Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 36 Holzmarkt 1 1433, 1686

Beschreibung

Standfigur, sog. Roland; seit 1998 wieder an der südwestlichen Ecke des Rathauses, zwischenzeitlich seit 1951 an der Turmfassade der Martinikirche angebracht; Sandstein, hell, ehemals polychrom gefaßt,1) Abplatzungen, Risse und Bestoßungen, Schriftverlust; gekleidet in Mantel und einen Lentnerharnisch, mit der Rechten das an die Schulter gelehnte Schwert haltend, vor der linken Schulter den Schild mit dem Reichswappen angehängt, die linke Hand ist in den Gürtel eingehakt, um den Rand der rosettenförmigen Schließe des mit vierblättrigen Blüten verzierten Plattengürtels einzeilig umlaufend eingehauen die Jahresangabe (A). Ehemals über dem Kopf und auf dem Schwertknauf der Skulptur die Renovierungsinschrift (B).2)

Text ergänzt nach BKD (A) und Uffenbach 1753 (B).

Maße: H. ca. 420 cm, B. ca. 150 cm, T. 64 cm, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A).

LDASA Halle (Repro) [1/4]

  1. A

    an(n)o · d(omi)nia) · [millesimo] · ccccb) · [xxxiii ·]c)

  2. B †

    Renovatum // 1686

Übersetzung:

A: Im Jahre des Herm 1433. B: Erneuert 1686.

Wappen:
Heiliges Römisches Reich3)

Kommentar

Der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens des doppelstöckigen a ist noch gerundet vorhanden. Der rechte Teil des aufgelösten oberen Bogens verläuft waagerecht und wird nach rechts um 90° abgeknickt. Die oberen und unteren Bogenabschnitte des c sind waagerecht umgebrochen. Als Spitzoval ist die Grundform der durch Brechung aufgelösten Bogenlinie des o zu bezeichnen. Als Worttrenner dienen Quadrangel.

Ursprung, Verbreitungsgebiet und Funktion der Rolandsstatuen sind trotz – vielleicht auch gerade wegen – einer überbordenden Fülle an Veröffentlichungen zum Thema immer noch nicht präzise und erschöpfend erforscht und dargestellt.4) Es handelt sich um Rechtssymbole, die als Ausdruck durch Tradition vermittelter Privilegien und Freiheiten eines Ortes – meist an den nördlichen und östlichen Rändern des Reiches – oft auf Marktplätzen angebracht wurden.5) Der Bremer Roland (1404) war vermutlich Vorbild für die Skulptur in Halberstadt (1433).6) Der Roland in Halberstadt wird schon bei Zeiller im Jahr 1632 als mit eisernen Klammern an der Rathauswand angebracht und mit einem Schutzdach versehen erwähnt.7) Vielleicht hat die Skulptur aber ursprünglich frei auf dem Fischmarkt gestanden.8) Ob es einen Vorgänger des steinernen Rolands von 1433 gegeben hat, vor dem im Jahre 1423 während der Halberstädter Schicht Ratsherren hingerichtet worden sein sollen, wovon zuerst Winnigstedt, später Zeiller und andere berichtet haben, läßt sich nicht beweisen.9)

Textkritischer Apparat

  1. domini] Der erste Buchstabe sowie der vorangehende und folgende Worttrenner beschädigt; dmi Scheffer.
  2. cccc] Die ersten drei Buchstaben beschädigt.
  3. xxxiii] 1443 Lucanus.

