Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 29 Liebfrauen 1411

Beschreibung

Grabplatte für den Dekan des Bonifatiusstiftes Heinrich von Münster; vor 1902 im Kreuzgang,1) heute an der Südwand der Taufkapelle, im zweiten Joch auf 18 cm hohem Sockel; Sandstein, hell; die Ränder etwas bestoßen, sonst gut erhalten, Reste einer die eingehauenen Buchstaben ehemals ausfüllenden Paste noch vorhanden,2) Ritztechnik; im Innenfeld steht unter einer mit Lilien und Kreuzblumen geschmückten Maßwerkarchitektur ein Kleriker, barhäuptig, gekleidet in eine sehr kurze Pelzalmutie, Kasel, Dalmatik und Albe, Stola und Manipel angelegt, in der Linken einen Kelch, über den er mit der Rechten eine Hostie hält, vom Innenfeld durch eine eingehauene Linie abgetrennt am Rand umlaufend, einzeilig eingehauen der Sterbevermerk.

Maße: H. 189,5 cm, B. 128 cm, T. ca. 14 cm, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. + annoa) · d(omi)nib) · M · ccccxic) · fe/ria · sexta · postd) · festv(m)e) · s(an)c(t)i · barnabef) · ap(osto)lig) 3) · o(biit) · d(omi)n(u)s · hin/ric(us) · de monasterio · hui(us)h) · eccl(esi)ei) · / decan(us)j) · cui(us) · a(n)i(m)ak) · requiescatl) · in pace · a[m]enm) ·

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1411 am Freitag nach dem Fest des heiligen Apostels Barnabas3) starb Herr Heinrich von Münster, Dekan dieser Kirche. Seine Seele ruhe in Frieden, amen.

Kommentar

Die Schrift wirkt etwas unregelmäßig und ungefüge. Brechungen werden in unterschiedlichem Grad ausgeführt, von einfachen rechtwinkligen Umknickungen bis zu solchen mit sehr spitzem Winkel. Vereinzelt sind jedoch auch Rundungen feststellbar. Die unteren Schaftenden sind oft sehr breit und klobig gebrochen. Unter- und Oberlängen ragen kaum über das Mittelband hinaus. Der obere rechte Bogen des a setzt links mit einem gerundeten Bogen an und wird im weiteren Verlauf rechts rechtwinklig gebrochen. Das Schaftende des b ist gespalten. Das untere Bogenende des c wird nur abgeknickt, während das obere gebrochen ist. Das ist der Bogen des e nicht immer. Eine Art Basisstrich am h bildet fast eine Verbindung zwischen Schaft und Bogen wie an einem b. Der Bogen des p ist am oberen Ende offen, derjenige des q dagegen am unteren, am oberen jedoch gebrochen. Die Fahne des r ist zu einem Quadrangel reduziert, von dessen unterer Spitze ein Zierstrich bis zur Buchstabenmitte geführt wird. Die einzelnen Teile des Schaft-s wirken wie aneinander gesetzt. Sehr eckig gebrochen ist das runde s, dessen oberer Bogen etwas größer ist als der untere. Das obere Schaftende des t ist etwas ungewöhnlich wie ein Quadrangel gebrochen. Aus dem gebrochenen Bogenende des Versal-f ist ein Balken geworden, der an einen oben spitzen, unten breiter werdenden Schaft angesetzt wird. Die Grabplatte ist zu derjenigen Nr. 26 zu rechnen, in den Umkreis vielleicht auch die Nrn. 30 und 37. Ein Notname wurde mit Werkstatt H4 der Halberstädter Grabplatten vergeben.

