Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 158† Holzmarkt 8 † 1576

Beschreibung

Eckhaus zur Schmiedestraße; dreigeschossig vorkragend, mit abgewalmtem Dach, der an der Traufenseite auf einer Holzstütze ruhende Erker – daher der Name Stelzfuß – endete in einem verbreiterten Dacherker, der ein Pendant in einem Dachhäuschen am östlichen Ende des Baus fand, die Balkenköpfe der Schwellbalken waren mit Masken und verschiedenen Heiligenfiguren geschmückt,1) die Brüstungsplatten mit Blendbögen versehen, am Schwellbalken des ersten Geschosses die Spruchinschrift (A), „die auf der nach der Schmiedestraße gelegenen Seite des Hauses beginnt, um den Fuß des Erkers herumläuft und in zwei übereinander befindlichen Zeilen“2) endete, an der Schwelle des zweiten Geschosses die Bauinschrift mit Datumsangabe samt Sprucherweiterungen in Form einer Devise (B) und an derjenigen des dritten Geschosses befand sich wiederum eine Spruchinschrift (C).3)

Text nach Meßblatt und Arndt.

Schriftart(en): Kapitalis.4)

  1. A

    DA DISa) HAVS WAR ALT VND VNGESTALTHABE ICHS MVSSEN BAVWEN AVS NOT DAMIT ES NIMANT FALLE ZV DODT VND DV REDEST DAVON WI DIRS GEFETb) SO KOSTESc) MIR DAS MEISTE GELT HABE ICH / GEDORET SO BESSERE DICH ICH / BINS NICHT ALLEIN DEM WITZE / BRICHT5) WER IN DER WELT WOL LEBEN WIL DER FRVCHTEd) GOT VND HALT IM / STIL6) ER IST DER RECHTE KRIGESMAN7) / DER DIESEN SACHEN RATEN KAN DERe) CHRISTEN HERTZ IN ROSEN GET WENS MITTEN VNTERM CREVTZE STEDT8) / DAS CREVTZ IST BITTER DAS ENDE GVDT DRVBSAL DIE KRONE BRINGEN DVT9)

  2. B

    ALLEINf) GODT DIE ERE10) / AN(N)Og) · DOMMINIh) · 1576 · DENi) · 16 · APRILISj) HANS · ABEL BVWEDE DIS HAVS / DORCH DIE HVLFF GOTTES

  3. C

    ICH · HABES DEM · VOR GEBAVWET · DER MIRS NICHT HETTE · ZV · VERTRAVWET

Versmaß: 16 Deutsche Reimverse (A, C).

Kommentar

Die Inschrift A besteht aus mehreren Sinnsprüchen. Die sieben Verse am Beginn des Textes, die das Schicksal des Hauses, seine (Neu?) Entstehung und Tadel bzw. Neid der Mitmenschen thematisieren, kommen ähnlich in vielen Hausinschriften vor, ohne daß exakte Vorbilder benannt werden können.11) Es scheint sich aber – wie im weiteren Verlauf – um Kompilierungen zu handeln. Lediglich die Zeilen vier bis sieben der Inschrift A wurden in ähnlicher Weise im Jahr 1620 an einem Haus in Goslar angebracht.5) Für die folgenden acht Verse ließen sich Vorlagen unter den Spruchweisheiten, einmal auch die Anlehung an einen Bibeltext sowie einen Wahlspruch Luthers nachweisen, der jedoch ebenfalls 1576 vielleicht schon in den Sprichwortschatz eingegangen war.12) Eine Devise stellt auch die Einleitung der Inschrift B dar.13)

Der Bauherr, Hans Abel, ließ sich in den Quellen nicht nachweisen.

Textkritischer Apparat

  1. DIS] Mit Andrae und Schaefer gegen DAS Arndt.
  2. GEFET] Sic! Wohl für GEFELT; gefällt Scheffer; gefelt Andrae, Schaefer.
  3. KOSTES] Sic! kostet Scheffer.
  4. FRVCHTE] Sic! fvrchte Spohr.
  5. DER] Des Scheffer, Spohr.
  6. ALLEIN] Fehlt Scheffer.
  7. ANNO] Kürzungszeichen fehlt. A. D. Scheffer.
  8. DOMMINI] Mit Andrae und Schaefer gegen Scheffer.
  9. DEN] Fehlt Scheffer.
  10. APRILIS] April Scheffer.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 480. Eine ästhetisierende Beschreibung bei Stöwesand 1940 b, S. 24.
  2. Arndt 1910 a, S. 96. Die Richtungsänderungen des Schriftzuges und der Punkt der Aufspaltung in zwei Zeilen sind nicht mehr bestimmbar.
  3. Beschreibung nach Foto bei Kunze 2001, S. 7. Die Schriftverteilung der Inschrift B läßt sich auf alten Photographien noch erkennen.
  4. Nach Meßblatt 1912, H. 414 1766,6 und nach der Angabe bei Scheffer 1864, S. 16 „mit großen lateinischen Buchstaben geschrieben“; so auch Schaefer 1920, S. 44 Anm.: „Schrift in Antiqua-Majuskeln.“ Dort wird auch der Gebrauch von N neben dem der retrograden Form des Buchstabens genannt. In dem überlieferten Textfragment bei Andrae 1905, S. 434, sind die Buchstaben in Kapitalis, die retrograden Buchstaben als solche wiedergegeben. Der Text nach Arndt wurde deshalb in Majuskeln gesetzt.
  5. Vgl. DI 45 (Stadt Goslar), Nr. 153 A Z. 1–4.
  6. Wander Bd. 5, Sp. 178 Stichwort: Welt Nr. 534.
  7. Nach 2 Mo 15,3.
  8. Wander Bd. 1, Sp. 533 Stichwort: Christ Nr. 25; es handelte sich um einen Wahlspruch Luthers, „den er sinnbildlich auf seinem Siegel“ in Form der sog. Lutherrose „ausgedrückt hatte.“ Vgl. auch Arndt 1910 a, S. 97.
  9. Wander Bd. 2, Sp. 1605 Stichwort: Kreuz Nr. 16.
  10. Wander Bd. 2, Sp. 1 und 14 Stichwort: Gott Nr. 10 und 272. Nach 5 Mo 32,3 und 1 Ti 1,17 in deutscher Form beginnend mit „Allein Gott“ oder mit „Gott Allein“ mit insgesamt 58 Inschriften in den edierten Inschriftenbänden bis DI 81 (Stadt Essen). Zur Rückübersetzung des „Soli Deo Gloria“, das in Stammbucheinträgen vorkam und durch Münzprägungen verbreitet war, siehe Löbe 1883, S. 129, 153, 158, 161, 188.
  11. Vgl. Zinck 1913, S. 114–120; Mönch 1937, S. 61–69; Clauß 1973, S. 62–64.
  12. Vgl. Anm. 8 und 6–10.
  13. Vgl. bei Anm. 10.

Nachweise

  1. Scheffer 1864, S. 16 f. (A, B).
  2. Andrae 1905, S. 434 (A Zeile 1–7, B Datierung).
  3. Arndt 1910 a, S. 96 f.
  4. Meßblatt 1912, H. 414 1766,6 (A, vier Verse).
  5. Schaefer 1920, S. 44 (A Zeile 1–7, B Datierung).
  6. Spohr 1926, S. 40 (A Zeile 1–3, 8–15).

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 158† (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0015809.