Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 8 St. Martini E. 13.–1. V. 14. Jh.

Beschreibung

Glocke, im obersten Glockengeschoß des Nordturmes; Bronze; Schärfe teilweise bestoßen bzw. ausgebrochen, verschmutzt; das Öhr fehlt, die Aufhängung ist nicht sichtbar, da im Glockenjoch eingelassen; Kronenplatte abgesetzt; Schulter gewölbt; an der Schulter zwischen doppelten Bandstegen umlaufend erhaben der Anfang der Antiphon bzw. des Responsoriums Ave Maria, am Wolm zwei gratige Stege. Gewicht: etwa 150 kg.1) Ton: e.2)

Ergänzt nach LDASA Photographien Nr. 12676 1/2/3

Maße: H. ca. 60 cm (ohne Krone), D. ca. 70 cm, Bu. 3,7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

LDASA Halle (Repro) [1/1]

  1. [+ AVE · M]ARIA · [GR]A(TIA) PL(EN)Aa) 3)

Übersetzung:

Gegrüßet seist du Maria, [voll] der Gnade.

Kommentar

In teilweiser Konturschrift ausgeführt, die Schaftenden sind meist etwas keilförmig verbreitert. A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und nicht konturiertem, leicht rechtsschrägem Mittelbalken. Das unziale E ist vollständig geschlossen und zu einem Kreis geformt, in seiner Mitte senkrecht und waagerecht doppelte Zierstriche, rechts ein weit nach beiden Seiten hin überstehender Abschlußstrich. I hat einen querovalen Nodus in der Schaftmitte. Das L ist in Konturschrift ausgeführt, die Schaft- bzw. Balkenenden sind verbreitert. Das unziale M weist sowohl im linken geschlossenen zwei als auch im rechten offenen und geschwungenen Buchstabenteil einen Zierstrich auf. Der Bogen des R hat einen geraden Innenkontur. Die Cauda ist geschwungen und nicht konturiert. Als Worttrenner fungieren Kreise.

Es handelt sich um die älteste Glocke des Geläutes in St. Martin. Die Schrift weist große Ähnlichkeiten mit drei Chorglocken des Halberstädter Doms auf, die Inschriften tragen.4) Diese Glocken stammen vom Ende des 13. Jahrhunderts und sind zusammen mit drei anderen in Aschersleben und Goslar wohl alle in derselben Werkstatt im Harzumland entstanden.5) Zu berücksichtigen ist, daß die drei Glocken im Dom erst nach 1465 angeschafft worden sein können.6) Wenn also diese Glocken aus ein und erselben Werkstatt stammen sollten, so läßt sich auch für die Glocke in St. Martini vermuten, daß sie eher nicht zum ursprünglichen Bestand der Pfarrkirche gehört hatte und eine Anschaffung wohl erst im Spätmittelalter oder der frühen Neuzeit erfolgt ist. Es kann sich bei dieser Glocke jedoch nicht – wie von Schmidt vermutet – um die in der Urkunde einer Stiftung des Hermen Smatfelt (Hermann Schmatfeld) vom 20. August 1401 erwähnte Glocke handeln.7) Die vorhandene Glocke paßt in Form und Schrift nicht zum Stiftungsdatum. Zusammen mit der ältesten Glocke aus St. Martini scheinen auch die älteste Glocke aus dem Liebfrauenstift (Nr. 9) und diejenige aus St. Johannes (Nr. 10) in einer Werkstatt, hier Halberstädter Gießerwerkstatt G2 genannt, oder zumindest in deren Umkreis gegossen worden zu sein. Auch an den Glocken aus der St. Moritzkirche (Nr. 7) und aus der Siechenhofkapelle (Nr. 11) sieht man eine auf gleiche Art gefertigte Schrift. Heute dient die Glocke als Uhrglocke.

Textkritischer Apparat

  1. PLENA] Es folgt ein in einen Kreis eingeschriebenes Kreuz, darüber ein Kürzungsstrich.

Anmerkungen

  1. Die Gewichtsangabe nach Nebe 1876, S. 291, der die Glocke auf etwa 3 Zentner schätzte. 250 kg nach Glocken der Heimat 1996, S. 11.
  2. Tonhöhe nach Glocken der Heimat 1996, S. 11.
  3. Vgl. CAO Vol. III, Nr. 1539; ebd., Vol. IV, Nr. 6155 nach Lc 1,28.
  4. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 28, 29, 30, bes. Nr. 28.
  5. Peter/Bund 1997, S. 326 und 335; Peter 1999, S. 123 f.
  6. Vgl. DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 2930 und S. XXXI–XXXIII.
  7. UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 692 S. 5 f. mit Anm. 1. Schon Doering BKD, S. 400 f. wies darauf hin, daß diese Glocke nicht mit einer Glocke vom Anfang des 15. Jahrhunderts verwechselt werden kann.

Nachweise

  1. Nebe 1876, S. 291.
  2. UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 689 S. 5 f. mit Anm. 1.
  3. BKD, S. 399.
  4. Hartmann 1964, S. 347.
  5. Glocken der Heimat 1996, S. 11.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 8 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0000804.