Heinrich von Münster war zwischen 1369 und 1411 Dekan des Stifts St. Bonifacii.4) Er ist als einfacher Kanoniker oder in anderer Funktion in keinem der Halberstädter Stifter belegt, weder in einem der Halberstädter Urkundenbücher noch im Repertorium Germanicum. Auch ist unbekannt, weshalb sich die Grabplatte in Liebfrauen befindet.5) Als Geistlicher dieses Stiftes ist er nämlich nirgends bezeugt. Möglicherweise ein Verwandter namens Johannes von Münster, auch von Asmersleben genannt, ist als Dekan in Liebfrauen zwischen 1345 und 1390 nachweisbar.6) Im Nekrolog des Bonifatiusstiftes ist eine ganze Reihe von Einträgen für die monatliche Memorie des Heinrich von Münster, die seiner Eltern und Wohltäter verzeichnet.7) Auch stiftete er Einkünfte, um die Feste der Hl. Cäcilia und Karls des Großen zu feiern sowie für die Einsetzung einer Antiphon an den fünf Samstagen nach Ostern.

Textkritischer Apparat

  1. anno] Der Text beginnt ein wenig eingerückt am oberen Rand.
  2. domini] Der erste Buchstabe beschädigt.
  3. Mccccxi] mcccxi Wäß.
  4. post] Die ersten beiden Buchstaben beschädigt.
  5. festvm] fectu Wäß.
  6. barnabe] barnabs Wäß.
  7. apostoli] avii Wäß.
  8. huius] Die Buchstaben beschädigt.
  9. ecclesie] Die Buchstaben beschädigt.
  10. decanus] Der erste Buchstabe beschädigt.
  11. anima] Die letzten Buchstaben beschädigt.
  12. requiescat] rcquiscat Wäß.
  13. amen] Die Buchstaben beschädigt.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 355 Nr. 46.
  2. Doering schreibt „nielliert“; ebd.
  3. 12. Juni 1411. Verwunderlich ist, daß zur Datierung an diesem Tag nicht das Fest Corpus Christi (Fronleichnam) herangezogen wurde, das 1411 auf den Tag vor dem Todestag Heinrichs von Münster fiel.
  4. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 190 S. 144, Nr. 192 S. 144, Nr. 198 S. 149, Nr. 203 S. 150, Nr. 206–10 S. 152 f., Nr. 212 und Nr. 215 S. 155; UBHH Bd. 4, Nr. 2892 S. 203, Nr. 2993 S. 283–288, Nr. 2997 S. 293 f., Nr. 3128 S. 404, Nr. 3240 S. 502 f.; UB St. Johann, Nr. 285 S. 297 f., Nr. 290 S. 301, Nr. 291 S. 303 f., Nr. 318 325 f.; UB Stadt Halberstadt Bd. 1, Nr. 629 und Nr. 630 S. 510–515, Nr. 644 S. 527 f., ebd. Bd. 2, Nr. 723 S. 30–32.
  5. Vielleicht weist eine Anmerkung, die Doering in den BKD, S. 355 macht, einen Weg: „Im Kreuzgange (scil. der Liebfrauenkirche) wurden seit 1366 die Rektoren der am breiten Thore belegenen Jakobikapelle bestattet.“ Zwar weiß man nichts über eine solche Würde des Heinrich von Münster, aber vielleicht gab es ja noch andere Bestattungsrechte, die wir nicht mehr kennen. Sonst muß man annehmen, daß die Grabplatte erst in der Neuzeit in den Kreuzgang von Liebfrauen gelangte.
  6. UBHH Bd. 4, Register S. 652; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Register S. 588; UB St. Johann, Register S. 605; UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Register S. 528 unter Johann von Asmersleben.
  7. Schmidt 1873, S. 436 und passim; vgl. auch DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 23 mit Anm. 26; Fuhrmann 2002, S. 57 mit Anm. 18; Fuhrmann 2006, S. 293 mit Anm. 18.

Nachweise

  1. Fuhrmann 2002 b, S. 65 Anm. 18.
  2. Fuhrmann 2006 a, S. 293 Anm. 18.
  3. Wäß 2006, S. 263.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 29 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0002900.