Anmerkungen

  1. Uffenbach 1753, S. 150.
  2. Ebd.
  3. Vgl. Siebmacher Souv2, S. 3 f. mit Taf. 2 f.
  4. Vgl. LexMA VII, Sp. 952–954 (W[infried] Trusen); HRG Bd. 4, Sp. 1102–1106 (W[infried] Trusen); einen Überblick über relevante Literatur und Hypothesen geben die Arbeiten von Gathen 1960, Munzel-Everling 1999, Pötschke 1988, Pötschke 1999, Pötschke 2002 und Pötschke 2007. Siehe dazu auch die Arbeiten zum Halberstädter Roland von Rolf Lieberwirth, Volker Schimpff, Dieter Pötschke, Gudrun Wittek, Hans Werner Hehn im Themenheft des Nordharzer Jahrbuchs 11 = Veröffentlichungen des Städtischen Museums 1986.
  5. Gathen 1960, S. 106; Appuhn 1975, S. 1; Pötschke 1986, S. 21 f.; Rempel 1989, S. 75; HRG Bd. 4, Sp. 1102–1106 (W[infried] Trusen); Pötschke 2002, S. 190, 193; Pötschke 2007, S. 158 f.; als Sinnbild für die Ratsherrschaft wertet es Grape 1990, S. 30–34. Als Ausdruck einer Tradition, die auf Karl d. Gr. bezogen war, sehen Heyer 1804, Lejeune/Stiennon 1966, S. 394, 398, Rempel 1989, Pötschke 2002, S. 181 diese Zeichen.
  6. Goerlitz 1934, S. 66 f.; Grape 1990, S. 46; Grape setzt die Figuren anderen Herrschafts- bzw. Repräsentanzzeichen wie Stadtpatronen oder Darstellungen Karls d. Gr. gleich und versucht damit das begrenzte Ausbreitungsgebiet der Rolandsstatuen zu erklären, die er in einen Zusammenhang mit der Hausmachtpolitik der Luxemburger im norddeutschen Raum stellt; ebd., S. 52 f.; Pötschke 2007, S. 158 f.
  7. Zeiller 1632, S. 141; Zeiller 1653, S. 120; auch erwähnt von Uffenbach 1753, S. 150; Niemann 1824, S. 12; Zoepfl 1861, S. 243; Scheffer 1864, S. 5 mit Bezug auf Niemann gibt zuerst an, daß Inschrift B nicht (mehr?) zu sehen und nach Zoepfl, daß das Schutzdach verschwunden sei. Lucanus 1866, S. 64 nennt Inschrift B als „am Degenknopf bez(eugt)“.
  8. Siebrecht 2002 a, S. 263 f.; Siebrecht 2002 b, S. 127 f.; diese Vermutung äußerte auch schon Frantz 1853, S. 132, vgl. auch Scheffer 1864, S. 5. Nach der Hypothese von Siebrecht könnte die Verlegung 1486 im Zusammenhang der Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof von Magdeburg, Ernst von Sachsen, geschehen sein.
  9. Winnigstedt in Abel 1732, S. 367 f.; Zeiller 1632, S. 141; Zeiller 1653, S. 120 f.; Reimmann 1702 zum Jahr 1424; Zoepfl 1861, S. 243. Auf dem Vorblatt eines Papiercodex des 15. Jahrhunderts steht zur Enthauptung der Ratsmitglieder während der Halberstädter Schicht „... et in die Clementis in foro publice gladio occisi“, dabei ist jedoch nicht vom Roland die Rede; vgl. UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 780 S. 76 aus der heute in Rußland verschollenen Handschrift Nr. 63 der Halberstädter Gymnasial-Bibliothek. Auf dem Markt befand sich allerdings nicht das Gericht; vgl. Goerlitz 1934, S. 68.

Nachweise

  1. Uffenbach 1753, S. 150.
  2. Plato 1791, S. 403.
  3. Niemann 1824, S. 12.
  4. Zoepfl 1861, S. 242 f.
  5. Scheffer 1864, S. 5 mit Abb. mit Nachzeichnung Anhang Nr. 8 (A).
  6. Lucanus 1866, (S. 64 A, B, beide teilweise).
  7. UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 853 S. 162 (A).
  8. BKD, S. 458.
  9. Arndt 1910 a, S. 90.
  10. Goerlitz 1934, S. 67.
  11. Gathen 1960, S. 17.
  12. Hehn 1986, S. 37 mit Abb. Taf. 3.
  13. Katalog Magdeburg 1996, Abb. 3 S. 333.
  14. Kunze 2001, S. 10 mit Abb.
  15. Siebrecht 2002 a, S. 261 mit Abb. (A).
  16. Siebrecht 2002 b, S. 130 (A).
  17. Maseberg 2007, S. 279 (A).

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 36 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0003608.