Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 225 St. Martini 1606

Beschreibung

Grabplatte für Prediger Lambert Ehrentraut; an der Ostwand des Südquerhauses; Sandstein, hell; die untere Leiste und die linke untere Ecke teilweise zerstört, Schriftverlust, Reste einer Farbfassung erhalten; im Binnenfeld in einer von schmucklosen Pilastern getragenen, sich nach oben hin kleeblattförmig verjüngenden Nische, deren Kapitellzone durch Rollwerkschmuck, die Bogenzwickel mit schlafenden Putti, Totenschädeln und Stundenglas verziert sind, stehend ein Prediger in Birett, Halskrause und Schaube gekleidet, in den Händen ein Buch haltend; über dem Gewandsaum das Vollwappen; am Rand umlaufend der Sterbevermerk samt Fürbitte (A); dem Bogen der Nische folgend, unterbrochen durch den Kopf der Mahnspruch (B) nach einer Bibelstelle, beide einzeilig eingehauen.

Maße: H. 192 cm, B. 110,7 cm, T. 14,2 cm, Bu. 4 cm (A), 2 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/2]

  1. A

    DEN 15 DECEMB(RIS)a) AN(N)O 1606 IST DER ERWVRDIGEb) VND / WOLGELARTERc) HER LAMBERTVS EHRNTRAVT DIESER KIRCHEN IN DIE 25 IAHR GEWESENERd) / DIENERe) AM WORTf) GOT[TES]g) [..........] / [GOTT VERLEIH]E IHM EINE FRÖLICHE AVFFERST[EH]VNGh) AM IVNGSTEN TAGE SEINES ALTERS 61 IHAR :

  2. B

    HODIE MICHI · // CRAS TIBI1)

Übersetzung:

B: Heute mir, morgen dir.

Wappen:
Ehrentraut2)

Kommentar

Die Buchstabenformen weisen Ähnlichkeiten zu denjenigen von Nr. 223 auf. Nexus litterarum, auch ungewöhnliche (MB, HR, HE, AV, AR, AM, VN, NE, ND), kommen häufig vor. Die Sporen, besonders an den Balkenenden, sind ausgeprägt, kommen jedoch auch an Schaft- und Bogenenden vor. Auch Umlaute sind vorhanden (V und Ö). A existiert nur in der spitzen Form mit Rechtsschrägenverstärkung. Der Querbalken ist hoch angesetzt. Der untere Bogen des B ist größer als der obere. Nur am oberen Bogenende des C findet sich ein Sporn, unten läuft der Buchstabe spitz aus. Die Balken des E haben starke, nach unten oder oben ausgezogene Sporen. Der Mittelbalken ist stark verkürzt. Die Cauda des G ist in den unteren Bogenabschnitt des Buchstabens eingestellt, an ihrem oberen Ende stark verbreitert und in Sporen endend. Das Balkenende des L weist einen nach rechts oben spitz ausgezogenen Sporn auf. M ist mit geraden Seitenhasten und einem verkürzten Mittelteil versehen. Die seitlichen Bogenabschnitte des ovalen O haben Bogenverstärkungen. Die Cauda des R ist stark geschwungen und wird zum Teil unter die Grundlinie gezogen. Der Sporn am rechten Balken des T ist lang, spitz und gebogen nach unten gezogen. W besteht aus zwei verschränkten V. Als Worttrenner bzw. Kürzungszeichen verwendete man Quadrangel. Siehe zum Werkstattzusammenhang Nr. 223 und Nr. 266 (Werkstatt H9).

Lambert Ehrentraut stammte aus Wernigerode, war 1572 in Wolfenbüttel ordiniert worden und wurde im Jahr 1589, nachdem er zunächst 1582/1583 ein halbes Jahr als Pfarrer an St. Paul fungiert hatte, Kaplan an St. Martini.3) Ehrentraut hatte in seinem Testament wohl im Jahr 1605 „die Zinsen eines Kapitals von vierhundert Thalern zu einer Spende für die Armen am Lambertustage“ bestimmt.4) Vgl. auch das zugehörige Bildepitaph Nr. 226 †.

Textkritischer Apparat

  1. DECEMBRIS] Durch folgenden Doppelpunkt gekürzt.
  2. ERWVRDIGE] Sic! Spitzes V als Umlaut.
  3. WOLGELARTER] Der zweite und dritte Buchstabe beschädigt.
  4. GEWESENER] Der letzte Buchstabe beschädigt.
  5. DIENER] Die Buchstaben beschädigt.
  6. WORT] Die Buchstaben beschädigt.
  7. GOTTES] Die erhaltenen Buchstaben beschädigt.
  8. AVFFERSTEHVNG] Der erste Buchstabe beschädigt.

Anmerkungen

  1. Nach Sir 38,23.
  2. Auf einem Rasensoden ein von zwei Rosenstengeln flankierter Baum, zwei miteinander verbundene Hände, HZ: die beiden Rosenstengel gekreuzt.
  3. Nebe 1880, S. 37 f., Arndt 1909 a, S. 193, 207.
  4. Niemann 1824, S. 60, wo es allerdings heißt, das Testament sei am 13. Juni 1615 errichtet worden, was aber angesichts der vorhandenen Grabplatte aus dem Jahr 1606 nicht möglich sein kann.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 225 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0022505.