Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 88 Westendorf 16 1521

Beschreibung

Schwellbalken; Holz, schwarz eingefärbt, überstrichen, teilweise abgewittert, Schäden durch Baumaßnahmen, Ausschälungen usw.; traufenständiges Haus auf einem Sandsteinsockel von ca. 20 cm Höhe mit mittiger Toreinfahrt, in der Mitte des Dachgeschosses ein Kranhaus, flankiert von je zwei, bekrönt darüber von drei Dacherkern, an der mit schmalen Schiffskehlen und Blattrosetten verzierten Schwelle des zweiten Geschosses in zeilenhoch eingetieftem Inschriftenfeld im Anschluß an das Wappen das Gebet und ihm folgend die fragmentierte Bauinschrift mit Datumsangabe. Den Abschluß bildet ein Medaillon mit einem von Rosetten gefüllten Drudenfuß.

Maße: H. ca. 15 cm, B. ca. 1600 cm, Bu. ca. 10 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien in gotischer Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/6]

  1. O · rex · Glorie · (christe)a) · veni · cvm · pace · Annob) · d(omi)ni · xvc xxi · circa · festvmc) · santed) · Anne1) · este) · edific[- - -]ibef) // per leocickg)

Übersetzung:

O König der Ehre, Christus, komm mit [deinem] Frieden. Im Jahre des Herrn 1521 um das Fest der heiligen Anna1) ist erbaut worden [- - -] durch ....

Wappen:
unbekannt2)

Kommentar

Als auffälligster Buchstabe ist das doppelstöckige a zu bezeichnen. Der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens ist gerundet und verbreitert sich zum Schaft hin. Der obere Bogenabschnitt des c ist waagerecht umgebrochen. Der zum Linksschrägschaft mutierte, obere rechte Bogenabschnitt des d endet leicht verbreitert. Der abgeknickte obere Bogenabschnitt des e ist verbreitert. Der Mittelbalken des f kreuzt den Schaft. Der obere Schrägschaft des k ist zu einem Quadrangel reduziert, das mit einem dünnen Verbindungsstrichlein zum unteren Schrägschaft führt. Die Brechung des linken Bogenabschnittes des o geht so weit, daß dieser fast zu einem Schaft aufgelöst wird und der untere Teil des gebrochenen linken Bogens nur sehr klein ist. Zwischen dem oberen Schaftende und dem oberen Teil des gebrochenen Bogens des p besteht keine Verbindung. Der untere Bogenabschnitt kreuzt den Schaft. Die Fahne des r ist zu einem Quadrangel reduziert. Der unten daran ansetzende dünne Zierstrich ist geschwungen. Schaft-s zeigt einen sehr knappen abgeknickten oberen Bogenabschnitt. Die linke Haste des v ist an ihrem unteren Ende nach rechts umgebrochen, während die rechte gerade verläuft. Die linke Schräghaste des x ist senkrecht gestellt, die rechte ist als leicht geschwungener Haarstrich ausgeführt und am Ende zu einer nach links oben weisenden Fahne umgebrochen. Ein kleiner Balken kreuzt die beiden Schäfte an ihrem Treffpunkt. Die Bogenenden desMajuskel-G sind ansatzweise gespalten. Das vollrunde A ist mit geschwungenen Verzierungen versehen. Der Deckbalken des kapitalen A steht beidseitig weit über und ist an den Enden verbreitert. Die Schäfte weisen spitz ausgezogene Schwellungen auf. Als Worttrenner wurden Quadrangel mit an den Enden gegenläufig eingerollten Zierstrichen benutzt.

Die Inschrift bringt Kunze in einer deutschen Übersetzung, die aber nur vage dem realen Text entspricht und zum Teil falsch ergänzt ist.3) Die Bauzeit des Hauses schätzt Arndt irrtümlich auf 1532 bis 1575.4) Doering rechnet die Bauperiode stilgeschichtlich der von ihm postulierten „Übergangsperiode von der Gotik zur Renaissance bis etwa 1580“ zu, die er von der bis etwa 1530 währenden gotischen unterscheidet.5) Der erste Teil des Textes mit dem Friedensgruß ist eigentlich ein Glockengebet; als die vielleicht häufigste Glockeninschrift hat er sich an Glocken seit dem 12. Jahrhundert bis in die Zeitgeschichte erhalten.6) Schon seit dem 11. Jahrhundert wird er im Zusammenhang mit dem Gottesfrieden, der treuga dei oder pax dei erwähnt. Daran schließt sich eine leider unvollständige Bauinschrift an. Der nur unsicher lesbare Name, der auch noch offen läßt, ob es sich um Teile eines Vornamens, eines Nachnamens oder beider Namensteile handelt, konnte in den Quellen nicht zugewiesen werden.

Textkritischer Apparat

  1. christe] Befund: xpe ohne Kürzungszeichen; XRe Arndt.
  2. Anno] Ab hier fehlt der Text BKD, Arndt.
  3. festvm] Der dritte Buchstabe beschädigt.
  4. sante] Sic! Für sancte.
  5. est] Der letzte Buchstabe beschädigt.
  6. edific[- - -] ibe] Wohl zu ergänzen zu edifc[ata est hec domvs - - -]. Die letzten Buchstaben nicht sicher zu lesen.
  7. leocick] Lesung unsicher.

Anmerkungen

  1. 26. Juli.
  2. Siehe Taf. 62 Nr. 7.
  3. Kunze 2001, S. 21 mit Abb.
  4. Arndt 1910 a, S. 96.
  5. BKD, S. 464, 495.
  6. Walter 1913, S. 162–167; Schubart 1896, S. 533, 534–545.

Nachweise

  1. BKD, S. 495 (teilweise).
  2. Arndt 1910 a, S. 96 (teilweise).

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 88 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0008802.