Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 62 Beesen, Elisabethkirche 1491

Beschreibung

Glocke;1) von den Kanten des Mittelöhrs Kreuze gratförmig auf die Platte gezogen. Die Kreuzenden kugelförmig abgeschlossen. Auf der Schulter zwei Stege, unter der Schulter zwei Stegpaare; am unteren elf Weinblätter angehängt. Zwischen den Stegpaaren eine umlaufende erhabene Inschrift mit Angabe der Glockenfunktion als Glockenrede. Vor dem ersten Buchstaben ein breit gerahmtes Rundmedaillon mit einer als Halbfigur wiedergegebenen Mondsichelmadonna (D.: 6,3 cm). Am Wolm zwei Stege.

Maße: H.: 83,5 cm; D.: 105,5 cm; Bu.: 6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal der gotischen Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. Co(n)svlora) viva fleo mortva fvga nociva 1491

Übersetzung:

Ich tröste, was lebendig, beweine, was gestorben, (und) verjage, was schädlich ist. 1491

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Die Buchstaben haben einen sehr breiten Strich. Ihre schwerfälligen Formen gleichen denen der gleichlautenden Inschrift auf einer Glocke in Elsdorf bei Köthen, die zudem dieselbe Verschreibung des ersten Wortes und ebenfalls eine auffällig verknappte Jahreszahl (Minderzahl in römischen Zahlzeichen) hat.2) Die Weinblätter unter der Schriftzeile weisen beide Glocken dem sogenannten Hallischen Gießer zu, auch wenn die Beesener keine andere der für die Werkstatt typischen Einzelformen zeigt. Doch ist insbesondere das Fehlen des namensgebenden hallischen Stadtwappens wiederum typisch für die im späten 15. Jh. geschaffenen Glocken des Gießers.3) Dieser hat sechs Jahre später noch eine Glocke für Beesen gegossen, der ebenfalls das Wappen fehlt (Nr. 66).

Glocken von 1483, 1485 und 1501, die dem Gießer zugewiesen werden, tragen Marienmedaillons, die aber anders ausgebildet sind – wenn die publizierte, unbeholfen anmutende Zeichnung nicht täuscht.4) Jüngere Werke des Meisters von 1507, 1508 und 1518 zeigen auch Marienreliefs auf der Schriftzeile,5) die aber nicht veröffentlicht sind und folglich mit dem Beesener Relief nicht verglichen werden können. Daher konnte nicht festgestellt werden, ob es sich bei dem qualitätvollen Marienmedaillon von Beesen um ein typisches Schmuckelement des Hallischen Gießers handelt.

Der Inschrift zufolge könnte die Glocke auch bei Leichenbegängnissen und zur Vertreibung von Unwettern geläutet worden sein (vgl. Nr. 39).

Textkritischer Apparat

  1. Consvlor] Sic! Für Consolor. Das C mit Strich geschlossen und einem sehr breiten, innen kreisförmig geschlossenen Bogen, dessen äußere Kontur in der Mitte spitz zuläuft.

Anmerkungen

  1. Gewicht 658 kg, Schlagton as; nach Notiz am Glockenstuhl.
  2. Schubart 1896, S. 212 f. (1483).
  3. Vgl. DI 62 (Lk. Weißenfels), Nr. 86. Die Beesener Glocken von 1491 und 1497 verengen eine noch in DI 62 festgestellte Überlieferungslücke.
  4. Schubart 1896, S. 163 f., 212 f., 327 f.
  5. BKD Prov. Sachsen 8, S. 21, 76, 205.

Nachweise

  1. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 449.
  2. Nottrott 1899, S. 72 (unvollständig).
  3. Ragotzky 1918, S. 54 (unvollständig).
  4. Reinicke 2006, S. 45.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 62 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0006203.