Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 34 Liebfrauen um 1420/1430

Beschreibung

Deckenmalerei der sog. Barbarakapelle im Winkel zwischen südlichem Querschiff und südöstlichem Turm; Putz, Farbe, Seccomalerei, Blattgold; angeblich 1661/2 bei „der Neugestaltung der Kirche übertüncht“,1) zwischen 1839 und 1848 sowie 1878 restauriert,2) nach 1932 und 1960 erneut Sicherung und Restaurierung;3) 1999 Bestands- und Schadensaufnahme;4) in den beiden Jochen zwischen den Kreuzgratrippen vor einem ursprünglich blauen Hintergrund farbig gefaßt im Zentrum nach Süden hin ein Thronender Christus als König bzw. Gottvater in Form einer Majestas mit Krone, Szepter und Reichsapfel, begleitet von den Evangelistensymbolen der apokalyptischen Wesen für Marcus und Lucas, jeweils mit Spruchbändern, nach Norden zu eine gekrönte Maria mit dem Kind, das nach der Kette greift, welche die Jungfrau um den Hals trägt, umgeben von den Symbolen für Matthäus und Johannes, ebenfalls mit Spruchbändern, in den nach Westen sich anschließenden Gewölbefeldern als Autorenbilder die vier Kirchenväter, nach Norden und Süden jeweils als Bischöfe mit Mitra dargestellt und deshalb nicht von einander zu unterscheiden Augustinus und Ambrosius,5) gefolgt im Süden von Hieronymus als Kardinal gekleidet und im Norden Papst Gregor d. Gr. mit der Tiara auf dem Haupt, sämtlich mit Büchern auf den Lesepulten vor sich, westlich davon zwei Propheten mit Spruchbändern, vermutlich Enoch und Elias, in den sechs östlichen Feldern jenseits des Zentrums musizierende Engel mit Geige, Harfe, Notenblatt?, Laute, Portativ und Trumscheit in Händen. Die Inschriften in den Spruchbändern und den Büchern, sofern nicht gänzlich vergangen, sind unlesbar. Allein auf dem Spruchband in Händen des Engels als Sinnbild für den Evangelisten Matthäus ist der fragmentarische Anfang einer Bibelstelle als Bildtitulus zu erkennen.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. [liber ·] genera//[tionisa) · Iesu] cristib) · filiic) · dauid) 6)

Übersetzung:

Buch des Geschlechts (Stammbaum) Jesu Christi des Sohnes Davids ...

Kommentar

Die wenigen Buchstaben, die noch klar erkennbar sind, e, n und r sind scharf gezeichnet. Das e zeigt einen weit nach unten zum Schaftende gezogenen Zierstrich. Die Schäfte des n enden oben in Quadrangeln, werden am unteren Ende aber nach rechts abgeknickt, lassen aber auch hier einen Rest der Quadrangelform noch erkennen. Dem r ist als Fahne ein Quadrangel angesetzt, das weit dem Schaft entlang folgend in einem ausgezogenen Zierstrich endet. Soweit zu erkennen ist, weist das g kaum eine Unterlänge auf.

In seinen Bau- und Kunstdenkmälern schrieb Doering 1902, die Deckenmalereien der Barbarakapelle wiesen „nur noch schwache Farbspuren auf, während die Konturen bei der modernen Restaurierung in guter Art in brauner Farbe nachgezogen sind.“7) In wieweit und in welcher Form damals auch in die Inschriften in den Spruchbändern bei den Darstellungen und in die Texte der Bücher vor den Kirchenvätern eingegriffen worden ist, läßt sich nicht mehr sagen. Doering vermerkt „Inschriften spurlos“.8) In den Spruchbändern bei den Vier Lebenden Wesen der Apokalypse, die den Evangelistensymbolen entsprechen, waren nach dem fragmentarisch erhaltenen Bibelinitium aus dem Matthäusevangelium zu urteilen, wohl die der übrigen Evangelien evtl. vermehrt um die Angabe der jeweiligen Bibelstelle.9) In den aufgeschlagenen Seiten der Bücher, die auf den Schreibpulten der Kirchenväter liegen, waren vermutlich Anfangszeilen aus ihren Werken zu sehen. Die Deutung von Uta Siebrecht, die Deckenmalereien zeigten die Parusie, den secundus adventus als Wiederkunft Christi, scheint sich hier zu bestätigen.10) Dieses Motiv mit Christus oder Gottvater, musizierenden Engeln, den Kirchenvätern und den beiden Propheten, die nach der Bibel leiblich in den Himmel aufgenommen wurden, findet dann seine räumliche Fortsetzung in der Darstellung Christi als Weltenrichter auf dem Paneel an der östlichen Stirnwand der Kapelle.

Die Deckenmalereien passen zeitlich, stilistisch und motivisch sowohl zu den Paneelmalereien und dem Triptychon der Barabarakapelle (Nr. 32, 33) sowie besonders in der dargestellten innigen Beziehung zwischen Mutter und Kind zu dem Madonna mit der Korallenkette genannten Altarretabel aus dem Halberstädter Dom (DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 84).11)

Textkritischer Apparat

  1. generationis] Der erste Buchstabe beschädigt.
  2. cristi] Sämtliche Buchstaben beschädigt.
  3. filii] Sämtliche Buchstaben beschädigt.
  4. daui] Sämtliche Buchstaben beschädigt. Zu ergänzen zu dauid.

Anmerkungen

  1. Siebrecht 2000, S. 104; Siebrecht 2002g, S. 226 f.
  2. Halle LDASA, Dokumentation Barbarakapelle, S. 4 ff.; in der Mitte des 19. Jh. waren fast nur noch die Umrißlinien zu sehen, im Rahmen der Neuausmalungen des Kirchraumes wurden auch die Deckenausmalungen der Barbarakapelle überarbeitet und die erste Malschicht gefestigt, die Konturen jedoch übermalt. Die Restauratoren des 19. Jahrhunderts waren Schäfer, Pfannenschmidt und Ruprecht, die auch das Mittelschiff ausgemalt hatten. Siehe zum technischen Befund auch Siebrecht 2000, S. 102 f.
  3. Durch den Restaurator Fritz Leweke aus Halle; Halle LDASA, Dokumentation Barbarakapelle, S. 4 ff.; Siebrecht 2000, S. 105.
  4. Halle LDASA, Dokumentation Barbarakapelle, S. 4 ff.; Siebrecht 2000, S. 105.
  5. So auch Siebrecht 2000, S. 113.
  6. Mt 1,1.
  7. BKD, S. 339.
  8. Ebd., S. 340.
  9. Bei dem Marcussymbol „Initium evangelii Iesu Christi Filii Dei“ Mc 1,1, bei Lucas „Quoniam quidem multi conati sund ordinare narrationem“ Lc 1,1 und in der Nähe des Johannessinnbildes „In principio erat Verbum et Verbum erat apud Deum“ Io 1,1.
  10. Siebrecht 2000, S. 111.
  11. Ebd., S. 117–125.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 34 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0003404.