Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 179 Städtisches Museum 1586

Beschreibung

Inschriftenplatte ohne Inv.-Nr. und Herkunftsangabe; ehemals im Turmknopf des südlichen Turms der Martinikirche;1) Blei; in zwei Fragmenten (I, II), einige Risse, das untere Drittel von Fragment II vergangen, Schriftverlust; zwei quadratische Fragmente einer hochrechteckigen Platte mit den zwischen Linien zeilenweise geprägten Namen mit Jahresangabe.

Maße: H. 13,2 cm (I), 13 cm (II), B. 10,9 cm (I, II), T. 0,1 cm (I, II), Bu. 0,6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. I

    ANNO 1586 / B(VRGEMEISTER)a) · CVNKATb) · BREITSPRACH / Kc) · ANDREAS · SISENISENd) / Kc) · HANS · ANHALT · / Me) · NICKEL · BECKING / Me) · ALBRECHTf) · HASENBENg) · / Kc) · ALEXSANDERh) · VDEN · / Kc) · WOLF LAKEMAKER / Zi) · HINRICH · KRAMER · / Zi) · HARMENj) · SCHVER / Zi) · TOMASk) · SCHVER / N Zl) / SENDICVSm) · BENEDICTVSn) /

  2. II

    GERIKEN · / STATSCHRIVER / SALOMON VDENLo) / GERET ENGELKE / GABRIGEL · MEVLLER · / · FILIP · HVSMAN / H[.... .......]G / OL[...]S PA[.]EN[........] / TONNISp) STR[.]V[..] / S · M ·

Kommentar

Wie in Nr. 166 und 167 wurden Prägestempel benutzt, deren G und C ein wenig über das Schriftband heraustragen. Wiederum wirken die Buchstaben durch die Machart ein wenig „wackelig“. Es wurden jedoch nicht dieselben Stempel verwendet, wie etwa die Cauda des R oder der Balken des L zeigen. Das sieht man auch an den Worttrennern, für die man Blüten und Sonnen verwendete, wobei erstere schon große Ähnlichkeiten mit denjenigen von 1580 aufweisen.

Wie schon in früher ausgeführten Bleitäfelchen werden zunächst die Verantwortlichen der Stadt als Auftraggeber für die Dachdeckerarbeiten genannt. Hier kann vielleicht die Kupfertafel aus dem Jahr 1612 zur Anschauung dienen, in der die städtischen Ämter aufgeschlüsselt sind (Nr. 238 †). Danach folgen wohl die Dachdecker und Zinngießer, von denen jedoch nur Filip Husman mit dem gleichnamigen Meister Philip Hausman, einem Schieferdecker, der in der Bleitafel von 1580 erwähnt ist (Nr. 166), identisch ist.

Der Bürgermeister Cunrat Breitsprach wurde schon in der Inschrift am Schuhhof für das Jahr 1579 genannt und auch auf dem Bleitäfelchen von 1580 findet er sich.2) Unter den Brauberechtigten der Jahre 1520 und 1547 kommt dieser Name ebenfalls vor, allein weiß man nicht, ob es sich in jedem dieser Fälle um denselben Bürger handelte.3) Darüber hinaus ist eine Abgrenzung zu Coert oder Kurt Breitsprach schwierig, da es sich hier um eine weitere Form des Vornamens handelt, die jedoch auf dem Bleitäfelchen von 1580 einer zweiten gleichzeitig vorkommenden Person zuzuordnen ist.4) Andreas Sisenisen oder Zisenise ist schon unter den Ratsherrn auf der Bleitafel von 1580 und auch durch die Inschrift Nr. 210 †, die um 1600 entstanden sein muß, zusammen mit anderen und seinem Wappen an seinem Haus in der Kulkstraße 1–2 bezeugt.5) 1571 hatte er noch Lotbier am Hohen Weg gebraut.6) Genannt wird in der Inschrift am Schuhhof und, wenn auch in leicht differierenden Schreibweisen, unter den Brauberechtigten in der Schmiedestraßen-Nachbarschaft in den Jahren 1547 und auch 1570 noch einmal Hans Anhalt.7) Nickel Becking gehörte 1570 und im Folgejahr zu den Brauberechtigten in der Pauls-Nachbarschaft.8) Vermutlich aus der Verwandtschaft um Autor, Bernd und Derik Hasenbein, die sämtlich am Schuhhof genannt wurden,9) stammt Albrecht, dessen Nachname vermutlich aufgrund eines Schreibfehlers in der Inschrift auf der Bleiplatte Hasenben geschrieben ist; er ist in den Jahren 1553, 1565 – am Bredewech (Breiter Weg) – und 1570 unter den Brauberechtigten verzeichnet.10) In diesem Verzeichnis wird auch Alexander Uden genannt, der – ebenfalls im Breiten Weg – zu Marienfahrt (Himmelfahrt) 1567 Lotbier braute und auch für das Jahr 1570 erwähnt wird.11) Wolf oder Wulff Lakemaker gehörte ebenfalls zum städtischen Patriziat, er ist unter den Brauberechtigten am Hohe Weg verzeichnet, wobei nicht eindeutig ist, ob es sich um den Vater, der für die Jahre 1547 und 1570 genannt wird, oder um seinen gleichnamigen Sohn gehandelt hat.12)

