Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 37(†) unbekannt 1. D. 15. Jh., nach 1402

Beschreibung

Fragmente eines Grabdenkmals oder Gedenksteins für Mitglieder der Familie von Alsleve; offensichtlich später als Treppenstufen verwendet und auf dem Gelände hinter dem Minoritenkloster bei Kleinblankenburg gefunden;1) sechs Stücke, sämtlich beschädigt, Schriftverlust; fügt man sechs der Fragmente in richtiger Reihenfolge zusammen, sieht man über einem maßwerkartigen Fries in drei durch eingehauene Linien abgetrennten Schriftbändern drei Zeilen einer eingehauenen Gedenkinschrift für mindestens fünf Personen. Zugehörig die ehemals wahrscheinlich nach unten hin anschließenden drei, ebenfalls fragmentierten Darstellungen dreier menschlicher Rümpfe, davon zwei zu männlichen Personen gehörend, die Hände betend erhoben, gekleidet in knie- bzw. überknielange, gefältelte Gewänder mit Puff- bzw. am Handgelenk abschließenden, leichten Beutelärmeln, gerader Knopfleiste und je einen Dusing auf der Hüfte tragend, und eine vermutlich in vornehme Tracht gehüllte weibliche Person, die ein faltenreiches Gewand trägt, aus dem in der Mitte der Brust in typisch enger Haltung die Hände hervorlugen.

Text nach Lichtbildaufnahmen von Daniel Priese.2)

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Dr. Karl-Heinz Priese, Berlin) [1/2]

  1. [- - -]esa) · de · alsleueb) · (et) ghevid · vx[or - - -] / [- - - albe]rt(vs) · de · alsl(ev)e · (et) myec) · vxor · ei(vs) · et fr[- - -]d) / [.....] quor(vm)e) · a(n)i(m)e · requiesca(n)t · i(n) pa[ce - - -]e)

Übersetzung:

[- - - Johann]es von Alsleve und Ghevid, [sein] Eheweib, [- - - Albe]rtus von Alsleve und Mye, sein Eheweib, und Fr[- - -], deren Seelen in Frieden ruhen mögen [- - -].

Kommentar

Die Schrift ist sehr sorgfältig eingehauen worden. Es wurden stets zwischen den eingehauenen Begrenzungslinien gleichmäßige Abstände für das Schriftband eingehalten. Die feinen Haarstriche in der Mitte der Abkürzung für et und us, am rechten Schaft des x und y wurden akkurat gesetzt. Die Buchstaben wurden vielfach durch Ansetzen der einzelnen Bestandteile aneinander gebildet, so daß oft einzelne Quadrangel entstanden sind, so etwa an et, der Ligatur de, als Fahne des r oder am x. Für den Buchstaben v wurden unterschiedlich sowohl rundes u als auch spitzes v verwendet. Der Gedenkstein bzw. die Grabplatte gehört in die Umgebung der mit dem Notnamen Werkstatt H4 der Halberstädter Grabplatten benannten Werkstattkreis (siehe Nr. 26, 29, 30).

Drei der Genannten sind in Halberstädter Urkunden, einer von ihnen wohl auch in einer Gedenkinschrift eines vermutlichen Sühnesteins (vgl. Nr. 16) gut belegt. Johannes von Alsleve, dessen letzte Namenssilbe wohl den Anfang der fragmentierten Inschrift wiedergibt, wird als Halberstädter Bürger und als Zeuge bei der Verlesung einer Urkunde in der Martinikirche 1362 erwähnt.3) In der deutschen Namensform Hans wird sein Name in den Jahren 1378 und 1382 beim Verkauf von Land genannt, das er ehemals besessen hatte.4) Zu diesen Zeiten war er, wie aus den Formulierungen in der Urkunde zu ersehen ist, vermutlich schon nicht mehr unter den Lebenden.

