: 5,5–6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. [A(nno) d(omini) m]ccccc x via) [feria secunda post qvasimodogeniti, obiit venerabilis pater] / p(re)p(o)sit[us]b) [theodoricus oppertzhausen]c) [qvi praefuit annis xxiii.]d) [cujus anima reqviescat in sancta pace, amen.]

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1516, am Montag nach Quasimodogeniti starb der ehrwürdige Vater Propst Dietrich (von) Oppershausen, der 23 Jahre (dem Konvent) vorstand. Dessen Seele möge in heiligem Frieden ruhen. Amen.

Datum: 1516 März 31.

Kommentar

Die Identität der überkommenen Grabplatte mit der in der älteren Literatur beschriebenen, die dem 1516 verstorbenen Dietrich von Oppershausen gewidmet war, ist wegen des schlechten Erhaltungszustands nicht zweifelsfrei gesichert, aber sehr wahrscheinlich. Der Name „Quittickhausen“ geht vermutlich auf eine Fehllesung der Kopisten des 17. Jh. zurück.2) Schon Dreyhaupt vermerkt den Namen Oppershausen als urkundlich bezeugt.3) Ein zweiter Überlieferungsstrang stellt ausgerechnet das einzige, gegenwärtig lesbare Wort des Sterbevermerks in Frage. Der zweite Teil von Olearius’ Halygraphia 1679 und Dreyhaupt überliefern den Amtstitel des Dietrich von Oppershausen nicht. Da aber die ersten vier Buchstaben, mit denen das Wort einsetzt, vergleichsweise gut lesbar sind,4) läßt sich die Buchstabenfolge kaum auf ein anderes Wort als prepositus beziehen.

Dietrich entstammte wahrscheinlich der niedersächsischen, im Jahr 1651 erloschenen Familie von Oppershausen und wirkte von 1483 bis zu seinem Tod 1516 als Propst des Moritzstifts.5) In seiner Amtszeit wurde 1502 das ehemalige Prioratsgut Mücheln (Saalekreis) für das Stift erworben und der schon über ein Jahrhundert währende Neubau der Stifts- und Pfarrkirche St. Mauritius energisch vorangetrieben.6) Sein Wappen ziert u. a. das 1511 vollendete Retabel des Hauptaltars (Nr. 93) und das sogenannte Talzimmerhaus (Nr. 63), an dem er vermutlich auch bauen ließ.

Textkritischer Apparat

  1. ccccc x vi] Lesung unsicher, da nur die unteren Schaftenden und von x vielleicht die Fahne erkennbar sind. Deutlich ist allerdings eine Buchstabenanordnung in Gruppen zu fünf und drei Schäften, zwischen denen ein einzelner Schaft steht.
  2. prepositus] Nexus litterarum der ersten beiden Buchstaben; das Schaft-s auf den Mittellängenbereich beschränkt; t nicht sicher lesbar. Dann folgen ein Kürzungszeichen (oder ein Ornament?) und sechs Schäfte mit umbrochenen unteren Schaftenden. Schreibung nach zeitgenössischer Gepflogenheit.
  3. theodoricus oppertzhausen] Theodoretus Qvitickshausen Olearius 1667; Theodoricus Qvittickhausen, Olearius 1679, Dreyhaupt.
  4. xxiii.] XXXIII. Olearius 1667, Olearius 1679, Dreyhaupt.

Anmerkungen

  1. Der Text ist hier nach den Inschriftfragmenten und zeitgenössischer Gepflogenheit fast durchgängig in Kleinschreibung wiedergegeben.
  2. Vgl. Anm. c.
  3. Dreyhaupt 1, 1749, S. 757 (Nr. 157). Siehe außerdem Eckstein 1856, S. 58 (Anm. zu Zeile 24).
  4. Vgl. Anm. b.
  5. Dreyhaupt 1, 1749, S. 746. Zu denen von Oppershausen s. Kneschke 6, 1865, S. 610 f.
  6. Dreyhaupt 1, 1749, S. 757 (Nr. 157), 1082; Dreyhaupt 2, 1750, S. 933 f. (Nr. 595); Krause 1983, S. 237–239.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 232.
  2. Olearius 1674, S. 172 f.
  3. Olearius 1679, S. 14.
  4. Dreyhaupt 1, 1749, S. 746.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 99(†) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0009904.