Daran anschließend werden offensichtlich die Zinngießer genannt, so Heinrich Kramer, der in der Inschrift Nr. 166 als Kannengießer bezeichnet ist,13) und Harmen Schuer, der mit Hermen Schuer identisch ist, der unter den Brauberechtigten 1547 am Hohen Weg genannt wird bzw. mit Harmen Schure, der 1570 braut.14) Auch für einen Tomas Schuren trifft das zu, der wahrscheinlich mit dem Thomas Schüren oder Scheuren, der 1547 in der Pauls-Nachbarschaft und 1552 Lotbier braut und wohl noch einmal unter dem Namen Thomas Schuren im Jahr 1570 genannt wird.15)

Der Ratsdiener, diese Bezeichnung meint einen Rechtsberater, Benedictus Geriken, hier als Syndicus16) (SENDICVS oder SINDICVS) bezeichnet, und der Stadtschreiber Salomon Uden ließen sich ebenso wie die darauf folgend Genannten nicht weiter belegen. Lediglich Filip Husman ist wohl mit dem 1580 als Meister bezeichneten Schieferdecker Philip Hausman identisch.17)

Textkritischer Apparat

  1. BVRGEMEISTER] Ergänzt nach Nr. 166.
  2. CVNKAT] Sic! Für CVNRAT.
  3. K] Vielleicht entsprechend den Platten aus dem nördlichen Turm, Nr. 218, 238 †, in der die städtischen Ämter aufgeschlüsselt erscheinen, die KEMMERER, die man in große und kleine schied. Möglich wäre auch die Bedeutung RATSHERN, falls – wie im Wort CVNKAT in der vorherigen Zeile – das Repertorie an zur Verfügung stehenden Buchstaben beschränkt gewesen sein sollte.
  4. SISENISEN] Die beiden letzten Buchstaben beschädigt.
  5. M] Vermutlich sind wie in Nr. 238 † die Müntzhern gemeint, wenn es nicht nur für Meister stehen soll.
  6. ALBRECHT] Anstelle des ersten Buchstabens war zunächst ein N ausgeführt worden, das überprägt wurde.
  7. HASENBEN] Sic! Für HASENBEIN.
  8. ALEXSANDER] Sic!
  9. Z] Entweder sind wie in Nr. 238 † die ZINSHERN gemeint oder aber wahrscheinlich eher die ZINGIESSER in der Schreibweise nach Nr. 167 was besonders für den dort erwähnten HINRICH KRAMER gelten könnte.
  10. HARMEN] Das R nachträglich über die Zeile gesetzt.
  11. TOMAS] Sic!
  12. NZ] Vielleicht als NAMEN ZINGIESSER oder NOMINA ZINGIESSER oder ähnlich aufzulösen, vielleicht auch in der Bedeutung NEVER ZINGIESSER zu verstehen ist.
  13. SENDICVS] Lesung unsicher! Schreibweise vielleicht auch SINDICVS; wohl für Syndicus, der Ratsdiener, vgl. Nr. 238 , wo es StadtSyndici heißt.
  14. BENEDICTVS] Der dritt- und viertletzte Buchstabe beschädigt.
  15. VDENL] Sic! Wahrscheinlich für VDEN wie Fragment I, Zeile 6.
  16. TONNIS] Lesung unsicher.

Anmerkungen

  1. Analog zu den übrigen Bleiplatten aus dieser Kirche; siehe dazu Siebrecht 1964, S. 227–231.
  2. Nr. 164 †, Nr. 166.
  3. Bandau 1932, S. 21.
  4. Ebd.; Nr. 166.
  5. Nr. 166. Nr. 210 †, siehe dazu auch Bandau 1932, S. 54.
  6. Ebd., S. 48.
  7. Nr. 164 (†); Bandau 1932, S. 17.
  8. Ebd., S. 18.
  9. Siehe zu Autor Hasenbein Nr. 164 (†), 166, 200, 210 †.
  10. Bandau 1932, S. 28.
  11. Ebd., S. 50.
  12. Ebd., S. 35.
  13. Nr. 166.
  14. Ein Hermen Schuer ist im Jahr 1547 am Hohen Weg als Brauberechtigter erwähnt. Erwähnt wird auch noch ein „Harmen Schüren (auch Scheuren)“, der 1547 für die Pauls-Nachbarschaft und 1553 am Hohen Weg belegt ist. Wie weit Identität besteht, ist letztlich nicht zu klären. Vgl. Bandau 1932, S. 46 f.
  15. Bandau 1932, S. 47.
  16. Vgl. Haberkern/Wallach Bd. 2, S. 607.
  17. Nr. 166.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 179 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0017905.