Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 90(†) Moritzburg, Maria-Magdalenen-Kapelle 1509

Beschreibung

Wappentafel aus Sandstein, in die Westwand der Kapelle in etwa 10 m Höhe zwischen zwei vermauerten Wandöffnungen eingelassen.1) Wohl in unmittelbarer Nähe einst ein Stiftervermerk und eine Weiheinschrift (B), „so für dem Kriege und Wegführung dieser und anderer kostbaren mobilien, auff einer Meßingen Taffel mit güldenen Buchstaben zulesen“ war.2) Die Schriftform von B nicht überliefert. Das Wappen in einem tiefen, kräftig profilierten Rahmen; unmittelbar darunter eine schmalere, gerahmte Wappenbeischrift mit Jahreszahl in erhabenen Buchstaben und Ziffern (A).

B nach Olearius.

Maße: H.: ca. 95 cm; B.: ca. 75 cm; Bu.: ca. 10 cm (A).3)

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. A

    ARMA HVI(VS) E[CC]L(ESI)Ea) 1 · 5 · 0 · 9

  2. B †

    Ernestus Princeps Saxonum (et)b) Episcopus idemCondidit hanc aedem, Mariaeq(ve) in honore sacravitMagdale(n)aec) Christo, novaq(ve) illi desuper armaFixit; erat nonus terqvinq(ve) ad secula natiAnnorum Christi, cum primum condita staretHaec est aula Dei (et)b) superis habitatio sanctis.

Übersetzung:

A Das Wappen dieser Kirche. 1509

B Ernst, Fürst von Sachsen, und derselbe als Bischof gründete dieses heilige Haus und weihte (es) zu Ehren Maria Magdalenas Christus und befestigte dort darüber das neue Wappen. Es war das neunte (Jahr) nach dreimal fünfhundert Jahren nach Christi Geburt, als es (das Haus), nachdem es zuerst gegründet worden war, stand. Dies ist ein Palast Gottes und eine Wohnung für die himmlischen Heiligen.

Versmaß: Sechs Hexameter (B).

Wappen:
Maria-Magdalenen-Stift4)

Kommentar

Die Buchstaben des zweiten und mehr noch des dritten Wortes der Inschrift A sind beschädigt. Alle Buchstaben, auch die verlorenen Buchstabenteile, wurden nachgemalt und dabei vielleicht auch ein Kürzungsstrich über dem L als Balken zu diesem Buchstaben gezogen (s. Anm. a). Das A weist einen Deckbalken auf. Sämtliche Balken-, Bogen- und Schaftendungen sind kräftig keilförmig verbreitert.

Der Inschriftträger von B war vermutlich in Messing oder Bronze mit polierten bzw. vergoldeten Buchstaben ausgeführt und könnte der aus dem Jahr 1510 stammenden, in der Naumburger Stiftskirche St. Moritz erhaltenen Inschrifttafel aus Messing geglichen haben.5) Der Zusammenhang mit Inschrift A kommt im dritten und vierten Vers zum Ausdruck (desuper arma fixit). Die Junktur primum condita im fünften Vers besagt vielleicht, daß der Bau der Moritzburg 1484 mit der Kapelle begonnen wurde, obwohl das der heute gültigen Baugeschichte widerspräche.6)

Das Wappen hatte Erzbischof Ernst von Sachsen einem Kollegiatstift zugedacht, das er an der Maria-Magdalenen-Kapelle zu gründen beabsichtigte. Dieses Vorhaben konnte aber erst sein Nachfolger Albrecht von Brandenburg an einer anderen Kirche, der ehemaligen Dominikanerkirche (dem sogenannten Dom) 1520 verwirklichen.7) Das Neue Stift Albrechts erhielt ein leicht geändertes Wappen (s. Nr. 114, 130). Das ursprüngliche Wappenbild enthält außer einem Kreuz Salbgefäße als Attribut der Kapellenpatronin Maria Magdalena und Salzkörbe als Symbol für die Salzstadt Halle oder die hallische Saline. Das Wappenbild bekundet möglicherweise die Absicht Ernsts, das zu gründende Stift mit erzbischöflichem Solgut zu dotieren.8)

Textkritischer Apparat

  1. ECCLESIE] CC und vielleicht auch der Schaft des L nach teilweisem oder gänzlichem Verlust nur aufgemalt. Am L ein oberer Balken erkennbar. Schreibung nach zeitgenössischer Gepflogenheit.
  2. et] Olearius: et-Ligatur.
  3. Magdalenae] Kein Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Wegen der Anbringungshöhe war keine Nahbetrachtung und Vermessung möglich.
  2. Olearius 1667, S. 24; vgl. auch Dreyhaupt 1, 1749, S. 845: „im dreyßigjährigen Kriege geraubet“.
  3. Wegen der Anbringungshöhe war eine exakte Vermessung nicht möglich.
  4. Durch Kreuz geviert, 1/4. drei Salbgefäße 2:1, 2/3. drei Salzkörbe 2:1.
  5. Vgl. DI 7 (Stadt Naumburg), Nr. 205.
  6. Zur Baugeschichte s. Einleitung, S. XXVIII f.
  7. Zur Geschichte der Maria-Magdalenen-Kapelle und des Neuen Stifts s. Einleitung, S. XV f., XX f., XXVIII.
  8. Vgl. Scholz 1998, S. 180 f.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 24 (B).
  2. Dreyhaupt 1, 1749, S. 845 (B).
  3. Knauth 1853, S. 50 (B).
  4. Wind 1927, S. 54 (A).
  5. Krause 1991, S. 304 (A).
  6. Krause 1999, S. 11 (A).
  7. Mock 2007, S. 177 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 90(†) (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0009000.