Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 223 St. Martini 1605

Beschreibung

Grabplatte oder Epitaph für den Prediger Daniel Sachse; an der Ostwand des südlichen Querhauses; Sandstein, hell; leichte Beschädigungen, einzelne Einschlüsse, Reste einer Farbfassung vorhanden, untere Leiste fehlt heute; im Binnenfeld unter einer rundbogigen, von schmucklosen Pilastern getragenen Arkade, die durch mit Rollwerkverzierungen und Diamantquadern geschmückte Gesimse gegliedert ist, in den Bogenzwickeln Engelsflüchte, stehend ein bärtiger Prediger in Birett, Halskrause, Schaube (Talar) und hochstehendem Kragen sowie in ein dreiviertellanges Untergewand mit durchgehender Knopfleiste gekleidet, die Hände über einem Buch gefaltet, am Rand einzeilig umlaufend der Sterbevermerk (A), am linken unteren Rand beginnend, auf einer Rollwerkkartusche im Kniebereich zeilenweise, die Buchstaben ehemals schwarz eingefärbt, das Gedicht (B), beide Inschriften eingehauen.

Maße: H. 183 cm, B. 97 cm, T. 20 cm, Bu. 4 cm (A), 2,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. A

    REVEREND(VS)a) · ET CLARISS(IMVS)b) · VIR D(OMINVS) · M(AGISTER)c) · DANIEL SACHSIVS, ECCL(E)SIAST(ICVS)d) · INSIGNIS ET ORTHODOX(VS)e) / PIIS OMNIB(VS)f) · CHARVS, AETATIS ⟨- - -⟩g) / SVAE 42 · PIE ETh) PLACIDE OBDORMIVIT INIi) · CHRISTO · 22 · IVN(II)j) · 6 · 0 · 5k)

  2. B

    A PVERO MVSAS COLVI , ET FLORENTIB(VS)l) · ANNIS /QVICQVID CONABAR DICERE VERSVS ERAT / INDE MEVM COLVI CHRISTVM / ET GRAVIORIB(VS)m) ANNIS / QVICQVID CONABAR DICERE CHRISTVS ERAT ,

Übersetzung:

A: Der ehrwürdige und hochberühmte Mann, Herr Magister Daniel Sachsius, ausgezeichneter und rechtgläubiger Pfarrgeistlicher, allen Frommen teuer, seines Alters 42, entschlief fromm und sanft in Christus, den 22. Juni [1]605. B: Von Kindheit an habe ich den Musen gedient und während meiner blühenden Jahre (der Jugend) war, was auch immer ich zu sagen versuchte, ein Vers; von da an habe ich meinem Christus (Gesalbten, Messias) gedient, und während meiner gesetzteren Jahre (im Alter), war, was auch immer ich zu sagen versuchte, Christus (der Gesalbte, der Messias).

Versmaß: Zwei elegische Distichen (B).

Kommentar

Es handelt sich um eine außergewöhnliche Kapitalisform. Die Bogenenden sind stark verbreitert; weniger stark ausgeprägt sind die Balken- und Schaftenden. Ungewöhnlich sind auch die Nexus litterarum TH und AN. Der Steinmetz war wohl sprachlich unsicher, wie aus der ungewollten Enklave LS in dem Wort ECCL(E)SIAST(ICVS) und aus den verkleinerten bzw. eingestellten E in PIE ET zu schließen ist. Auch die unregelmäßige Stärke der verschiedenen Buchstabenteile weisen darauf hin. A kommt nur in der spitzen Form und in verschiedenen Arten vor. So kann etwa die linke Haste rechtsschräg sein und die rechte gerade, aber auch symmetrische A kommen vor. Schmalere und breitere Proportionen wechseln ab. B weist starke Serifen an den Schaftenden auf. Der obere Bogen des B ist kleiner als der untere, die Bögen sind nach außen verstärkt. C weist eine unregelmäßige Wölbung auf und ist im oberen Abschnitt steiler, im unteren flacher gebogen. E zeigt einen stark verkürzten Mittelbalken und breite Balkenenden. Die Cauda des G ist angesetzt. H ist unregelmäßig, die rechte Haste fällt kleiner aus. Das Balkenende des L verläuft leicht rechtsschräg. Der Mittelteil des M wird verkürzt, die Schräghasten sind leicht durchgebogen, die Seitenhasten gerade. O wechselt von oval bis leicht spitzoval. Q zeigt am unteren Bogenabschnitt angesetzte Schleifen. Die Cauda des R ist geschwungen und läuft stachelförmig aus, der Bogen ist klein. Die Mittelbögen des S sind verstärkt. X besteht aus zwei gegengelagerten Bögen. Als Worttrenner verwendete man Quadrangel, zur Interpunktion Virgeln. Als i-Punkte kommen Quadrangel und Dreiecke vor. Die Grabplatte stammt aus einem Enstehungszusammenhang mit Nr. 225 sowie Nr. 266 und wurde mit dem Namen Werkstatt der Halberstädter Grabplatten H9 benannt.

Daniel Sachs oder Sachse wird nach einer Angabe bei Johannes Reineccius als einer von dessen Vorgängern als Domprediger genannt.1) Sachs hatte von 1592 bis 1601 die Oberpredigerstelle im Dom, diejenige in St. Martini zwischen 1601 und 1605 inne.2) Im Jahr 1600 jedenfalls hatte er bei seiner Leichenrede für den verstorbenen Domthesaurar Johannes von Britzke (siehe DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 235) im Dom derart vom Leder gezogen, daß er wegen seiner wiederholten Schmähreden vor dem Kapitel erscheinen mußte.3)

Textkritischer Apparat

  1. REVERENDVS] Kürzungszeichen fehlt, der erste Buchstabe beschädigt.
  2. CLARISSIMVS] Kürzungszeichen fehlt.
  3. DOMINVS MAGISTER] Kürzungszeichen fehlen.
  4. ECCLESIASTICVS] Kürzungszeichen fehlt. Das S ist über dem Balken des L eingeschrieben.
  5. ORTHODOXVS] Kürzungszeichen fehlt. Das X ist beschädigt.
  6. OMNIBVS] Kürzungszeichen fehlt.
  7. AETATIS] Nach diesem Wort folgt eine Freistelle von 14 cm.
  8. ET] E unter das T eingeschrieben.
  9. INI] Sic!
  10. IVNII] Kürzungszeichen fehlt.
  11. 605] Sic! Für 1605. Es folgt ein Ornament.
  12. FLORENTIBVS] Kürzungszeichen fehlt.
  13. GRAVIORIBVS] Das Kürzungszeichen am oberen Rand der Schriftzeile nur im Ansatz vorhanden.

Anmerkungen

  1. Reineccius 1624, III. Bericht an die Consulenten. Sachs wird auch in dem seinem gleichnamigen Sohn gewidmeten Artikel bei Zedler Bd. 33, Sp. 233 erwähnt; vgl. auch DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 235, 251.
  2. Arndt 1909 a, S. 189, 191.
  3. Opel 1869, S. 399.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 223 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0022301.