Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 51† Roter Turm 1480

Beschreibung

Einst größte Glocke der Stadt Halle,1) beim Brand des Turmes 1945 zerstört. Unter der Schulter eine erhaben ausgeführte Weiheformel mit Jahresangabe. Reicher figürlicher Schmuck: „Zwischen jeden Wort stehet ein sonderlich klein Bild von Adam und Eva; auff denen Seiten aber“,2) d. h. auf der Flanke, das Relief einer Kreuzigungsgruppe sowie Maria mit Kind und drei heilige Jungfrauen, eine mit Schwert, eine mit Zepter und Buch und eine mit Kreuz, auf einem Ungeheuer reitend.3) Die Schriftzeile von gewundenem pflanzlichen Ornament eingefaßt; unter der Schriftzeile ein Fries aus überschneidenden und kleinteilig ausgeschmückten Kielbögen, an dessen gestaffelten Enden symmetrisch gegliederte Blatt- oder Blütenornamente hängen.

Nach BKD Prov. Sachsen NF 1.

Maße: D.: 213 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) (LK.) [1/1]

  1. anno · domini m · cccclxxx · mit · der · hulfe · gotis · und · in · der · ere · unser · liben · fraven ·

Kommentar

Man kann wohl davon ausgehen, daß diese Glocke aus jener hervorgegangen ist, die nach Gottfried Olearius 1466 dreimal für den Roten Turm, den neuen Glockenturm der Marienkirche,4) gegossen wurde. Die erste Glocke sprang, ein Neuguß mißlang. Erst der dritte Versuch in demselben Jahr brachte eine brauchbare Glocke hervor. Diese hatte auffälligerweise dasselbe Gewicht wie die Glocke des Jahres 1480.5) Eine historische Fotografie läßt erkennen, daß der unbekannte Gießer ein Werk von hoher Qualität geschaffen hatte. Franz Knauth weiß noch 1853 zu berichten, daß man diese größte Glocke Halles seit 1499 dreimal täglich als „Betglocke“ läutete. Dafür wurde von jedem Grundstück eine Abgabe erhoben.6)

Anmerkungen

  1. Gewicht 6500 kg, Schlagton es; Grothe 2003, o. S.
  2. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1016.
  3. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 289. Wahrscheinlich die populären Heiligen Barbara, Katharina und Margareta.
  4. Zu Baugeschichte und Funktion des Roten Turmes s. Nr. 11, 22.
  5. Olearius 1667, S. 199, 209 (Gewicht 130 Zentner). Dreyhaupt 1, 1749, S. 1016 nimmt ein Umgießen der dritten Glocke von 1466 an.
  6. Knauth 1853, S. 34, 60.

Nachweise

  1. Olearius 1667, S. 209.
  2. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1016.
  3. Stiebritz 2, 1773, S. 35.
  4. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 289.
  5. Neuß 1947, S. 19.
  6. Grothe 2004, S. 67.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 51† (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0005100.