Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 172 St. Martini nach 1581

Beschreibung

Epitaph für Joachim Blume und seine Frau Lucia Schuten;1) im südlichsten Joch des Südquerhauses an der Westwand in ca. 115 cm Höhe angebracht; Sandstein, hell, farbig gefaßt, bestoßen, Fassung teilweise erloschen bzw. verwittert, verschmutzt, sonst gut erhalten; Relief, von geschweiftem Umriß, dreigeschossig mit Rundgiebelabschluß, die Seitenteile mit Beschlag- und Rollwerk verziert, in einer Kartusche im Unterhang zeilenweise erhaben ausgeführt die Gedenkinschrift (A), deren Rahmung und Pilastersockel mit Blüten und Muschelornamenten geschmückt, im Feld darüber in einer Rollwerkkartusche vielfigurige Grablegung flankiert von zwei Pilasterfiguren, links Justitia, rechts Caritas, darüber im Sockelfeld flankiert von zwei Löwen mit Ringen im Maul eine Rollwerkkartusche mit dem Bibelzitat (B), zeilenweise erhaben ausgeführt, das Hauptfeld zeigt eine vielfigurige Kreuzigung, eingefaßt von ionischen Säulen mit Postamenten und beschlagwerkgeschmückten Säulenstrümpfen, zu deren beiden Seiten heute je eine leere Nische mit halbrundem Muschelabschluß, die ehemals wohl weitere personifizierte Tugenden enthielten, darüber je ein Vollwappen, am Sockel des Giebelaufsatzes drei goldene Adler mit gespreizten Schwingen, über den Säulenkapitellen je ein goldener Löwenkopf, in der Nische des Giebelaufsatzes, flankiert von zwei den Giebel tragenden Hermenpilastern die Auferstehung Christi.

Maße: H. ca. 285 cm, B. ca. 120 cm, T. 30 cm, Bu. 1,4–1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/4]

  1. A

    ANNO 15//81 DEN 4 / NOVEMBRIS IST DER ER/BAR IOACHIM BLVME / ZV HALBERSTADT VND DAN / ZVVOR LVCIA SCHVTEN SEI/NE EHELICHE HAVSFR//AW / ANNO 1573 DEN 2. / APRILIS ZV CONRAD/TSPVRCK IN GODT SE/LIGLICHEN ENDSCHLA/FEN VND LIGT ZV ER/MESLEWEN BEGRAW/EN DER BEIDE GO/DT GENEDIG SEY / A · M · E · Na)

  2. B

    IOHANNIS AM 3 / DAS BLVT IHESV CHR/ISTI GOTTES SOHN MA/CHT VNS REIN VON AL/LE VNSERN SINDEa)2) ·

Wappen:
Blume3)Schuten4)

Kommentar

Serifen befinden sich an Schaft- und Balkenenden, teilweise auch an den Bogenenden. A kommt nur in spitzer Form vor. Der untere Bogen des B ist größer als der obere. C hat keine Serifen an den Enden. E zeigt einen verkürzten Mittelbalken, der untere Balken ist sehr lang. Die Cauda des G ist angesetzt und an ihrem unteren Ende nach rechts umgebogen. Der Mittelteil des M ist verkürzt, die Seitenhasten stehen fast gerade. Das O ist oval, die Cauda des R verläuft gerade. V kommt nur in spitzer Form vor. Als Worttrenner wurden zwei stilisierte Rosetten und Rauten benutzt.

In seiner Hallenser Dissertation schreibt Sebastian Schulze das Epitaph aufgrund seiner Gestaltung, insbesondere der Ornamentik, „mit größter Sicherheit“ Zacharias Bogenkrantz zu, der vielleicht ein Schüler des Hans Schenck gen. Scheußlich gewesen ist, als dessen Hauptwerk das Epitaph für Erzbischof Friedrich von Brandenburg († 1552) im Halberstädter Dom (DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 201) gilt.5) Das Gesims zwischen Hauptgeschoß und Unterhang sieht er nach dem Epitaph derer von Bortfeld in Quedlinburg gestaltet.6) Im Dorf Sinsleben (heute zu Ermsleben im Harzkreis gehörig), woher er vielleicht stammte, wo er seit spätestens 1573 Grundbesitz hatte und wohl auch lebte, war der dort ansässige Bildhauer aber übel beleumdet.7) Bei der Visitation des Jahres 1589 im Halberstädtischen warf man ihm vor, daß er „seit drei Jahren nicht zum Abendmahl gegangen sei“. Ihm wurde angedroht, daß mit ihm, wenn er unbußfertig sterbe, nach der „Instruction“ verfahren werde, mit anderen Worten, daß er, weil unbußfertig, ohne vollständiges christliches Begräbnis zu Grabe getragen werden solle.8)

Ein Jochim Blome auf dem „Bredewech soll Montag nach Mariä Himmelfahrt Lotbier brauen“, heißt es im Verzeichnis der Halberstädter Brauberechtigten im Jahr 1571.9)

Textkritischer Apparat

  1. AMEN] Der mittlere Worttrenner eine vergrößerte Rosette.
  2. SINDE] Sic!

Anmerkungen

  1. BKD, S. 408.
  2. 1 Jh 1,7.
  3. In Blau ein ausgerissener schwarzer (?) Rosenstock mit drei goldenen Rosen, HZ: die Wappenfigur.
  4. In Blau drei liegende goldene Säulen, HZ: die Wappenfigur.
  5. Schulze 2010, S. 84 f. mit Abb. 67–70; ebd., S. 72 f.; Cante 2007, S. 326 mit Anm. 12 und S. 376 f.
  6. Schulze 2010, S. 84 f.
  7. Auch zum Folgenden Nebe 1880, S. 256; Schulze 2010, S. 64 f., 73 f., zu Zacharias Bogenkrantz und seinem Œuvre allg. ebd., S. 63–110.
  8. Zu den Aufträgen der Visitatoren gehörten auch Gesinnungseinschätzungen von Abweichlern, wozu ihnen sieben Artikel an die Hand geben waren, darunter auch der fünfte „Von der Disziplin“, wo es zu den Abendmahlsverweigerern heißt, daß sie „auch wo sie in Unbussfertigkeit sterben, ohne Geläut und Gesang begraben werden“; Nebe 1880, S. 24. Siehe z. B. auch Ulm, Stadtarchiv, Reichstädtischer Aktenbestand Nr. 14, Pfarrkirchenbaupflegeamt Nr. 2 (Religionswesen, Kirchenzucht, Kirchenordnungen), A[1531]; dort heißt es, daß „Personen, die ein ärgerliches Leben führen ... Personen, die unbußfertig sterben, nicht verkündet noch auf dem inneren Gottesacker begraben werden sollen“.
  9. Bandau 1932, S. 19.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 172 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0017209.