Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 252 St. Martini 1619

Beschreibung

Epitaph für Moritz Blath; an der Westwand des südlichen Seitenschiffes über der Empore; Holz, Farbe; verschmutzt und verblichen, die Figuren in den seitlichen Nischen fehlen, wie vielleicht auch weitere Teile; zweigeschossig mit Rundbogengiebel, darin von zwei korinthischen Säulen flankiert, vor einer Gebirgslandschaft samt Stadtansicht gemalt die zentrale Darstellung einer Fons Pietatis, auf deren oberster Schale Christus mit dem Kreuz in der Linken zu sehen ist. Aus seiner Brustwunde fließt sein Blut in eine untere Schale, zu der viele Menschen unterschiedlichen Standes drängen. Davor als vollplastische Skulptur der Verstorbene, mit einem Bein auf der Sockelfläche kniend, barhäuptig, mit Halskrause, Mantel, Wams und gerafften Hosen bekleidet, auf das Gnadenbild weisend. Auf einer Kartusche in der Sockelzone verläuft zeilenweise, gold auf Schwarz aufgemalt, die Gedenkinschrift mit Setzungsvermerk. Darunter ein reichgeschnitzter Unterhang.

Maße: H. ca. 220 cm, B. ca. 240 cm, T. ca. 60 cm.

Schriftart(en): Fraktur, Teile in humanistischer Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/4]

  1. Den erbarn vnd wolgeachten Mauritz Blathen geborn am tage Tho=/mae Anno 1537 vnd gestorben den 25 Ianuarii Anno 1619, seines alters 82 Jahr / weiland burgern alhie vnd vmb gemeines, besten, Kirchen schulen vnd armut / wola) verdienten man haben die Zur Zeit herren Groskemmerer , Baumei/[ster] vnd worthalter seine verordnete Testamentarien dieses Epitaphium / zu stetwerender gedechtnüs setzen laszen .

Kommentar

Diese Fraktur zeigt nur Ansätze von Schwellzügen, fast keine Unterlängen, außer bei den der humanistischen Minuskel ähnlichen Formen. Die Oberlängen der Schäfte verlaufen fast alle leicht nach rechts gebogen. Nur in einstöckiger Form findet sich a, das eine leichte Bogenauflösung durch Brechung aufweist. Der Schaft des b wird stärker nach rechts umgebogen und läuft dünn aus. Auch das c läßt leichte Anklänge an eine Bogenbrechung erkennen. Ohne eine nennenswerte Oberlänge kommt das d aus. Der obere Bogen wird nach rechts umgebogen. Der geschlossene Bogen des e ist sehr klein. Der Schaft des g wird knapp unter der Grundlinie nach links umgebogen und verläuft dann waagerecht und geschwungen. Leichte Anklänge an die gotische Minuskel läßt das h vermuten. Der Bogen ist spitz zulaufend geformt. Der Schaft des k wird nach rechts und unten umgebogen. Die obere Schräghaste ist leicht gespalten. Brechungstendenzen weist auch das o auf. Ein angesetztes Quadrangel bildet die Fahne des r. Das Schaft-s ist der am stärksten frakturbeeinflußte Buchstabe. Die rechte Haste des v verläuft geschwungen, die linke gerade. Die Form einer 3 hat das z. Die Majuskelbuchstaben B, M und G sind in der Art der Schreibfraktur verschlungen.

Die Darstellung Christi im zentralen Gemälde des Epitaphs gehört zu denjenigen der Fontes Pietatis oder Fontes Vitae, der Gnaden- oder Lebensbrunnen, die – seit dem späten Mittelalter entwickelt – in die protestantische Vorstellungswelt übernommen worden waren.1)

Dem Salvator- und Elisabeth-Hospital ebenso wie vielen weiteren Kirchen und karitativen Einrichtungen in der näheren und weiteren Umgebung stiftete Moritz Blath in seinem im Jahr 1615 aufgesetzten Testament Land.2) Sein Name wird noch in einer Urkunde des Jahres 1686 in Form eines Toponyms erwähnt, als von einem Anwendel (Wendestelle) am Derenburgschen Fußstieg in Halberstadt die Rede ist, der „über Moritz Blatens Kamp“ verläuft.3) Gegen eine Zuschreibung des Werkes an Christoph Dehne spricht sich Ratzka aus.4)

Textkritischer Apparat

  1. wol] Lesung unsicher.

Anmerkungen

  1. Vgl. Zur Fons Pietatis bzw. dem Lebensbrunnen RDK 2, Sp. 952–954 (P. Thomas Stump und Otto Gillen); LCI Bd. 1, Sp. 310 (W[olfgang] Brückner); ebd., Sp. 333 f.; zur Entwicklung bis zur protestantischen Bildfindung Ohly 1985, S. 56 f.
  2. Niemann 1824, S. 61 mit Anm.*; Arndt 1898, S. 15; vgl. auch Nr. 178.
  3. UB St. Johann, Nr. 591 S. 495.
  4. Ratzka 1998 Bd. 1, S. 83.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 252 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0025202.