Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 155 St. Martini 1574 oder danach

Beschreibung

Epitaph für den Oberprediger Jodocus, (Jobst, vielleicht auch Justus genannt?) Otto; an der Ostwand des Südquerhauses; Sandstein, hell; beschädigt, Schrift durch Erosion teilweise zerstört; im Binnenfeld, unter einer von kannelierten Säulenpilastern mit korinthischen Kapitellen getragenen Rundbogenarkade mit Engelsflüchten in den Zwickeln, stehend ein langbärtiger Prediger, gekleidet in eine Schaube, ein geöffnetes Buch in den Händen, beiderseits der Füße je ein Wappen, am Gebälkfries und auf einer Kartusche im Bildfeld fortgesetzt die Gedenkinschrift (A), in eingetieften Feldern auf den Säulenpostamenten Sterbeinschrift und Devise (B), dem Nischenbogen folgend das Bibelzitat (C), sämtlich zeilenweise und erhaben ausgeführt. Das von Doering abgezeichnete Steinmetzzeichen entspricht nicht exakt der Form wie sie sich am Epitaph zwischen den Füßen des Dargestellten erweist.1)

Ergänzungen nach der Zeichnung von Schäfer.

Maße: H. 205,5 cm, B. 115,5 cm, T. 14 cm, Bu. 4 cm (A), 3–3,3 cm (B), 3 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/5]

  1. A

    IVSTOa) OTTHONI EIMBECENSI PIETATEb) / INSINGNIc) ERVDICIONE MVLTA MORVM / VITAEQVE INTEGRITATEd) ADMIRANDO // QVI PRIMVSe) IN HAC SACRA AEDE PVRVM / EVANGE[LII] EXPVGNATO ANTICHRISTO DOGMA / TOTOS ANNOS · 34 [·] FIDELITER INTREPIDEQVE / AD VLTIMVM VITAE ANHELITVM [PROPAGA]VIT / [FRA]CTVS TANDEM SENIOf) AC LABORE ANIM[AM D]EO / CORPVSg) TERRAE AMICIS SVMMO SVI DESIDERIO RELICTO / TRADIDIT · HAEREDES POSVERE ·

  2. B

    OBIITh) / ANNO / 1574 / IDIBVS / · OCTO/BRIS 2) · // CVM / VIXIS/SET / ANN[O]S / · 73 · / V(ERBVM) D(OMINI) M(ANET) I(N) AE(TERNVM)h) 3)

  3. C

    EGO VIVO ET VOS VIVETIS / · IOAN · // [V] · 14 ·4)

Übersetzung:

A: Dem Jodocus (oder: Dem gerechten) Otto aus Einbeck, wegen seiner ausgezeichneten Frömmigkeit, großen Bildung und Reinheit seiner Sitten und seiner Lebensführung bewundernswert, der, nach der Überwindung des Antichristen, zuerst in diesem heiligen Hause die reine Lehre des Evangeliums ganze 34 Jahre hindurch gläubig und unerschrocken bis zum letzten Atemzug seines Lebens verbreitet hat. Gebeugt endlich durch Altersschwäche und Arbeit hat er seine Seele Gott, durch seine Freunde auf seinen letzten verbliebenen Wunsch hin den Körper der Erde übergeben. Seine Erben haben [dieses Denkmal] gesetzt. B: Er starb 1571 an den Iden des Oktober,2) nachdem er 73 Jahre gelebt hatte. Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. C: Ich lebe und ihr werdet leben; Johannes 5,14.

Wappen:
Otto5unbekannt6)

Kommentar

Es handelt sich um eine breit gelagerte Schrift mit Sporen an Schaft-, Balken- und Bogenenden. A kommt ausschließlich in spitzer Form vor. Die rechte Haste steht durch einen Sporn leicht über. Der obere Bogen des B ist größer als der untere, die Bogenstärke ist schmaler als diejenige des Schaftes. E weist einen verkürzten Mittelbalken auf. Das obere Bogenende des G ist stark verbreitert, die Cauda angesetzt und nach links um 90° abgewinkelt. Der Mittelteil des M wird bis zur Grundlinie geführt, die Seitenhasten verlaufen gerade. O ist etwas unregelmäßig, entweder breiter oder schmaler proportioniert. Die Cauda des Q kann nur als Verlängerung des linken unteren Bogenabschnitts bezeichnet werden. Sie läuft spitz aus und ist teils abwärts teils waagerecht ausgerichtet. Die Cauda des R ist langgestreckt. Auch das S wirkt gestreckt, die Bogenenden sind verbreitert. Die linke Haste des X verläuft gerade, die rechte geschwungen. Als Worttrenner werden Quadrangel verwendet.

Der Prediger Jodocus (bzw. vielleicht auch Justus) Otto war im Jahr 1534 noch als katholischer Priester ordiniert worden. Er stammte aus Einbeck und hatte dort einige Jahre im Kloster zugebracht.7) Der Graf von Regenstein berief ihn zu seinem Hofprediger. 1540 trat er die Pfarrstelle in St. Martini an. Otto nahm als örtlicher Beigeordneter an der ersten Halberstädter Visitation im Jahr 1564 teil. Über die Größe der Pfarre, ihre Einnahmen, die Besoldungsverhältnisse der Geistlichen und den Betrieb der Martinischule informieren die Visitationsprotokolle.

Textkritischer Apparat

  1. IVSTO] Die Form kann ebenso für den Namen Jodocus stehen, wie die gleiche Verwendung von Iustus für Jodocus in Nr. 265 zeigt, als Jodocus Petri wie in Nr. 242, 243 benannt, Iustus Petri genannt wird, aber auch in der Bedeutung für Lateinisch „der Gerechte“ stehen. Vermutlich ist hier auf beide Bedeutungen angespielt.
  2. PIETATE] Der letzte Buchstabe beschädigt.
  3. INSINGNI] INSIGNI Zeichnung Schäfer.
  4. INTEGRITATE] Auf dem Denkmal in zwei Worten IN TEGRITATE.
  5. PRIMVS] Die beiden letzten Buchstaben und die beiden folgenden beschädigt.
  6. SENIO] Der zweite Buchstabe beschädigt.
  7. CORPVS] Der erste Buchstabe beschädigt.
  8. OBIIT–AETERNVM] Sämtliche Buchstaben beschädigt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Taf. 62 Nr. 17.
  2. 15. Oktober 1574.
  3. Nach Is 40,8; vgl. dazu auch Stopp 1969, S. 123–135; DI 42 (Einbeck), S. XXI Anm. 38; DI 75 (Halberstadt Dom), Nr. 215 mit Anm. 6; Fuhrmann 2006, S. 271 f.
  4. Io 14,19.
  5. Ein Herz, aus dem oben ein Kreuz hervorgeht.
  6. Eine Frau, einen mit den Wurzeln ausgerissenen Baum in der Hand haltend.
  7. Dazu und zum Folgenden Nebe 1880, S. 13 mit Anm. 1, 15, 34, 219; Langenbeck 1886, S. 33 f.; BKD, S. 207, 390; Arndt 1909 a, S. 191; Reformationsgeschichte der Martini-Kirche, S. 326 f.; Abel 1732 (Hamelmann), S. 400.

Nachweise

  1. Zeichnung von Schäfer 1842 (A–C).
  2. Zeichnung von Teitge (A teilweise, B, C).

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 155 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0015508.