Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 134 Petershof 1555

Beschreibung

Relief des Heiligen Stephan mit Inschriftentafel; etwa in der Mitte der Ostwand des Westflügels in ca. 400 cm Höhe; Sandstein, hell; stark verwittert, Schriftverlust; Relief, unter einem rundbogigen Aufsatz, den eine Fächerrosette ausfüllt und der seitlich in zwei Voluten endet sowie von einer weiteren bekrönt wird, flankieren zwei mit aus Vasen aufsteigenden Blumenornamenten geschmückte Pilaster, die in der Mitte je ein Medaillon mit einem antikisierenden Bildnis enthalten und das Gebälk tragen, das Hauptfeld mit der Darstellung des Heiligen Stephan mit Palmzweig und Buch mit Steinen; unter einer verkröpften Konsole die flach gerahmte Inschriftentafel mit der zeilenweise erhabenen Bauinschrift (A) und der darunter befindlichen Jahreszahl (B).

Maße: H. ca. 190 cm, B. ca. 100 cm, Bu. ca. 7 cm.

Schriftart(en): Fraktur mit Versalien in gotischer Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. A

    Iurea) dioces(a)nib) domini cumc) sede vacant[e] / Rever(endiss)imid) domuse) hec inclita structa fuitf) / E[...]iag) queh) nostre te[..]ei) domusq(ue)j) pe[.......]sk) / [...... tem]poribusl) he[c]cem) ded[..]sim(us)n) /

  2. B

    1 · 5 · 55 · o)

Übersetzung:

Nach dem Recht des Diözesanherrn ist dieser erlauchte Palast, als der Bischofssitz des Allerehrwürdigsten [d. h. des Bischofs] unbesetzt war, gebaut worden. [Die Kirche], die unseres Landes und Palastes [- - -], siehe in [- - -] Zeiten [- - -] haben wir geschaffen.

Versmaß: Vier Hexameter oder, nach der Anordnung auf dem Stein, zwei elegische Distichen (?).1)

Kommentar

Die Buchstaben sind spitz, nur wenige sind normal gebrochen. Die Formen wirken langgestreckt. Die Unterlängen sind betont, die Schwellzüge nur leicht ausgeprägt. Der linke Bogen des a ist geschwungen und an seinem unteren Ende wie der Schaft nach rechts umgebrochen. Der Bogen des c ist fast zum Schaft geworden, die Brechungen sind spitz. Der linke Bogenabschnitt des d verläuft geschwungen und unten spitz umgeknickt, der rechte obere, verschmolzene, ragt, nur leicht nach links geneigt, über den linken hinaus. Der obere Bogenabschnitt des e hat meistens eine gerundete, manchmal eine etwas spitzige Form. Das i weist einen Anstrich von links und einen runden i-Punkt auf. Die Schäfte von m, n und u sind am oberen Ende sämtlich leicht gebrochen. Oben rund, unten jedoch spitz gebrochen ist das länglich-ovale o. Auch der obere Bogenabschnitt des q ist spitz gebrochen. Die Fahne des r ist wohl zu einem Quadrangel reduziert. Eine spitz zulaufende Unterlänge weist das Schaft-s auf. Der Balken des t ist nur winzig. Die rechte Haste des ausschließlich spitzen v ist nicht gebrochen. Die Majuskeln sind geschwungen und verschlungen.

Vermutlich handelt es sich um eine Bauinschrift, in der das Domkapitel wegen der bestehenden politischen Lage in den Jahren zwischen 1552 und 1557 – nach dem Tod des Administrators Friedrich von Brandenburg und vor dem Amtsantritt seines Stiefbruders und Nachfolgers Sigismund – mit einiger Vorsicht, weil letzterer, wenn auch in zwiespältiger Wahl, schon bestimmt war, aber noch ohne Bestätigung der Kurie, in gewundenen Worten mit Hinweis auf die Sedisvakanz als Bauherr für den Bistumspatron anstelle des Bischofs bzw. Administrators die Fertigstellung des Baus anzeigt.2) Wegen der komplizierten politischen Verhältnisse verzichtete man wohl auch darauf, nur das Wappen des Domstiftes anzubringen, sondern begnügte sich mit einer Abbildung des Heiligen Stephan als Patronatsherrn, der das Stiftswappen hält. Daß es sich bei der Inschrift um einen versifizierten Text handelt, läßt sich nur vermuten, nicht mehr beweisen.

Textkritischer Apparat

  1. Iure] Ince Arndt, Kunze.
  2. diocesani] Lesung und Ergänzung unsicher; Kürzungszeichen fehlt; diocesia Arndt, Kunze.
  3. cum] Fehlt Arndt, Kunze.
  4. Reverendissimi] Die drei ersten Buchstaben beschädigt; fehlt Arndt, Kunze.
  5. domus] Alle Buchstaben beschädigt.
  6. fuit] Sämtliche Buchstaben beschädigt. Lesung und Ergänzung unsicher.
  7. E[...]ia] Die erhaltenen Buchstaben beschädigt. Vielleicht für Eccl(es)ia; Gloriaque Arndt, Kunze.
  8. que] Die beiden ersten Buchstaben beschädigt.
  9. te[..]e] Vielleicht zu ergänzen zu terre, so Arndt.
  10. domusque] Sämtliche Buchstaben beschädigt; domib(us) Arndt, Kunze.
  11. pe[.......]s] Die noch vorhandenen Buchstaben beschädigt; p ... Arndt, Kunze.
  12. [..... tem]poribus] Sämtliche noch vorhandenen Buchstaben der Zeile beschädigt, Lesung unsicher; temporibus Arndt, Kunze.
  13. he[c]ce] Wohl für ecce, hecce Arndt, Kunze.
  14. ded[..]simus] ded...vis Arndt, Kunze.
  15. 1555] Die erste und dritte Ziffer beschädigt.

Anmerkungen

  1. Unsicher und mit einigen prosodischen Schwierigkeiten.
  2. Vgl. dazu Nr. 124, 125, 133. Zur Baugeschichte des Petershofs siehe auch BKD, S. 442–446.

Nachweise

  1. Arndt 1910 a, S. 94.
  2. Kunze 2001, S. 24.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 134 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0013409.