Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 130 St. Martini 1554

Beschreibung

Epitaph für Christoff von Leipzig; am nordwestlichen Vierungspfeiler nach Norden; Sandstein, hell; Rand bestoßen, leichte Verwitterungserscheinungen, sonst gut erhalten, Reste einer Farbfassung; Relief, im stark vertieften linken Teil kniet der Ritter in vollem Harnisch (Achselflügel, Ellenbogen- und Kniekacheln, Halsberge, Gänsebauch mit Turnierhaken, Beintaschen, Bein- und Schuhzeug), die Hände vor dem Bauch gefaltet, vor einem leicht erhaben ausgeführten Kruzifixus. Zu Füßen des Kreuzes ist der mit drei Pfauenfedern geschmückte Bügelhelm des Ritters abgelegt, darunter liegt sein Schwert. Im linken oberen Drittel des Steins zeilenweise eingehauen die Gedenkinschrift in Form eines Sterbevermerks (A), auf dem Schriftband am oberen Kreuzesarm, erhaben ausgeführt, der Kreuztitulus (B), am unteren Kreuzarm das Steinmetzzeichen. Den oberen Abschluß bildet das in einer Nische unter einem nach unten gekehlten, vorkragenden Viertelbogen angebrachte Vollwappen von Leipzig, das, wie vermutlich das gesamte Epitaph, erst 1554 geschaffen wurde, darüber ist wiederum das Steinmetzzeichen eingehauen,1) am oberen Rundbogenabschluß einzeilig eingehauen die Jahreszahl mit Initialen als Wappenbeischrift (C).

Maße: H. 295 cm, B. 106 cm, T. 13 cm, Bu. 4,6–5 cm (A) 5,5 cm (B), 4,5 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/5]

  1. A

    ANNO · / 1 · 5 · 50 · IAR / AVFa) · DEN · DAG · VN=/SERS · HERN CHRISTI · / GEBORTa) · AM · SONNTA(G)b) AN/DRE(AS)c) 2) · IST · DER · ERBAR · VNT / ERENFESTEN / CRISTOFF=/EL · VON · LEIP=/CZIK · ALHIR / IN · GOT VORd) / SEIe) · Af)

  2. B

    · I(HESVS) · / N(AZARENVS) · R(EX) / · I(VDEORVM)3) ·

  3. C

    1 · 5 · C(RISTOFFEL) · V(ON) · L(EIPCZIK) · 54

Wappen:
Leipzig4)

Kommentar

Die Schrift ist unregelmäßig ausgeführt. Sie zeigt einige Anklänge an die gotische Minuskel, wie etwa die manchmal gebrochenen Bögen des O. Hasten-, Balken- und Bogenenden sind in ganz unterschiedlicher Weise verbreitert. So kommen Serifen neben keilförmigen Verbreiterungen vor. A ist nur in der spitzen Form zu finden, der Deckbalken steht meist an beiden Seiten über und ist teils nach unten durchgebogen. Der obere Bogen des B ist etwas größer als der untere. Der Bogen des C ist nach vorne weit offen. Der Schaft des D ist verkürzt, der Buchstabe also nicht geschlossen. Der Mittelbalken des E ist stark verkürzt, die Cauda des G angesetzt. Der Balken des L ist sehr kurz. Die Seitenhasten des M sind schräggestellt, der Mittelteil wird verkürzt. O kommt in zwei Formen, oval bis spitzoval und eckig (gebrochen) vor. Die Cauda des R ist stark geschwungen und reicht nicht immer bis zur Grundlinie. S ist leicht linksgeneigt. Der Balken des T ist leicht nach unten durchgebogen. Als Worttrenner fungieren Quadrangel.

Das am Denkmal zweimal vorkommende Steinmetzzeichen läßt an eine Herstellung beider Teile im Jahr 1554 denken.

Es handelt sich bei Christoff von Leipzig vielleicht um den kurfürstlichen Rat und Landvogt des Kurfürsten Ernst von Sachsen (1464–1486) und seines Sohnes Friedrichs des Weisen (1486–1525), den Peckenstein im Theatrum Saxonicum erwähnt.5) Er soll Kurfürst Ernst auf dessen Romfahrt 1480 und Friedrich den Weisen 1493 ins Heilige Land begleitet und seinen Herren6) oft als Abgesandter gedient haben. Nach Peckenstein war er „ein ansehnlicher / weltweiser und bescheidener Mann“.7) Allerdings hatte Christoff von seiner Frau, einer geborenen von Plato, einen gleichnamigen Sohn, der ebenfalls der mit dem Epitaph in der Martinikirche Bedachte gewesen sein könnte.8) Der Name Christoph war ein Leitname in dieser Familie. Eine Nachfahrin von Christoff von Leipzig, Barbara von Leipzig, hatte einen Herrn von Dorstadt geheiratet und verstarb wohl im Jahr 1597; vgl. Nr. 195.

Textkritischer Apparat

  1. AVF–GEBORT] Damit ist wohl nicht das Weihnachtsfest gemeint, sondern auf in der Bedeutung von nach, danach, um die Anzahl der vergangenen Jahre anzuzeigen. Vgl. auch Lübben Bd. 5, Nr. 2 up, uppe, Grimm Wörterbuch Bd. 1, Sp. 610 f. Nr. 20–21 auf. Diese Bedeutung zeigt auch das doppelt verwendete ANNO bzw. IAR an.
  2. SONNTAG] T und A ligiert, das Wort durch einen anschließenden Doppelpunkt gekürzt. Der Augenschein scheint eher SONNA(BEND) zu suggerieren, doch fällt der Andreastag am 30. November im Jahr 1550 auf einen Sonntag.
  3. ANDREAS] Das Kürzungszeichen für VS hier für die Buchstabenkombination AS benutzt.
  4. VOR] Vermutlich zu ergänzen zu VORSCHIDEN. Eine zweite Variante könnte auch die Form VORSEI als ein Wort in der Bedeutung verschieden meinen und das folgende A zu AMEN zu ergänzen sein. Allein eine diesbezügliche Form ist in den einschlägigen Wörterbüchern nicht auffindbar. Vgl. Lübben Bd. 5, S. 432 f. vorsche(i)den, Grimm Wörterbuch Bd. 12, Sp. 1062 f. verscheiden.
  5. SEI] Zu ergänzen wohl zu SEINS.
  6. A] Zu ergänzen wohl zu ALTERS. Die Ausführung der Jahre ist dann unterblieben.

Anmerkungen

  1. Taf. 62 Nr. 10.
  2. 30. November 1550.
  3. Io 19, 19.
  4. Ein linksgewendeter springender Fuchs, an Stelle der Lunte mit Hahnenfedern besteckt, HZ: über Wulst u. Bügelhelm der Fuchs wachsend; vgl. Siebmacher Sa, S. 37 mit Taf. 41. Das Wappenbild zeigt kein springendes Pferd wie BKD, S. 408 annehmen, aber vielleicht hat der Steinmetz die Figur falsch verstanden. Vgl. zur Familie Ledebur Bd. 2, S. 22 und Bd. 3, S. 300; Kneschke Bd. 5, S. 450 f., Ledebur 1847, S. 341; Adelslexikon Bd. 7, S. 253.
  5. Peckenstein 1608, Bd. 1, S. 119.
  6. LexMA Bd. III, Sp. 2178 f. (K[arlheinz] Blaschke); Enzyklopädie der Renaissance, S. 173 f.
  7. Peckenstein 1608, Bd. 1, S. 119.
  8. Ebd.

Nachweise

  1. BKD, S. 407 f. Nr. 2.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 130 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0013001.