Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 293 Liebfrauen 1649?

Beschreibung

Fragment eines Grabsteins oder Epitaphs für Elisabeth Winterhauer und ihren Sohn Burchardt Lappen; ehemals in der Paulskirche,1) heute an der Nordwand des Kreuzgangs im dritten Joch von Osten aufgestellt; nur noch die Inschriftenplatte vorhanden, farbliche Veränderungen der Oberfläche; unter den Resten eines Gesimses, von dem an der rechten Seite noch der Ansatz einer Volute erkennbar ist, stützen sich seitlich zwei allegorische Figuren, links der Frühling, Blumen in der Rechten haltend, rechts der Tod als grinsendes, veristisches Skelett dargestellt, auf einen Lorbeerkranz, der das Inschriftenfeld rahmt, in das zeilenweise die Kombination von Sterbevermerk und Setzungsvermerk sowie ein Denkspruch eingehauen ist.

Maße: H. 80,9 cm, B. 106,8 cm, T. 10,4 cm, Bu. 2,5 cm (Versalien bis 5 cm).

Schriftart(en): Mischminuskel auf Basis der Humanistischen Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. LAVS / DEO PAX Viuis / ReQuies aeter(n)a Sepultis2) · / A(nn)o 1649 D(ie)a) 13 . D(ecem)b(ris)b) Ist Die Ehr Und / TugentSahme Frauw Elisabeth Winterhauer / Burchardt Lappe(n)s F(ürstlich) Br(aunschweigischen) (et) Luneb(urgischen) Ambtmans / Zur Stauffenburg nachgelasenc) Witieb in Gott / Seelig entschlaffenaetatis 73 · / Burchardus Lappeni(us) Decan(us) S(anctorum)d) Petri et / Pauli Sibi Dilectissimaeq(ue) Matri Posuit / Obiit A(nn)o D(omini) 16⟨..⟩ Mansise) ⟨..⟩ / ATATIS SVAE · ⟨..⟩/ Memento Mori Homo3) / Flos Agri4)

Übersetzung:

Das Lob Gott, der Friede den Lebenden, die ewige Ruhe den Bestatteten. Im Jahre 1649 am 13. Tag des Dezember ... des Alters 73. Burchardt Lappen, Dekan von St. Petri und Pauli hat sich und seiner vielgeliebten Mutter [dieses Denkmal] gesetzt. Er starb im Jahre des Herrn 16⟨..⟩, des Monats ⟨..⟩, seines Alters ⟨..⟩. Sei eingedenk, daß du sterben wirst, Mensch. Die Blume auf dem Felde ...

Versmaß: Hexameter, einsilbig rein leoninisch gereimt, Z. 1–3.

Kommentar

Es handelt sich um eine schwungvolle Schreibschrift. Schaft-, Balken- und Bogenenden, besonders die der Kleinbuchstaben, werden von Serifen beschlossen oder sind mit echten Abschlußstrichen versehen. Etliche Buchstaben sind hervorgehoben und reichen über die Ober- oder Grundlinie hinaus. Das A ist spitz und kommt sowohl in einfacher Form als auch geschwungen vor. Minuskel-a kommt einstöckig vor. Gleichfalls geschwungen sind die Majuskel- und Minuskelformen des B, b, D, d. Minuskel-c weist kräftige Serifen auf. Stark geschwungen zeigt sich das M, dessen linke Schräghaste geschwungen, die rechte gerade verläuft und nur bis zur Grundlinie reicht. E ist ausschließlich epsilonförmig. Kaum geschwungen erweist sich das F. Die Minuskelform dieses Buchstabens wird weit unter die Grundlinie gezogen. Der obere Bogenabschnitt des G endet in einer starken Serife, die Cauda wird dem unteren Bogenende lotrecht aufgesetzt. Das Minuskel-g weist unterhalb der Grundlinie einen weiteren Bogen auf und erinnert an die humanistische Minuskel. Das untere Schaftende des P fußt auf einem nach rechts weisenden Basisstrich, der Schaft, den der Bogen in seinem unteren Verlauf kreuzt, ist geschwungen. Starke Serifen finden sich an den Bogenenden des S.

Burchardt Lappen ist als Dekan von St. Paul seit 1655 belegt, sein Vorgänger Johannes Meir läßt sich jedoch nur bis 1639 nachweisen.5) Im Jahr 1658 fungierte er noch als Notar.6) Die genaue Entstehungszeit des Denkmals ist unbekannt. Da die Daten bezüglich des Alters bzw. Todes des Sohnes nicht ausgeführt wurden, bleibt nur eine zeitliche Einordnung in das Jahr 1649 oder danach. Das Denkmal wirkt von den Schriftformen her ein wenig jünger.

Textkritischer Apparat

  1. Die] Kürzungszeichen fehlt. Auch D(en) möglich!
  2. Decembris] Befund: Xb.
  3. nachgelasen] Sic!
  4. Sanctorum] Befund: SS.
  5. Mansis] Sic!

Anmerkungen

  1. BKD, S. 513.
  2. AH 46, Nr. 298 S. 329; auch in einem Missale aus Mailand von 1476, heute in der Huntingdon Library, HM 1042, fol. 217t. Die Eulogie wurde auch häufig in Motteten oder anderen musikalischen Darbietungen verwendet; vgl. z. B. das Werk des Nicolas Gombert (um 1495–um 1560). Die Worte PAX VIVIS ERQVIES AETERNA SEPVLTIS finden sich auf dem Grabmal des Paracelsus in Salzburg. Der Spruch als Ganzes wird in verschiedenen frühneuzeitlichen Schriften mit Paracelsus in Verbindung gebracht. Siehe auch oben Nr. 201.
  3. Vgl. Helfer 1995, S. 101. Die Herkunft des Spruches ist ungeklärt. Vgl. jedoch Ps 89,12 bzw. 90,12.
  4. Ps 102,15.
  5. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Register 597.
  6. UB St. Johann, Nr. 581 S. 489.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 293 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0029309.