Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 227 Liebfrauen 1607

Beschreibung

Grabplatte für Joachim Christof von Britzke;1) an der Nordwand im Chor der Taufkapelle in 110 cm Höhe angemauert, am unteren Ende von zwei Eisenhaken gehalten; Sandstein, hell; Ränder bestoßen, sonst gut erhalten; Relief, ehemals farbig gefaßt, in einer sich nach oben verjüngenden Bogennische von geschweiftem Umriß frontal auf einer Konsole stehend ein Kleinkind in langem Gewand mit spitzenbesetztem Kragen und ebensolchen Manschetten, in den gefalteten Händen einen Strauß Rosmarin oder Buchsbaum haltend, in der Gewandmitte unterhalb der Hände werden die beiden seitlichen und der untere Kreuzarm eines Wiederkreuzes sichtbar, in den Zwickeln vier Vollwappen, am Rand zwischen eingehauenen Linien zweizeilig umlaufend der eingehauene Sterbevermerk (A), oben über und unter bzw. unten über den Wappen zwei- bzw. dreizeilig eingehauen die Wappenbeischriften (B). In den Vertiefungen teilweise noch Reste einer hellen Paste, die früher schwarz übermalt waren.

Maße: H. 88,2 cm, B. 65 cm, T. 16 cm, Bu. 2,8–3 cm (A), 1,5–2,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    ANNO : 1 . 6 . 0 . 7 . IST . DES · EHRW(ÜRDIGEN)a) EDL(EN)b) UND / EHRNVESTEN . HANS . GEORGEN . V(ON)c) · BRITZKEN . CANON(ICI)d) / UND SCHOLAST(ICI)e) DIESER · KIRCHEN / SEIN . SÖNLEINf) . IOACHIM · CHRISTOF · DEN · I · FEB(RUARII)g) // SONTAGS · ZWISCHEN . 9 . UND · 10 . UHR / DES · ABENTS · GEBORN · UND · DEN · I · IVL(II)h) MITWO/CHS · ZWISCHNi) · 3 · UND · 4 · UHR · FRÜ · AN/NI EIUSD(EN) GESTORBN . AET(ATIS)j) . S(UI)k) . 21 . WOCHN · 3 · TAGE .

  2. B

    . D(IE)l) . V(ON) . BRIT=/ZKEN .. // . D(IE)l) . // WRAM=/PEN . // . D(IE)l) . V(ON) . / HVNE=/KEN . // . D(IE)l) . V(ON) . / WEVER · =/LING · .

Wappen:
Britzke2)Wrampe3)
Hüneken4)Weferling5)

Kommentar

Es handelt sich um eine sehr exakt ausgeführte Kapitalis mit starken Serifen an Schaft-, Balken- und Bogenenden. Als Worttrenner und Kürzungszeichen verwendete man Quadrangel, Rauten und Dreispitze auf der Grundlinie und in der Zeilenmitte. Das A ist sehr ausgewogen proportioniert, das C durch starke Sporen an den Bogenenden fast geschlossen, der obere Bogenabschnitt ist weiter nach unten gezogen als üblich. Die linke Schaftseite des D ist leicht nach rechts durchgebogen. Das untere Bogenende des G ragt nach rechts über den Ansatz der Cauda hinaus. Während die obere Schräghaste des K gerade ist, verläuft die untere geschwungen. Der Mittelteil des M ist unregelmäßig eingezogen., die seitlichen Hasten sind schräggestellt. Die Serifen am unteren Schaftende des P sind stark ausgeprägt. Die Cauda des R ist geschwungen. U kommt in zwei Formen, unzial und spitz vor. W besteht aus zwei gleichhohen verschränkten V. Ähnliche Schriftformen hat die Grabplatte der von Frau von Heilingen geb. von Oberg, 1612 (Nr. 236). Handelt es sich um die gleiche Werkstatt?

