Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 305 Liebfrauen 1. H. 17. Jh.

Beschreibung

Kreuzigungsrelief; an der Nordwand des Kreuzgangs, im vierten Joch von Osten aufgestellt; Sandstein, hell; leicht verwittert, der Kopf des Gekreuzigten vergangen, Rand bestoßen, Abplatzungen, Schriftverlust; in einem profilierten Rundbogen, in den Zwickeln geflügelte Engelsköpfe, steht das Kreuz auf einem durch Knochen und Schädelüberreste gekennzeichneten Kalvarienberg, zu beiden Zeilen des Kreuzesstammes zeilenweise erhaben das Bibelwort (A), über den Kreuzesarmen die fragmentarische Jahreszahl (B).

Maße: H. 100,5 cm, B. 73 cm, T. 22,2 cm, Bu. 3,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    F[VR]WA[R] / ER TRVG / VNSER · KRA[N]/KHETa) · VND / LVD AVFF / SIC[H]b) [V]NSERc) [SC]H(M)ERTZE(N) WIR / ABER HIELTEN / IN FVRd) · DE(N) · DER / [G]EP[L]AGTe) · / VND VO(N) GOTT / [GESC]HLA[GEN]f) / [VND G]EM//ARTERTf) · WER[E] ABEBg) · ER · IST · V[MB]h) / VNSER · MISSET/[H]AT · WILLEN / [VE]RWV(N)DET / VND VMB · V(N)S[ER] / [S]V(N)DE · WILLE(N)i) / [- - -]1) ([- - -]

  2. B

    [..]//[.]8

Kommentar

Schaft-, Balken- und Bogenenden sind verbreitert. Serifen als Abschluß sind selten, z. B am oberen Bogenende des G, sonst enden die Buchstabenteile stumpf. Die Cauda des G ist auf den unteren Bogenabschluß aufgesetzt. E weist einen verkürzten Mittelbalken auf. Die obere Schräghaste des K ist etwas kürzer als die untere. Die linke Haste des M ist leicht schräggestellt, der Mittelteil verkürzt. N ist ausschließlich retrograd. Die Cauda des R verläuft geschwungen.

Nach der Schrift zu urteilen, ist das Relief – vermutlich als Teil eines Grabsteins oder Epitaphs – in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden. Der Text ist eindeutig an demjenigen der Lutherbibel orientiert.2) Sollte das Relief aus der Liebfrauenkirche stammen, könnte das als weiterer Hinweis auf die Zeitstellung gelten, da die Kirche im Jahr 1604 reformiert wurde bzw. damals die erste protestantische Predigt gehalten wurde.3)

Textkritischer Apparat

  1. KRANKHET] Der fünfte Buchstabe beschädigt.
  2. SICH] Der dritte Buchstabe beschädigt.
  3. VNSER] Der zweite Buchstabe beschädigt.
  4. FVR] Der erste Buchstabe beschädigt.
  5. GEPLAGT] Lesung unsicher. In der Lutherbibel lautet diese Stelle: GEPLAGT.
  6. GESCHLAGEN–GEMARTERT] Ergänzungen nach dem Bibeltext.
  7. ABEB] Sic! Statt ABER. Auch die Lesung ABETZ wäre möglich, ist jedoch unwahrscheinlicher.
  8. VMB] Ergänzt nach der Lutherbibel.
  9. WILLEN] Das folgende Wort lautet in der Lutherbibel ZVSCHLAGEN.

Anmerkungen

  1. Jes 53,4.
  2. Luther Heilige Schrifft Deudsch Bd. 2, S. 1249, LIII.
  3. Elis 1871, S. 410 Anm. 9.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 305 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0030508.