Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 59† Barfüßerkirche † 1487

Beschreibung

Bauinschrift, an die hölzerne Decke der Kirche gemalt, spätestens bei Abbruch der Kirche 1828 verlorengegangen. Die Schriftform ist nicht bekannt.

Nach Olearius 1667.

  1. Anno Domini 1487. post festum divae Virginis consummata est ipsa pars media Ecclesiae per Johannem de Dracksted.a)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1487, nach dem Fest der heiligen Jungfrau ist der mittlere Teil der Kirche durch Johannes von Drachstedt vollendet worden.

Kommentar

Das Kircheninnere wurde von einer Holzdecke („laquear“) überspannt,1) die während der Bautätigkeit in der zweiten Hälfte des 15. Jh. teilweise oder gänzlich erneuert worden war.2) Der Tag der Fertigstellung könnte auf eines der Marienfeste gefallen sein, die in der für Baumaßnahmen günstigen Jahreszeit zwischen März und November lagen, wie Mariae Verkündigung (25. März), Heimsuchung (2. Juli) oder Himmelfahrt (15. August).3)

Die inschriftliche Schreibung des Familiennamens Dracksted ähnelt jener frühen Form „Drakenstedt“, die Dreyhaupt an anderer Stelle belegt findet. Die Präposition de bezeichnet vermutlich die Herkunft der Familie aus Drackenstedt bei Magdeburg4) und nicht den Adelsstand; in den von 1401 bis 1460 geführten Schöffenbüchern tragen die Drachstedt jedenfalls kein Adelsprädikat.5) Der Genannte ist entweder Johann (oder Hans), der Stammvater der in Halle weitverzweigten ratssässigen Familie Drachstedt, oder dessen Sohn Hans. Obwohl Johann schon 1443 und 1449 als Oberbornmeister und 1447, 1453 und 1462 als Ratskämmerer erwähnt wird,6) könnte er mit dem gleichnamigen Mann der vorliegenden Inschrift identisch sein, da er doch 90 Jahre alt geworden sein soll.7) Der jüngere Hans wird noch 1501 mit seinen Brüdern Alexander, Busso und Heinrich erwähnt,8) deren Nachkommen in zahlreichen hallischen Inschriften anzutreffen sind. Die Gleichsetzung mit einem der erwähnten Männer aus der Familie Drachstedt – allesamt Laien – setzt aber voraus, daß dieser als Stifter genannt wird, was aus der Inschrift selbst nicht zweifelsfrei erschlossen werden kann.

Textkritischer Apparat

  1. Dracksted] Drachsted Olearius 1666.

Anmerkungen

  1. Olearius 1666, 94.
  2. Zur Barfüßerkirche s. Einleitung, S. XXV f.
  3. Vergleichbare Bautermine s. Nr. 13, 34, 36, 37.
  4. Vgl. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 30 („Geschlechts-Register derer Drachstädte“).
  5. Vgl. Schöffenbücher 2, 1887.
  6. StAH H B 2, S. 23, 25 f., 28, 33; Dreyhaupt 1, 1749, Beylage A, S. 86; Spittendorff 1880, S. 511–513, 515.
  7. Dreyhaupt 2, 1750, Beylage B, S. 30 f. („Geschlechts-Register derer Drachstädte“).
  8. Vgl. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1045 f. (Nr. 333).

Nachweise

  1. Olearius 1666, S. 94.
  2. Olearius 1667, S. 212.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 59† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0005903.