In demselben Jahr 1382 wird Albrecht von Alsleve in einer in Rom ausgestellten Vorladung als Halberstädter Bürger bezeichnet.5) Am 9. Januar 1385 und am 24. Februar 1391 verkauft er gemeinsam mit seinen Brüdern Curd und Dietrich eine Hufe in Wehrstedt an das St. Paulsstift, im Jahr 1391 wird neben den Brüdern unter den Veräußerern von Land für die Vikarie St. Maria Magdalena desselben Stiftes außerdem auch Myge (Mia, Maria) seine eheliche Hausfrau genannt.6) Schon im Jahr 1388 war Albrecht von Alsleve vom Dompropst mit Haus und Hof im Westendorf, das vormals Hans und Roloff von Dorstadt besessen hatten, belehnt worden.7) 1390 fungiert er als Zeuge in einer Urkunde desselben Dompropstes.8) Zuvor war er 1387 in den Ratsprotokollen der Stadt Halberstadt als Ratsherr bezeichnet worden.9) Einen deutlichen Knick erhielt seine Karriere jedoch im Jahr 1399, als der Rat sich darauf einigte, Albrecht von Alsleve weiter in Festungshaft zu halten. Dazu war er wegen Meuterei verurteilt worden, deren er sich in der Auseinandersetzung von Stadtherr und Stadt mit dem Herzog von Braunschweig im Frühjahr 1398 schuldig gemacht hatte, wie es in einem Ratsbeschluß und im Stadtbuch heißt.10) Drei Jahre später jedoch läßt er wieder am 24. August 1402 zusammen mit seiner Frau Mye (Mia, Maria) für die Vikarie „sinte Jurgen“ (Georg) im Paulsstift eine halbe Hufe in Wiby auf.11) Da die als Treppenstufen verwendeten Bruchstücke auf einem Grundstück in Kleinblankenburg gefunden wurden, ist es möglich, daß der Gedenkstein dort oder in der Nähe bei dem 1388 verliehenen Haus und Hof im Westendorf, ähnlich dem Sühnestein für Johannes von Alsleve am Ratskeller, aufgestellt gewesen war. Vielleicht aber hatte er seinen Standort zunächst auch in der Minoritenkirche St. Andreas gehabt.

Textkritischer Apparat

  1. [- - -]es] Die beiden Buchstaben leicht beschädigt. Wahrscheinlich zur letzten Silbe des Vornamens iohannes gehörend.
  2. alsleue] Der vorletzte Buchstabe beschädigt.
  3. mye] Der erste Buchstabe beschädigt.
  4. fr[- - -] Lesung des zweiten Buchstabens unsicher.
  5. quorum–pace] Sämtliche Buchstaben beschädigt. Die Buchstaben des voraufgehenden Wortes nicht eindeutig entzifferbar.

Anmerkungen

  1. Für Auskünfte zu den Stücken danke ich Herrn Prof. Dr. Karlheinz Priese, Berlin, der mir die Aufnahmen zugänglich machte, und seinem Sohn Herrn Daniel Priese, der die Aufnahmen gemacht und mir die Fundumstände mitgeteilt hat, ganz herzlich.
  2. Siehe Anm. 1.
  3. UB St. Johann, Nr. 254 S. 267.
  4. UBHH Bd. 4, Nr. 2908 S. 216, Nr. 2949 S. 251.
  5. UB Stadt Halberstadt Bd. 1, Nr. 598 S. 485.
  6. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 143 S. 420 einschließlich der Siegel, Nr. 149 S. 425.
  7. UBHH Bd. 4, Nr. 3011 S. 306.
  8. UBHH Bd. 4, Nr. 3030 S. 320.
  9. UB Stadt Halberstadt Bd. 1, Nr. 633 S. 518.
  10. UB Stadt Halberstadt Bd. 1, Nr. 663 S. 548 f. Zu den Umständen des Krieges Boettcher 1913, S. 236.
  11. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 156 S. 430; siehe auch UBHH Bd. 4, Nr. 3194 S. 473.

Nachweise

  1. Lichtbildaufnahme von Daniel Priese.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 37(†) (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0003705.