Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 35 St. Andreas um 1430

Beschreibung

Altarretabel; im Chor; ehemals in der Moritzkirche, später im Domschatz unter der Inventarnummer 422 aufbewahrt,1) wo sich der Maßwerkkamm noch heute befindet;2) Holz, farbig gefaßt, teilweise verschmutzt, Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts restauriert;3) die Malereien auf den Flügelrückseiten, links die Verkündigung, rechts die Geburt Jesu mit der Anbetung des Jesuskindes durch Maria, Joseph und zwei weitere Gestalten, eine Frau stehend und ein Mann sitzend, fast erloschen; im linken Flügel innen ist die Anbetung der Hl. Drei Könige dargestellt. Im Mittelschrein unter einem Maßwerkbaldachin eine Marienkrönung, begleitet links von den Heiligen Barbara mit Kelch, Augustinus oder Nikolaus mit Pedum, Maria Magdalena mit Salbgefäß und rechts von Katharina mit dem zerbrochenen Rad, Stephanus mit den Steinen und Gertrud von Nivelles mit einem Turm. Der rechte Flügel zeigt Johannes Evangelista mit dem Kelch, St. Martin den Mantel für einen Armen zu seinen Füßen teilend und St. Antonius Eremita mit Stab und Glöcklein. Alle Skulpturen stehen unter Maßwerkbaldachinen. Als unterer Abschluß vor dem Rahmen dient Rankenwerk, darin befinden sich zwölf runde Medaillons, die früher Halbfiguren der zwölf Apostel, die später hinzugefügt worden waren, bargen und heute mit modernen gemalten Engeln, Evangelisten und Christussymbolen, darunter das Jesusmonogramm, versehen sind. Um die Nimben der Heiligen in Flügeln (A, B, L–N) und Schrein (C–K) jeweils einzeilig umlaufend die Bildbeischriften in Konturschrift.

Maße: H. 164,5 cm, B. 152,6 cm (LF), 307,5 cm (S), 150,3 cm (RF), T. 16,5 cm, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal in gotischer Majuskel.

  1. A

    iaspar [fer]t [au]ruma) 4)

  2. B

    · thus [mel]chio[r ..] / [- - -]r[..]b) 4)

  3. C

    S(ancta) barbar[a] virgo · et mar(tyr)c) ·

  4. D

    · s[- - -] · [.......]usd) · ep(iscopvs) ·

  5. E

    s(ancta) maria · magdalena ·

  6. F

    · sancta ma[ri]a ui(rgo)e) · b(ea)t(a)f)

  7. G

    sancta · maria · mater · ·

  8. H

    · ego sum // alg)

  9. I

    s(ancta)h) · katherina · virgo · eti)

  10. J

    sanct(vs) · steffanvs · pro(tomartyr)j) ·

  11. K

    sancta · ghertrudis · virg(o)e) ·

  12. L

    · sanct(vs) · iohannes · ewan(gelista)k)

  13. M

    · sanctus martinus · ep(iscop)vsl)

  14. N

    · antonius · confessor ·

Übersetzung:

A: Kaspar bringt Gold. B: Weihrauch Melchior [- - -]. C: Die heilige Jungfrau und Märtyrerin Barbara. D: Der heilige Bischof Nikolaus/Augustinus (?). E: Die heilige Maria Magdalena. F: Die heilige Jungfrau die heilige Maria. G: Die heilige Mutter Maria. H: Ich bin Al[pha und Omega]. I: Die heilige Katharina, Jungfrau und [Märtyrerin]. J: Der heilige Erzmärtyrer Stephan. K: Die heilige Jungfrau Gertrud. L: Der heilige Evangelist Johannes. M: Der heilige Bischof Martin. N: Der Bekenner Antonius.

Versmaß: Fragment eines Hexameters (A, B).

Kommentar

Die Schrift ist flach gebrochen. Die einzelnen Schäfte stehen weit auseinander. Ober- und Unterlängen ragen kaum über den Mittellängenbereich hinaus. Der Übergang vom Anstrich des oberen Bogens des a ist geschwungen und gerundet. Teilweise ergeben sich Winkel von 90° am Übergang vom Bogen zum Schaft. Der Bogen des b wird erst weit oben gebrochen. Rechte Winkel zeigen sich auch in der Wölbung des c. Die aufgelösten Bogenabschnitte des d sind teils nach innen gebogen. An das aufgelöste gebrochene Bogenende des e setzt ein Abschlußstrich an, der leicht nach innen durchgebogen ist. Er zeigt keinen Kontur. Recht kräftig ist der Balken des f. Der Bogen des g ist spitz, der Schaft zweifach gebrochen. Die Schräghasten des k sind zu zwei Quadrangeln reduziert. Kaum Unterlänge zeigt das breit angelegte p. Auch die Fahne des r besteht oft nur aus einem Quadrangel, das nach unten ausgezogen in einen Zierstrich übergeht. In anderen Fällen ist die Fahne gebrochen. Das Schaft-s läßt sich manchmal nur schwer vom c unterscheiden. Das obere Schaftende des t ist verbreitert, der Balken links spitz und rechts stumpf geformt. Teilweise wird er links durch einen gebogenen Zierstrich abgeschlossen.

Der Beginn des Hexameters, der zu den Inschriften zu Balthasar und Melchior (A, B) anhebt, findet sich inschriftlich auch am 1508 von Hans Raphon geschaffenen Altarretabel im Halberstädter Dom (DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 161 B). Der versifizierte Spruch nach der Bibelstelle Mt 2,11 war im Mittelalter bzw. in der Frühen Neuzeit beliebt. Die Inschriften in den Nimben, die Auskunft über die Zuordnung der einzelnen Heiligen geben, hat Sibylle Lauth für ihre Arbeit nicht berücksichtigt. Die Malerei bringt sie „in Zusammenhang mit einer im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts entstandenen Gruppe von Tafelund Wandmalereien ... zu denen die um 1405 entstandenen Wandmalereien der Redekin-Kapelle des Magdeburger Doms, die um 1411 neu bemalten Außentafeln des Hochaltarretabels des Havelberger Doms und das Tafelretabel aus Flötz“ gehören.5)

Textkritischer Apparat

  1. aurum] Die letzten drei Buchstaben beschädigt.
  2. [- - -]r] Der Text ist erloschen. Hier stand wohl balthasar und myrrham ist einzufügen.
  3. martyr] Kürzungszeichen fehlt.
  4. [- - -]us] Die Buchstaben sind nicht mehr zweifelsfrei lesbar. Gemeint ist wohl der Hl. Augustinus oder der Hl. Nikolaus. Das folgende Wort episcopvs hat nur eine us-Kürzung für das ganze Wort.
  5. uirgo] Kürzungszeichen fehlt.
  6. beata] Kürzungszeichen fehlt.
  7. al] Der zweite Buchstabe ist beschädigt. Der Rest wurde nicht ausgeführt. Zu ergänzen wohl zu al[fa et o] oder ähnlich.
  8. sancta] Kürzungszeichen fehlt.
  9. et] Zu ergänzen wohl martyr.
  10. protomartyr] Kürzungszeichen fehlt.
  11. ewangelista] Kürzungszeichen fehlt.
  12. episcopvs] Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 292; Doering 1927, S. 60; Lauth 1998, S. 55–57.
  2. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 168 mit Anm. 3.
  3. Lauth 1998, S. 57.
  4. Nach Mt 2,11. Vgl. auch Walther Initia, Nr. 2535 und Walther Proverbia, Nr. 2456.
  5. Lauth 1998, S. 56.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 35 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0003501.