Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 193 St. Moritz v. 1597, 1597

Beschreibung

Zwei Fragmente (I, II) der Grabplatte für den Stiftsherrn Johannes Nachtigal; außen an der Ostwand des südlichen Seitenschiffes in 40 cm bzw. 54 cm Höhe angebracht; Sandstein, hell; zerbrochen, etliche Teile fehlen, die untere linke Ecke ist beigeputzt, Schriftverlust; in einer Rundbogennische, die in Schulterhöhe durch ein Gesims gegliedert ist, steht ein Kleriker, in Birett, eine mit Troddeln versehene Pelzalmutie, Kasel und Albe gekleidet, in der Linken den Kelch, den er mit der Rechten segnet, am Rand einzeilig umlaufend, unterbrochen von den Evangelistensymbolen in den Zwickeln, auf den Bogenzwickeln und zweizeilig dem Nischenbogen folgend fortgesetzt der Sterbevermerk.

Maße: H. 160,3 cm (I), 163,1 cm (II), B. 52,5 cm (I), 48 cm (II), T. 12,9 cm (I), 13,9 cm (II), Bu. 7,3 cm, 4 cm, 4,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. [.......]D(VS)a) HONES=//T(VS)b) AC MA(N)SVET(VS) . D(OMI)N(V)S IOHANNES · NACHTEGAELc) CANO(N)IC[VS - - -]d) // [- - -] // [- - -]LAE . PLACIDEe) [O]BD[ORMIVI]T IN D(OMI)NO : AN(N)O . SALVTIS · 1597f) · // · 22 [·] IVN[IO] // HORA · PRIMA // CVI(VS)g) FIDELIS · A(N)I(M)A // REQVIESCAT IN // AETERNAh) // PACEi)

Übersetzung:

Der [ehrwürdige], angesehene und friedliebende Herr Johannes Nachtegael, Stiftsherr [und Senior dieser Kirche] entschlief im Jahre des Heils 1597 sanft im Herrn, am 22. Juni zur ersten Stunde. Seine gläubige Seele ruhe in ewigem Frieden.

Kommentar

Die Schrift ist schnörkellos. Schaft- und Balkenenden sind verbreitert. Serifenartige Verstärkungen finden sich an den Bogen- und Balkenenden, seltener an den Schaftenden. Die Bögen sind meist dünner ausgeführt als die übrigen Bestandteile. A kommt nur in der spitzen Form, jedoch in unterschiedlichem Winkel, einmal mit nach rechts überstehendem rechten Schaft vor. Der Bogen des G ist dünner ausgeführt als der Schaft, die kräftige Cauda ist lotrecht an das Bogenende angesetzt. Das Balkenende des L weist einen Sporn nach oben auf. Schräggestellt sind die Seitenhasten des M, der Mittelteil ist verkürzt. Das ovale O zeigt eine leichte Verstärkung der seitlichen Bogenabschnitte. Der Bogen des P verjüngt sich zum Schaft hin, ohne diesen zu berühren. Q ist wie O oval, jedoch etwas breiter als dieses. Die geschwungene Cauda geht vom linken unteren Bogenabschnitt aus. Die Cauda des R ist gerade. Das untere Schaftende des T ist keilförmig verbreitert. Als Worttrenner dienen Quadrangel und Dreispitze. Die tiefer eingehauenen Buchstaben am oberen Ende der linken Schriftleiste und auf den Bogenzwickeln haben eine breitere Strichstärke. Das O ist wesentlich rundet. R zeigt keine Verbindung zwischen Bogen und geschwungener Cauda. Der Notname Werkstatt H8 der Halberstädter Grabplatten soll für diese zusammen mit der Nr. 197 gelten.

Die tiefer eingehauenen Zusätze zeigen, daß es sich um Nachträge handelt. Die Jahreszahl, deren beide ersten Ziffern zusätzlich noch über der Schriftleiste eingehauen werden mußten, weil nicht genügend Platz vorhanden war, und die Todeszeit mit Tag und Stunde wurden nach dem Tod des Stiftsherren erst eingehauen. Johannes Nachtigal ist zwischen 1555 und 1596 belegt, seit 1579 als Senior des Stiftes.1) Der Kelch in seinen Händen weist ihn als katholischen Priester aus. Dieser Konfession hingen zur Zeit seines Todes die meisten seiner Mitkanoniker noch an.2) Im Nekrolog des Stiftes wird Johannes Nachtigal nicht erwähnt.3) Er ist aber im Verzeichnis der Halberstädter Kalandsbrüder zu finden, einmal mit dem Zusatz seines Sterbejahres.4)

Textkritischer Apparat

  1. [........]DVS] Wohl zu ergänzen zu REVERENDVS.
  2. HONESTVS] Trennungszeichen: Zwei hochgestellte Dreispitze. Der erste Buchstabe beschädigt.
  3. NACHTEGAEL] Das zweite A beschädigt.
  4. CANONICVS] Danach ist vermutlich zu ergänzen ET SENIOR HVIVS ECCL(ESI)AE. Die Kürzung ergibt sich aus den erhaltenen Buchstaben des letzten Wortes.
  5. PLACIDE] Die letzten Buchstaben des Wortes und die noch vorhandenen des folgenden beschädigt.
  6. 1597] Die ersten beiden Ziffern sind auf dem Rand hochgestellt und kleiner eingehauen.
  7. CVIVS] Buchstaben beschädigt.
  8. AETERNA] Die letzten fünf Buchstaben beschädigt.
  9. PACE] Der letzte Buchstabe beschädigt.

Anmerkungen

  1. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 478 S. 236, Nr. 486, 489, 490 und 493 S. 238–240.
  2. Im Kapitel waren noch 1655 nur katholische Mitglieder, obwohl nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens, wie am Beginn des Normaljahres 1624, von den 12 Kapitularen vier evangelisch sein sollten; ebd., S. XIX.
  3. Schmidt 1873.
  4. Hoche 1820, S. 1. Vgl. zum Kaland in Halberstadt auch Fuhrmann 2008; DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 23, 40, 41.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 193 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0019304.