Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 54 Giebichenstein, Bartholomäuskirche 1483

Beschreibung

Grabplatte aus Sandstein für Andreas Ber(.)ner (?), an der äußeren Ostwand der Kirche in ca. 3 m Höhe angebracht. Auf einer mit kräftigem Stabwerk vom Binnenfeld abgegrenzten umlaufenden Schriftzeile ein erhaben ausgeführter Sterbevermerk. Im reliefierten Binnenfeld ein bartloser Mann mit langem Haupthaar und bekleidet mit einer Schaube, in der rechten Hand ein Beutelbuch haltend. Über seiner linken Schulter vermutlich eine Sendelbinde. Seine seitwärts gedrehten, in angedeuteter Schrittstellung wiedergegebenen Füße auf einer Konsole. Beschädigungen am Rand und im linken unteren Bereich. Die ungewöhnliche Aufrauhung der gesamten Grundfläche deutet auf eine nachträgliche Bearbeitung hin.

Maße: H.: ca. 150 cm; B.: ca. 90 cm; Bu.: 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der gotischen Majuskel.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) (Gunnar Preuß) [1/1]

  1. Anno · d(omi)nia) // M° · cccc° · lx/xxiii · am · dornsta//geb) · lamperti · ist · verscheyden · / andre//asc) · ber[.]nerd) / [- - -]her [.] [- - -]e) gebichinstein · an · der · pestilentz

Datum: 1483 September 18.

Kommentar

Das linksschräg ausgeführte unziale M weist geschwungene schwellende Bögen auf. Das untere Ende des rechten Bogens und des Mittelschafts ist nach links umgebrochen.

Der Verstorbene, offensichtlich ein Gelehrter, war bislang nicht zu identifizieren. Das Kleidungsstück, das auf seiner Schulter liegt, ist vermutlich eine Sendelbinde1) als Teil einer Kopfbedeckung, die am Rücken herabhängt. Ähnlich ist ein Kleidungsstück, das ein 1503 gestorbener bürgerlicher Mann aus St. Goar trug.2) Die Form der Kopfbedeckung und ihre Trageweise über der Schulter veranschaulichen vielleicht zwei Beispiele spätmittelalterlicher Gelehrtenkleidung, die Andrea von Hülsen-Esch veröffentlicht hat.3) Es handelt sich bei beiden Gelehrten um Juristen.4) Andreas Ber(.)ner ist wahrscheinlich am Tag nach dem Festtag des hl. Lambertus, dem 17. September, gestorben, der im Jahr 1483 ein Mittwoch war.

Textkritischer Apparat

  1. domini] Danach Unterbrechung der Schriftzeile durch das Haupt des Verstorbenen.
  2. dornstage] Zwischen vorletzter und letzter Silbe Unterbrechung der Schriftzeile durch den Ärmel des Verstorbenen.
  3. andreas] Die letzte Silbe durch die Konsole abgetrennt.
  4. ber[.]ner] Lesung unsicher. Lesevorschlag Dr. Hans Fuhrmann, Halle (Saale): verener.
  5. [- - -] Erkennbar fünf Schäfte, zuletzt wahrscheinlich m oder n.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kühnel 1992, S. 235 (Harry Kühnel).
  2. Vgl. DI 60 (Rhein-Hunsrück-Kreis 1), Nr. 150; Taf. 52, Abb. 150; freundlicher Hinweis von Dr. Rüdiger Fuchs, Mainz.
  3. von Hülsen-Esch 2006, Abb. 93, 181 mit Darstellungen barhäuptiger Adoranten.
  4. Ebd., S. 233, 330.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 54 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0005401.