Der Vater des Knäbleins, Johann – oder Hans – Georg von Britzke († 22. IX. 1622, vgl. Nr. 261 †), wird 1591 zwar schon als Scholaster von Liebfrauen in Halberstadt geführt, war aber vermutlich noch minderjährig oder wegen seines Studiums abwesend, da sein gleichnamiger Vater, Herr zu Knoblauch, zusammen mit dem ältesten Sohn Bartold, am 10. November des Jahres anläßlich einer notwendig gewordenen Teilung des Forstbesitzes zwischen den Familienlinien, seine beiden anderen Söhne, den Propst von Liebfrauen, Friedrich, und den Scholaster ebenda, Johann Georg, vertritt.6) Letzterer hat dann am 25. September 1594, also schon zehn Jahre vor der Reformation des Liebfrauenstiftes, Margarete von Wrampe geheiratet.7) Beider frühverstorbener vierter Sohn8) trägt vermutlich ein Taufkleid als Totenhemd oder aber ein Sterbekleid, das mit einem Wiederkreuz belegt ist sowie einen Rosmarin- oder Buchsbaumstrauß in Händen.9) Ähnliche Sterbekleider mit Wiederkreuzen darauf tragen die als Frühverstorbene dargestellten Kinder auf dem Bildepitaph für den Nordhäuser Bürgermeister Michael Meienburg von Lucas Cranach d. J. aus dem Jahre 1558 in der dortigen Blasiikirche, das die Auferweckung des Lazarus unter anderem mit umstehenden Reformatoren zeigt.10)

Textkritischer Apparat

  1. EHRWÜRDIGEN] Mittels folgendem Doppelpunkt gekürzt.
  2. EDLEN] Mittels folgendem Doppelpunkt gekürzt.
  3. VON] Mittels eines folgenden Punktes gekürzt.
  4. CANONICI] Kürzungszeichen fehlt.
  5. SCHOLASTICI] Mittels folgendem Doppelpunkt gekürzt.
  6. SÖNLEIN] Der dritte und vierte Buchstabe beschädigt.
  7. FEBRUARII] Mittels folgendem Doppelpunkt gekürzt.
  8. IVLII] Mittels folgendem Doppelpunkt gekürzt.
  9. ZWISCHN] Sic!
  10. AETATIS] Mittels folgendem Punkt gekürzt.
  11. SUI] Mittels folgendem Punkt gekürzt.
  12. DIE] Der Buchstabe zwischen zwei Punkten auf die Grundlinie gesetzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. BKD, S. 352 Nr. 18.
  2. Sechsstrahliger Stern, HZ: über einem Wulst aus einer dreizackigen Laubkrone hervorwachsend, drei Straußenfedern; vgl. Siebmacher AnhA, S. 11 Taf. 5; ebd. PrE, S. 30 mit Taf. 24.
  3. Drei zweizinkige Gabeln, HZ: zwischen Büffelhörnern die Gabel; vgl. Siebmacher SaA, S. 191 mit Taf. 124.
  4. Gespalten, vorn eine an den Teilungsstrich sich anlehnende halbe Lilie, hinten drei Samenkörner 2:1, HZ: über Wulst drei Straußenfedern; ebd. Pr, S. 181 mit Taf. 228.
  5. Fünf Rosen schrägrechtsgestellt, oben drei unten zwei Blätter daraus hervorwachsend, HZ: Büffelhörner; vgl. das abweichende Wappenbild bei Siebmacher SaA, S. 180 mit Taf. 117.
  6. Neumann 1900, S. 55 f.
  7. Ebd., Tab. II Nr. 13; Abel 1732, S. 427. So wohl der Name der von Neumann als Margarete von Krampe bezeichneten Gattin.
  8. Im Stammbaum, ebd., Tab. II nach Nr. 20, wird dem früh verstorbenen Kind wohl der mit „außerdem 1. Sohn“ bezeichnete Eintrag zukommen.
  9. Vgl. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Bd. 5, Sp. 1074; ebd. Bd. 7, Sp. 789; ebd. Bd. 1, Sp. 1695.
  10. BKD Nordhausen, S. 145 f. Für den Hinweis auf dieses Gemälde als Quelle danke ich meiner Kollegin Dr. Anneliese Seeliger-Zeiss, Heidelberg, herzlich.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 227 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0022709.