Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 25† Liebfrauen 13./14. Jh.

Beschreibung

Glocke; ehemals zunächst im Mittelbau zwischen den Westtürmen, später anscheinend in einem der beiden Westtürme; Bronze; um die Krone lief zweizeilig als Glockenrede der Segenswunsch, die obere Zeile mit „große(n) und kräftige(n), die untere dagegen sehr kleine(n) Buchstaben“.1) Gewicht: etwa 1000 kg.2) Ton: zwischen fis1 und g1.3)

Text nach der Lichtbildaufnahme, Ergänzungen nach BKD.

Maße: D. 119 cm.

Schriftart(en): [Gotische?] Majuskel.4)

LDASA Halle (Repro) [1/1]

  1. [HOC IN HONORE PIE VAS] FIRMVM (CHRISTE)a) [MARIE / FILI CONSIGNAb) QVO]D PELLATc) C[VNCTAMd) ALIGNAd)]

Übersetzung:

Zu Ehren der gottgefälligen Maria Sohn Christus segne diese mächtige Glocke, die alle Übel vertreibe.

Versmaß: Zwei Hexameter, zweisilbig rein leoninisch gereimt.

Kommentar

Das Bruchstück auf der Lichtbildaufnahme zeigt klare Buchstaben. Insgesamt sieht man eine Mischung aus kapitalen und unzialen Buchstaben. Von der Flächendarstellung durch Konturschrift war man, zumindest in der oberen Zeile, abgekommen. Wenige Teile der Buchstaben, es handelt sich ausschließlich um die Buchstabenteile rechts, sind flächig breiter gestaltet. So weisen die Bögen des B ganz leichte, gleichmäßige Schwellungen auf, die Bögen ragen über die Schaftenden hinaus. M kommt sowohl in der linksgeschlossenen unzialen Form vor, mit gleichmäßgen Linienverstärkungen im linken Buchstabenteil und einer kräftigen Verstärkung des rechten Bogens, als auch in der kapitalen Buchstabenform mit einer Verstärkung der rechten, gerade verlaufenden Haste. Die Buchstaben in der unteren Zeile sind in Konturschrift gearbeitet. Das unziale E ist fast rund mit eingestelltem Zierstrich und einem Balken in Konturschrift. Das sehr breit angelegte pseudounzuale A mit geschwungenem linken Schaft ist leider nicht mehr sehr klar zu erkennen. Die Buchstabenformen ähneln ein wenig den mit Modeln hergestellten Formen der Glocke aus dem Südwestturm (Nr. 24 mit Abb. 23). Man weiß nicht, ob die ungewöhnlichen Formen nicht auch vielleicht auf der Umarbeitung beruhen, die 1932, in welcher Form auch immer, vorgenommen wurde.

Über diese Glocke gibt es nur wenige Nachrichten. Peter vermutet, daß es sich um eine Salvator genannte Glocke gehandelt habe.5) Dagegen ließe sich anführen, daß die Glocke der Inschrift entsprechend der Maria geweiht war. Die Inschrift ist ungewöhnlich. Glocken mit ähnlichen Inschriften, jedoch nicht der exakt gleichen, kommen im 13. Jahrhundert häufiger vor.6) In Halberstadt zeigt die älteste noch erhaltene Glocke der Stadt von 1281 in St. Moritz wenige sprachliche Übereinstimmungen; vgl. Nr. 4. Um die Wende zum 15. Jahrhundert kommen verstärkt Glocken mit Marieninschriften vor.7) Die Glocke wurde 1932 auf Betreiben von Prof. Biehle umgearbeitet und am 8. April 1945 durch Bomben vernichtet.8) Eine Photographie eines Bruchstücks der Glocke von 119 Zentimetern mit Teilen der Inschrift fertigte im Jahr 1958 Gerhard Naundorf aus Apolda.9)

Textkritischer Apparat

  1. CHRISTE] Befund: XP mit Kürzungsstrich über dem zweiten Buchstaben, ein Indiz für die vermutliche Weiterführung zu XPE; christie Glocken der Heimat.
  2. CONSIGNA] con signa Hartmann, Glocken der Heimat.
  3. PELLAT] pellad Hartmann, Glocken der Heimat.
  4. CUNCTAM ALIGNA] Sic! Lectio difficilior, nach BKD, die grammatisch richtige Schreibweise CVNCTA MALIGNA Nebe, Hartmann, Glocken der Heimat, Peter.

Anmerkungen

  1. So Nebe 1876, S. 293, der die Glocke noch gesehen haben kann. Der Zeilenfall läßt sich nur aus der Lichtbildaufnahme, nicht jedoch aus der Wiedergabe der Inschrift erkennen. Demnach umfaßte, wie bei BKD, S. 340 wiedergegeben, – auch Doering kann die Glocke noch gesehen haben – ein Vers eine Zeile.
  2. 20 Ztr.; ebd.
  3. Nach Peter 2003/2004, S. 5.
  4. Nach BKD, S. 340. Doering kann, wie auch Nebe, der jedoch – ohne Bemerkung – Minuskelbuchstaben wiedergibt, die Glocke noch gesehen haben.
  5. Peter 2003/2004, S. 5.
  6. Walter 1913, S. 199–201.
  7. Ebd., S. 225–227.
  8. Peter 2003/2004, S. 6, 9–11, 19–26.
  9. Halle LDASA, Bereich Bau- und Kunstdenkmalpflege, Archiv: Glocken, ohne Nummer.

Nachweise

  1. Nebe 1876, S. 293.
  2. LDASA, Bereich Bau- und Kunstdenkmalpflege, Archiv, Glocken, ohne Nummer.
  3. Hartmann 1964, S. 215.
  4. Glocken der Heimat 1996, S. 22.
  5. Peter 2003/2004, S. 5.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 25† (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0002505.