Inschriftenkatalog: Die Inschriften der Stadt Halle an der Saale

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 85: Halle/Saale (2012)

Nr. 16 Marktkirchengemeinde E. 14./A. 15. Jh.

Beschreibung

Abendmahlskelch, Silber, vergoldet, mit rundem Fuß und geriffelter Zarge. Dem Fuß ein Kreuz mit gebogenen Armen eingraviert und ein plastischer Kruzifixus appliziert. Der Anlauf des Stilus beschädigt und seitlich verdrückt. Am runden Stilus über und unter dem knaufähnlichen, sechsstrahligen Nodus Manschetten mit Bibelzitat als Fürbitte (B). Die Zungen des Nodus mit Blendmaßwerk belegt, die Rotuli als aufrecht stehende Rauten gebildet. Auf den Rotuln ein Nomen sacrum (A). Sämtliche Inschriften graviert.

Maße: H.: ca. 17 cm; D.: 10,4 cm (Kuppa), 13 cm (Fuß); Bu.: 1,1 cm (A), 0,7 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der gotischen Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    i // e // s // v // sa)

  2. B

    Secvndvm · mangb) // Miserere · meyc) de(vs)1)

Übersetzung:

B Nach (deiner) großen (Barmherzigkeit) erbarme dich meiner, Gott.

Kommentar

Die Inschriften sind sehr sorgfältig und regelmäßig ausgeführt. Den unteren Schaftenden des e und des als Schaft-s ausgeführten s in Binnenstellung – beide in Inschrift A – entwachsen dreigliedrige Blätter mit Schattenschraffuren. Auch de und g zieren Schattenschraffuren. Das obere Ende des linken Bogenabschnitts der Buchstaben a und d ist gespalten. An vielen Buchstaben beider Inschriften ist ein perlartiger Besatz. Die Großbuchstaben sind auf den Mittellängenbereich der Schriftzeile begrenzt. Kreuzschraffuren bedecken die Flächen der Schriftzeilen und der Rotuli. Die beiden Worttrenner in B haben die Form eines Paragraphzeichens bzw. einer vierblättrigen Blüte mit rautenförmigem Umriß.

Die Ausformung von Fuß und Nodus und die Form der Kreuzarme des gravierten Kreuzes, die an die im 14. Jh. verbreiteten sogenannten Gabelkreuze erinnert,2) legt eine Datierung des Kelches um 1400 nahe. Die Gotische Minuskel ist in Halle schon bald nach 1388 belegt (vgl. Nr. 13, 14).

Textkritischer Apparat

  1. Den sechsten Rotulus ziert ein kreuzähnliches Ornament.
  2. mang] Sic! Für magnam, zu ergänzen ist misericordiam tuam.
  3. mey] Der dritte Buchstabe gleicht einem Minuskel-r mit einem von der Fahne bis zum unteren Ende des Schafts herabgezogenen Zierstrich.

Anmerkungen

  1. Liturgischer Text nach PsG 50,3; vgl. CAO III, Nr. 4845.
  2. Zum Gabelkreuz s. LdK 5, 1996, S. 72 f.

Zitierhinweis:
DI 85, Halle/Saale, Nr. 16 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di085l004k0001601.