Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 236 Liebfrauen 1612

Beschreibung

Grabplatte für Frau von Heilingen, geb. von Oberg;1) an der Südwand der Taufkapelle im ersten Joch auf einem 23 cm hohem Sockel; Sandstein, hell; Kanten bestoßen, einige Einschlüsse, Schriftleiste etwas verwittert, sonst gut erhalten; Relief, unter einem sich nach oben hin verjüngenden Rundbogen von geschweiftem Umriß steht frontal eine Frau, die Hände vor der Brust gefaltet, in zeittypische spanisch beeinflußte Tracht gekleidet, eine hohe Haube, zur Taille hin kegelförmig zugespitztes Mieder mit angesetzten Achselstücken und spitzen Schößen, einen hohen und breiten Kragen sowie Reifrock und Halskette, in den oberen Zwickeln und unter den Konsolen des Architekturbogens vier Vollwappen, am Rand einzeilig umlaufend der eingehauene Sterbevermerk (A), über den Wappen in den Zwickeln und unter denjenigen in der Mitte ein- bzw. dreizeilig eingehauen die Wappenbeischriften (B).

Maße: H. 185 cm, B. 119,5 cm, T. 14 cm, Bu. 4,5–8 cm (A), 3,1–3,6 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A) mit Minuskelbuchstaben (B).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    AN(N)Oa) · DOMINI · 1612 · DEN · 16 · MAY · IST · DIE · / EDLE · VND VIEL[T]UGEN[DREICH]Eb) · FRAWE[· ...]Ac) · GEBORNE · VONd) · OB[E]RGKe) · H(ERRN) · GEORG/ENf) · V(ON) HEYLINGENg) DECHANDTE(N) VNSER · LI[E]B[EN]h) / [F]RAWENi) KIRCHEN · EHEL[ICHE H]AVSFRAWEj) · IN GOTTk) SELIGLICHE(N)l) E(N)DSCHLAFE(N) C(VIVS) A(NIMA) R(EQUIESCAT) I(N) P(ACE)

  2. B

    DER · V(ON) · // HEYLINGEN · // DER · V(ON) [·] OBERGm) · // D(ER) · V(ON) · TO/ttELE/B[E]Nn) · // D(ER) [· V(ON) [· S]A=/N[G]ER=/HAVS=/ENGKo) ·

Übersetzung:

A: Dessen Seele ruhe in Frieden.

Wappen:
Heilingen2)Oberg3)
Tottleben4)Sangerhausen5)

Kommentar

Es handelt sich um eine etwas klobige Kapitalis mit breiter Strichstärke. Schaft-, Balken- und Bogenenden sind oft verbreitert, die oberen Schaftenden auch mit kräftigen Serifen versehen. Als Worttrenner wurden Quadrangel, als Trennzeichen Virgeln verwendet. Der obere Bogen des B ist kleiner als der untere, derjenige des C sehr tief gewölbt. Das obere Bogenende des G weist eine starke Serife auf, das untere reicht ein wenig über den Ansatz der aufgesetzten Cauda hinaus. Die obere Schräghaste des K ist gebogen und etwas kürzer als die untere geschwungene. Der Mittelteil des M ist verkürzt, die seitlichen Hasten schräggestellt. Die linke Haste des N ist ein wenig rechtsgeneigt. Sowohl in der runden als auch der spitzen Form kommt das U bzw. V vor, W besteht aus zwei verschränkten V. Schaft und Schrägschaft des Y sind getrennt. Eine ähnliche Schrift findet sich auf der Grabplatte für Joachim Christof von Britzke (vgl. Nr. 227). Die Grabplatte für den Ehemann der Verstorbenen (Nr. 237) wurde wohl in derselben Werkstatt hergestellt, die mit dem Notnamen Werkstatt H10 der Halberstädter Grabplatten bezeichnet wurde.

Es handelt sich um die Gattin des am 31. Juli desselben Jahres, wenige Monate nach ihr verstorbenen Dechanten des Liebfrauenstifts Georg von Heilingen (vgl. Nr. 237).

Textkritischer Apparat

  1. ANNO] Der erste Buchstabe beschädigt.
  2. VIELTUGENDREICHE] Die Buchstaben beschädigt.
  3. [...]A] Vielleicht für ANNA.
  4. VON] Der erste Buchstabe beschädigt.
  5. OBERGK] Die Buchstaben teilweise beschädigt.
  6. GEORGEN] Der erste Buchstabe beschädigt.
  7. HEYLINGEN] Der dritte Buchstabe beschädigt.
  8. LIEBEN] Die Buchstaben beschädigt.
  9. FRAWEN] Die ersten Buchstaben beschädigt.
  10. EHELICHE HAVSFRAWE] Die Buchstaben beschädigt.
  11. GOTT] Die Buchstaben beschädigt.
  12. SELIGLICHEN] Die Buchstaben beschädigt.
  13. VON OBERG] Bis auf den letzten die Buchstaben beschädigt.
  14. TOttELEBEN] Die Buchstaben beschädigt.
  15. SANGERHAVSENGK] Mehrere Buchstaben beschädigt.

Anmerkungen

  1. BKD, S. 355 Nr. 45.
  2. Ein Balken, HZ: über Wulst ein offener Flug; Siebmacher SchwA, S. 13 mit Taf. 8; ebd. ThüA, S. 9 mit Taf. 7 und S. 76 mit Taf. 59.
  3. Zwei Rauten nebeneinander gestellt, HZ: über Wulst ein Schaft mit Pfauenschweif, begleitet von den Rauten; vgl. Siebmacher Han, S. 21 mit Taf. 23; ebd. SaA, S. 117 mit Taf. 76; ebd. Pr, S. 20 mit Taf. 22; Kneschke Bd. 6, S. 551 f.; Ledebur Bd. 2, S. 157 f. Zur Wappenfigur siehe auch Hellfaier 1978.
  4. Ein Stutzsparren, begleiter von drei Adlern 2:1, HZ: über (vermutl.) Krone der Sparren, drei Straußenfedern überdeckend; Siebmacher SchwA, S. 30 mit Taf. 21; Kneschke Bd. 9, S. 247 f.; Ledebur Bd. 3, S. 22.
  5. Fünf Rosen 2:2:1, HZ: über einem Wulst Büffelhörner; vgl. Siebmacher SaA, S. 142 mit Taf. 93; ebd. PrA, S. 75 f. mit Taf. 56; Kneschke Bd. 8, S. 44 f.; Ledebur Bd. 2, S. 340.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 236 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0023608.