Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 45 Schmeerstraße 2 1471

Beschreibung

Quader oder Platte aus Sandstein mit erhabener Bauinschrift, an der Nordecke der Fassade des dreigeschossigen Hauses in etwa 5 m Höhe zwischen erstem und zweitem Geschoß eingelassen und durch ein (ursprüngliches?) Gesims überdacht. Schon 1679 war der Familienname des Bauherrn nicht mehr lesbar; 1933 heißt es, daß wegen des Alters der Inschrift „die letzten Worte nicht ganz deutlich zu lesen“ seien.1) Heute (2009) hingegen sind gerade das Ende der vorletzten und die letzte Zeile mit dem Namen des Bauherrn besser erhalten als die übrigen Teile der Inschrift, was nur auf eine partielle Erneuerung zurückgeführt werden kann. Die erneuerten Partien lassen sich im gegenwärtigen, kräftig überstrichenen Zustand jedoch kaum präzise abgrenzen.

Maße: H.: ca. 40 cm; B.: ca. 60 cm; Bu.: ca. 5–6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/1]

  1. a(n)no · d(omi)ni · m° · cccc° · lxxj · / p(a)paa) · paulo · frede(r)icob) ·im/p(er)ato(r)e · ac · ioha(nn)ec) · archi/(ep)i(sco)po · magdeb(ur)g(e)n(si) ·laure(n)/ciu(s)d) · prelwisze) · fu(n)dauit

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1471, zur Zeit des Papstes Paul, des Kaisers Friedrich und des Erzbischofs Johannes von Magdeburg legte Lorenz Prellwitz den Grundstein (dieses Hauses).

Kommentar

Zwischen den schmucklosen Buchstaben stehen rautenförmige Worttrenner. Als Kürzungszeichen dienen Striche und Quadrangel über dem Mittellängenbereich.

Friedrich III. herrschte als Kaiser von 1452 bis 1493, Johannes von der Pfalz-Simmern war Erzbischof von Magdeburg von 1466 bis 1475.2) Die Amtszeit Papst Pauls II. grenzt den Zeitpunkt der Grundsteinlegung ein. Er wurde am 30. August 1464 gewählt und starb am 28. Juli 1471. Die Grundsteinlegung erfolgte demnach vermutlich im zweiten Quartal des Jahres 1471, d. h. nach dem Ende der Frostperiode und vor dem Tod des Papstes.

Als Lorenz Prellwitz das Haus „Zum goldenen Schlößchen“ teilweise oder gänzlich von Grund auf neu errichten ließ, hatte es bereits eine Geschichte, die sich bis zum Jahr 1412 zurückverfolgen läßt.3) In den 1470er Jahren entstand sicherlich auch jene mit Kielbogen, Fialen und Kreuzblume abgeschlossene Nische an der Fassade, in der u. a. das Hauszeichen, ein Vorhängeschloß, vollplastisch dargestellt ist. Abgesehen von der inschriftlichen Nachricht ist die Baugeschichte des Hauses ungeklärt; die Fassade wurde wohl in der ersten Hälfte des 19. Jh. im Stil der Neugotik umgestaltet.4)

Der Bauherr und Kaufmann Lorenz Prellwitz entstammte einer alten, schon im 14. Jh. nachweisbaren hallischen Familie5) und ist zwischen 1461 und 1467 dreimal als Ratsmitglied bezeugt. Bei der Neuverteilung von Solgut durch Erzbischof Ernst von Sachsen im Jahr 1479 erhielt auch Prellwitz Anteile; er wird aber noch in demselben Jahr als verstorben erwähnt.6) Er ist Vater oder Großvater7) jener Margarete Prellwitz, die Martin Schenitz ehelichte und 1499 einen Sohn gebar, der traurige Berühmtheit erlangen sollte – Hans (von) Schenitz (s. Nr. 132).

Textkritischer Apparat

  1. papa] Die Konsonanten als Nexus litterarum.
  2. frederico] Verschmelzung der Fahne des r mit dem Schaft des folgenden e sowie des zweiten e-Bogens mit dem oberen Schaftende des i. Friedrico Weise, vom Hagen, Gedenktafel 1909; Friederico Knauth, Runde; fredrico BKD Prov. Sachsen NF 1; Friderico Hallische Inschriften, Weiske, Schultze-Galléra 1920, Schultze-Galléra 1931, Harksen; Friederiko Loening.
  3. iohanne] Joanne Weise, vom Hagen, Gedenktafel 1909, Schultze-Galléra 1920, Weiske, Schultze-Galléra 1931, Runde, Loening, Harksen.
  4. laurencius] Am Ende kein Kürzungszeichen. lauptius (mit Kürzungsstrich über dem ersten u) BKD Prov. Sachsen NF 1; laurentius Olearius, Weise, vom Hagen, Gedenktafel 1909, Weiske, Schultze-Galléra 1920, Schultze-Galléra 1931, Runde, Loening, Harksen.
  5. prelwisz] Da die Schriftzeile wahrscheinlich vollständig erneuert worden ist, muß die vorliegende Schreibung nicht der ursprünglichen entsprechen. Pretwicz Weise; prelwicz Hallische Inschriften, Knauth, vom Hagen, BKD Prov. Sachsen NF 1, Gedenktafel 1909, Schultze-Galléra 1920, Weiske, Schultze-Galléra 1931, Harksen; prelwitz Loening.

Anmerkungen

  1. Olearius 1679, S. 35; Runde 1933, S. 39, Anm. 1.
  2. Zu Erzbischof Johannes s. Gatz 1996, S. 343 f. (Alois Schröer).
  3. Schultze-Galléra 1920, S. 228–230; Schultze-Galléra 1931, S. 15 f.; Stephan/Wulf 1999, S. 31 f.
  4. Vgl. Brülls/Honekamp 1996, S. 428; Dehio 1999, S. 295.
  5. Vgl. Schöffenbücher 1, 1882, S. 378 (Nr. 1404), 399 (Nr. 1).
  6. StAH H B 2, S. 32, 34 f.; Spittendorff 1880, S. 501, 515–517. Zu den Ereignissen der Jahre 1478 und 1479 s. auch Einleitung, S. XIV.
  7. 1506 hat ein Lorenz Prellwitz den Hieronymusaltar in der Gertrudenkirche gestiftet; Dreyhaupt 1, 1749, S. 1017, 1046 f. (Nr. 334); siehe auch Schultze-Galléra 1931, S. 17.

Nachweise

  1. Olearius 1679, S. 35.
  2. Weise 1824, S. 148.
  3. Hallische Inschriften 1835, S. 372.
  4. Knauth 1857, S. 669.
  5. vom Hagen 1, 1867, S. 180.
  6. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 365.
  7. Gedenktafel 1909, o. S.
  8. Schultze-Galléra 1920, S. 229.
  9. Weiske 1930, S. 34.
  10. Schultze-Galléra 1931, S. 16 f.
  11. Runde 1933, S. 39.
  12. Loening 1954, S. 24.
  13. Harksen 1961, S. 1091.
  14. Stephan/Wulf 1999, S. 32.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 45 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0004502.