Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 270† St. Andreas 1630

Beschreibung

Werkstein; ehemals am südlichen Flügel des Klostergebäudes;1) mit der Weihenachricht in einer Minuskelschrift mit Versalien.2)

Text nach Arndt.

  1. D(eo)a) O(ptimo) M(aximo) / B(eatae)b) Mariae virgini seraphico Francisco hanc domvm poni cvravit praenobile revendvmc) et gratiosvm capitvlvm cathedralis ecclesiae halberstadiensis.d) Anoe) salvtis M.D.C.XXX.

Übersetzung:

Daß dieses Haus dem allerhöchsten Gott, der heiligen Jungfrau Maria, dem Franciscus Seraphicus geweiht werde, dafür hat das hochedle, ehrwürdige und gnädige Kapitel der Halberstädter Domkirche gesorgt. Im Jahre des Heils 1630.

Kommentar

Eine Erneuerung der Klostergebäude veranlaßt durch das Domkapitel, so wird diese Inschrift, zu der sich eine weitere Jahreszahl an der Ostseite des Gebäudes gesellt (vgl. Nr. 269 †), von der Forschung bisher gedeutet.3) Über Baumaßnahmen erfahren wir aber aus anderen Quellen nichts.4) Eine solche Bedeutung der Nachricht ist auch deshalb unglaubwürdig, weil man dann annehmen müßte, das Domkapitel habe für die Franziskaner die Baulast übernommen. Wären die Klostergebäude tatsächlich 1630 erneuert worden, stünde wohl heute ein völlig anderer Bau an dieser Stelle.

Die späten zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts waren eine Zeit ständig wechselnden Kriegsglücks für die Parteiungen im Dreißigjährigen Krieg gewesen, in der auch die Nutzung von Kirchengebäuden dauernd wechselte. In der fortgeführten Chronik des Johannes Winnigstedt und weiteren zeitgenössischen Quellen heißt es, daß am 15. Januar 1627 der Prediger von St. Johannes, Magister Jonas Siegfried,5) „die Valet-Predigt in der Baarfüßer Kirche“ also im Franziskanerkloster gehalten habe, „welche die Münche auch wieder occupiert“.6) Im Herbst 1628 sollen die Franziskanermönche die evangelische Gemeinde von St. Johannes, die schon seit 1564 ihren Gottesdienst in St. Andreas hielt, wieder aus dem Kirchengebäude vertrieben haben und die Gemeinde mußte ihren Gottesdienst bis zur Zerstörung der Johanneskirche 1631 wieder „draussen zu S.Johannis“7) halten, also in ihrem alten eigenen Kirchengebäude, das – in Kriegszeiten unsicher – vor der Stadtmauer lag.

Da aber weder vor noch nach der Übernahme durch die Franziskaner etwas über Baufälligkeit der Klosterkirche bekannt ist, bleibt die Vermutung wahrscheinlich, daß es sich entweder nur um eine geringe Bautätigkeit gehandelt hat, oder noch wahrscheinlicher, daß der Begriff ponere in der Form domum poni curare nicht mit „dafür sorgen daß die Kirche gebaut werde“, sondern durch „dafür sorgen, daß die Kirche geweiht werde“ zu übersetzen ist, daß also das Domkapitel dafür gesorgt habe, daß die Andreaskirche erneut feierlich katholisch geweiht wurde.8) Entsprechend einer Weihenachricht ist auch das einleitende Formular der Inschrift, das nach Auskunft der vorliegenden Editionen wohl eine eigene Zeile beanspruchte, gestaltet. Eine Weihe wird aber kaum in der ersten Jahreshälfte 1630 stattgefunden haben, da erst am 15. Juni des Jahres das päpstliche Breve ausgestellt worden war, das dem katholischen Bischof Leopold Wilhelm das Bistum Halberstadt zusprach und in dessen Folge vermutlich der Bischof dann die Handlung vorgenommen hätte.9)

Textkritischer Apparat

  1. Deo] Wie die zwei folgenden Wörter durch einen Punkt gekürzt.
  2. Beatae] Das Wort war durch einen folgenden Punkt gekürzt.
  3. revendvm] Sic! Lectio difficilior. Vermutlich war die Inschrift durch einen Kompendienstrich, der vom Herausgeber nicht angezeigt wurde, gekürzt. Die Auflösung lautet reverendvm; reverendum Scheffer, BKD.
  4. halberstadiensis] halberstadensis BKD.
  5. Ano] Vermutlich war die Inschrift durch einen Kompendienstrich, der vom Herausgeber nicht angezeigt wurde, gekürzt. Die Auflösung lautet An(n)o.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 422.
  2. Nach der Wiedergabe bei Arndt 1907, S. 107; Scheffer 1864, S. 29; BKD, S. 422.
  3. Scheffer 1864, S. 29; BKD, S. 422; Arndt 1907, S. 107; Todenhöfer 2010, S. 74.
  4. Vgl. ebd.
  5. Arndt 1907, S. 200.
  6. Abel 1732, S. 442 zu 1628; siehe auch Schrader 1973 b, S. 124–127; BKD, S. 369; so auch Rätzell 1848, S. 10; vgl. auch Nr. 276 †.
  7. Abel 1732, S. 442; siehe auch Derling 1748, S. 61 f.; Rätzell 1848, S. 10.
  8. Siehe zur Bedeutung Georges Bd. 2, Sp. 1771; Sleumer 1926, S. 617.
  9. Schrader 1973 b, S. 127.

Nachweise

  1. Scheffer 1864, S. 29.
  2. BKD, S. 422.
  3. Arndt 1907, S. 107.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 270† (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0027000.