Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 21 Moritzkirche um 1416 (?)

Beschreibung

Skulptur einer Schmerzensmutter aus Sandstein, heute an der Nordostseite des nördlichen Nebenchores aufgestellt. Ein in schweren Falten fallender Mantel verhüllt die Figur und ist auch über das in Trauer gesenkte Haupt gezogen. Die Trauernde hat den Mantel mit beiden Händen vor der Brust zusammengerafft und zum Gesicht geführt, um die Tränen zu trocknen. Hinter dem Kopf befindet sich ein runder, mit konzentrischen Kanneluren versehener Nimbus. An dem hohen fünfseitigen Sockel ein Meistervermerk eingehauen und eine gestückelte Schlange in flachem Relief abgebildet. Der Sockel beschädigt; Fassungsreste.

Maße: H.: 217 cm; B.: 60 cm; T.: 35 cm; Bu.: 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal der gotischen Majuskel.

  1. Conra[dus · me · f]ecit ·

Übersetzung:

Conrad hat mich gemacht.

Kommentar

Die ergreifende Skulptur gehört zu einer Gruppe von fünf signierten Bildhauerarbeiten Conrads von Einbeck (Nr. 19, 20, 23, 24),1) von denen drei auch datiert sind. Das Marienbild entstand vermutlich als Pendant zu dem Schmerzensmann, der inschriftlich auf 1416 datiert ist (Nr. 20). Die Schmerzensmutter entsprang dem Bedürfnis der Passionsmystik nach Verbildlichung der mitleidenden Gottesmutter. Ihre Gegenüberstellung zum Schmerzensmann steht in der Tradition des Dialogs zwischen Jesus und seiner Mutter auf dem Kreuzweg. Einzeldarstellungen der Maria sind allerdings selten.2) Der hier gewählte ikonographische Typus erinnert sehr an die Marienbilder der Kreuzigungsgruppen.3) Die Abbildung einer zertretenen Schlange am Sockel der Figur geht vielleicht auf einen Passus im Speculum humanae salvationis zurück, in dem es in Anlehnung an PsG 90,13 heißt, „super aspidem et basiliscum, tu, Maria, ambulabis“.4)

Anmerkungen

  1. Zu C. v. Einbeck s. Nr. 13. Zur vorliegenden Skulptur s. auch Michael Stuhr, in: Katalog Köln 2, 1978, S. 575 f.
  2. Vgl. LdK 6, 1996, S. 495–497.
  3. Gerstenberg 1929, S. 10 meint sogar, daß die Figur „von einer Kreuzgruppe allein übrig geblieben“ sei.
  4. Vgl. Schadendorf 1953, S. 102.

Nachweise

  1. Schubart 1662, fol. E1r.
  2. Olearius 1667, S. 196.
  3. Dreyhaupt 1, 1749, S. 1085.
  4. Büsching 1819, S. 391.
  5. Heydemann 1882, Sp. 21.
  6. BKD Prov. Sachsen NF 1, S. 134.
  7. Gerstenberg 1929, S. 11.
  8. Schadendorf 1953, S. 85.
  9. Schadendorf 1963, S. 36 (unvollständig).
  10. Soffner 1994, S. 18 (unvollständig).
  11. Bartusch 1998, S. 87 (Nr. 5).

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 21 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0002102.